Goldpreis und Silberpreis, Dollar und Euro unter der Lupe
Samstag, 07. Mai 2011, 07:34
Was geschieht gerade mit Gold und Silber? In Bezug auf Silber lässt die Frage sich kürzer beantworten: Margin Mania, das Spiel mit den Einschüssen für Terminkontrakte. Dieser Spuk kann bleiben, verschwinden, wiederkommen usw., was einmal mehr die traditionell hohe Volatilität des Silbers – starke Schwankungen - unterstreicht.
Natürlich können bei so einer Gelegenheit nicht Kommentare ausbleiben, die Vergleiche mit dem Ende der Silberhausse Anfang 1980 ziehen, als die Gebrüder Hunt aus Texas, damals Multimilliardäre und Pro-Silber-Spekulanten, mittelbar zu Margin-Opfern wurden. Sie hatten zusammen mit einer Gruppe anderer, auch europäischer Anleger einen Corner versucht. Mit dieser Methode, die man, auf die damaligen Verhältnisse bezogen, am besten als „Anti-Silber-Spekulanten in die Ecke drängen“ bezeichnet, wollten die Hunt-Brüder und ihre zahlreichen Mitstreiter diese Spekulanten zwingen, dem steigenden Silber um jeden Preis hinterher zu laufen. Das Manöver misslang, Details kann man in diversen Chroniken nachlesen. Parallelen zur aktuellen Margin Mania? So gut wie keine.
Nun zum Gold. Vorab der letzte Satz meines vorwöchigen Kommentars, den ich heute nochmals bekräftige: „Falls es zu Preisschwankungen kommen sollte, behalten Sie am besten die Nerven, denn sie werden nur eine weitere Unterbrechung im anhaltenden Aufwärtstrend sein.“ Der Goldpreis schwankt inzwischen kräftig, was sich – außer mit den gängigen Argumenten zur aktuellen Entwicklung von Angebot und Nachfrage – auch anhand einer grundsätzlichen, aus dem langfristigen Preistrend abgeleiteten Überlegung erklären lässt:
Der Goldpreis begann im Frühjahr 2001 nachhaltig zu steigen, nachdem der erste abrupte Anstiegsversuch vom September 1999 gestoppt worden war. Ausgangsbasis war ein Preis von etwa 260 Dollar bzw. 290 Euro. Das Euro-Dollar-Verhältnis betrug damals nur rund 0,90, war also im Verhältnis zu heute (zwischen 1,45 und 1,50) sehr niedrig. Bleiben wir bei runden Zahlen und vergleichen wir das Preisniveau von rund 1500 Dollar bzw. 1000 Euro mit dem vom Frühjahr 2001, ergibt sich ein Anstieg um 477 bzw. 245 Prozent, also ein sehr hoher Gewinn in Dollar und ein immer noch hoher in Euro. So weit die traditionelle Rechnung.
Drehen wir nun den Spieß um und fragen uns, wie viel der Dollar und der Euro, in Gold gerechnet, seit dem Frühjahr 2001 an Wert verloren haben, kommen wir auf 83 Prozent in Dollar und 71 Prozent in Euro. Wie kann das sein, da die Nullerjahre doch nur mäßige Inflationsraten mit sich gebracht haben? Dafür gibt es eine ganze Reihe von üblichen Erklärungen, beginnend bei den – wenn auch nur mäßigen, aber eben doch vorhandenen – Inflationsraten in Europa und in den USA, höheren in Indien und China, wo die Goldkäufer auf jeden Preisrückgang geradezu lauern, um zuzugreifen, bis zu Käufen einiger großer Zentralbanken und Exchange Traded Funds (börsengehandelte Fonds, kurz ETF), ferner bis zu temporären Lieferengpässen der Minen, Krisen und in deren Gefolge Rettungsversuchen mithilfe gigantischer Schulden und Geldspritzen.
Das alles erklärt zwar einen Teil des bisherigen Goldpreisanstiegs, aber nicht dessen jüngste Schwankungen. Die sind, börsianisch formuliert, auf Gewinnmitnahmen zurückzuführen, wie das an allen Börsen der Welt geschieht, nachdem etwas kräftig gestiegen ist. Doch diese Erklärung reicht immer noch nicht aus, weil die Anleger, die ihre Goldgewinne mitnehmen, bestimmte Erwartungen hegen, die sie zu Gewinnmitnahmen veranlassen.
Kommen wir deshalb zu den in Gold gemessenen Verlusten von Dollar und Euro zurück: 83 und 71 Prozent. Diese Verluste erzeugen ein enormes Misstrauen in beide Währungen. Das kann weder den verantwortlichen Regierungen noch den Zentralbanken recht sein. Aber was sollen sie unternehmen, damit aus dem Misstrauen möglichst bald Vertrauen wird? Klare Antwort: Sie haben nichts Effektives in der Hand, also üben sie sich in Aktivismus.
Dazu ein typisches Beispiel aus der Zeit vor 50 Jahren: 1961 gründeten führende Zentralbanken den sog. Londoner Goldpool, eine Institution, die verhindern sollte, dass der Goldpreis in die Höhe sprang. Das gelang bis 1970. Danach stieg der Goldpreis ein Jahrzehnt lang bekanntlich von 35 auf rund 850 Dollar in der Spitze, also auf das 24-fache. Dieser Anstieg entsprach einem in Gold gemessenen Dollar-Verlust von 96 Prozent, also weit über den im jetzigen Preiszyklus erreichten Verlust von 83 Prozent hinaus. Nun der Clou: Der Anstieg des Goldpreises von 35 Dollar 1970 auf rund 1500 Dollar heute entspricht einem in Gold gemessenen Verlust der US-Währung von 97,7 Prozent. Das heißt, der Dollar ist in nur 41 Jahren zur Verrechnungseinheit und zum Tauschmittel verkommen, also faktisch fast nichts mehr wert (der Euro als Mark-Nachfolger wenigstens noch ein bisschen mehr).
Eine Institution von der Art des Londoner Goldpools kann es heute nicht mehr geben, dafür sind die Interessen der potenziell beteiligten Zentralbanken viel zu unterschiedlich. Man denke nur an die verschiedenen Ziele von EZB und Fed: Während die EZB als Hauptziel Preisstabilität auf ihre Fahnen geschrieben hat, betätigt sich die Fed auch als Geldturbo zur Belebung der Konjunktur – bisher mit zweifelhaftem Ergebnis. Und während die chinesische Zentralbank den Dollar de facto schon abgeschrieben hat, bemühen Fed und EZB sich im Verbund, ihn nicht total abstürzen zu lassen.
Welche aktivistischen Möglichkeiten gibt es also bei solch divergierenden Zielen und Interessen? Politiker und Zentralbanker können die Propagandamaschine anwerfen, Gold als zinslos und überflüssig brandmarken. Damit hatten sie noch zu Beginn der Nullerjahre eine Zeit lang Erfolg, danach jedoch nicht mehr. Im Übrigen hilft Propaganda nur so lange, den Goldpreis zu drücken, bis Käufer auf Schnäppchenjagd gehen und die günstigeren Einstandspreise nutzen. Eine weitere, zurzeit heiß diskutierte Variante besteht in der Margin-Erhöhung für Silber-Terminkontrakte, was sich kurzfristig auf den Goldpreis auswirken kann. Doch auch das sind Peanuts im Vergleich zum großen Trend.
Weitere Möglichkeiten? Fehlanzeige. Es sei denn, Politiker greifen zu rabiaten Methoden, indem sie beispielsweise auf Gold wieder Umsatzsteuer erheben, die Abgeltungsteuer wie schon auf Wertpapiergewinne auch auf Goldgewinne erheben, den privaten Goldbesitz verbieten oder Goldbesitzer zur Abgabe für weniger als den Marktpreis zwingen. Solche Maßnahmen hätten bestenfalls symbolische Bedeutung, um es den vermeintlich Reichen mal zu zeigen. Da für sie jedoch zum Teil umfangreiche internationale Abstimmungen erforderlich wären, steht ihre Realisierung bis auf Weiteres in den Sternen.
Fazit: Die Schwankungen des Goldpreises und die heftigeren des Silberpreises werden noch einige Wochen anhalten, aber nicht den Beginn eines Abwärtstrends signalisieren, sondern nur eine Zwischenstation bilden, von der aus es im Lauf dieses Jahres wieder nach oben gehen wird. Auffanglinien sind beim Goldpreis irgendwo in der Zone zwischen 1500 und 1450 Dollar zu erwarten, beim stärker schwankenden Silberpreis zwischen 35 und 30 Dollar. Achten Sie in den kommenden Wochen vor allem darauf, wann Gold- und Silberaktien in Gestalt der auch auf goldseiten.de wiedergegebenen Indizes XAU und HUI im Vergleich zu den beiden Edelmetallen wieder stärker nach oben zeigen. Dann dürften die Metallpreise zum nächsten Sprung ansetzen.
Manfred Gburek, 6. Mai 2011
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Quelle: » gburek.eu