Silber: der kleine Bruder des Goldes
von Frank Meyer
Der Goldmarkt ist mit seiner Größe von 4.500 Mrd. USD ein Zwerg – im Gegensatz zum weltweit aufgedunsenen Anleihemarkt, der inzwischen 85.000 Milliarden Dollar wiegt. Silber ist im Vergleich zum Gold wiederum ein Winzling und gerade mal 12 Milliarden Dollar schwer. Der Börsenwert von Beiersdorf und der weltweite Silbermarkt stehen sozusagen auf Augenhöhe. Doch macht Silber für Investoren so interessant?
Die meisten glauben, es gäbe viel mehr Silber als Gold auf der Welt. Doch dem ist nicht so. Alles in der Menschheitsgeschichte geförderte Gold umfasst geschätzte 5 Milliarden Unzen geschätzt. Es liegt irgendwo herum, als Barren, Münzen oder Schmuck. Manche Schiffsladung ist untergegangen, doch wer sucht schon nach Silber? Bei Silber wurde zwar mehr gefördert, doch es wurde auch immer wieder verbraucht und iszt definitiv weg. Es gibt schätzungsweise eine Milliarde Unzen auf der Erdoberfläche, wahrscheinlich sogar weniger. Silber hat eine Zwitter-Funktion. Einerseits ist es Edelmetall mit den gleichen Geldfunktionen wie Gold, andererseits ist es schnöder Rohstoff.
In der Natur kommt Silber 15-mal häufiger vor als Gold, dafür aber eher an der Erdoberfläche, was den Abbau einfacher machte. Bei Gold nimmt die Konzentration in der Tiefe zu. Die ausgemachten Reserven reichen nach einer Berechnung einer Studie der Bundesregierung noch 14 Jahre, die aufgespürten Ressourcen 27 Jahre. Vielleicht erleben die meisten von uns noch den Tag, an dem Silber zur Neige geht, bzw. knapp wird.
Trotzdem kostet Gold ca. 25 Euro pro Gramm und Silber 0,31 Euro. Es ist verwunderlich, denn mit Gold kann man eigentlich nichts anfangen – im Gegensatz zu Silber. Seine physikalischen Eigenschaften machen es in der Industrie unersetzlich. Es leitet Strom und Wärme besser als alle anderen Metalle, ist dehnbarer als die meisten Metale und reflektiert das Licht effektiver als sonstige Materialien. Wenn Silber industriell in die diversen technischen Dingen verbaut wurde, landet es beim Lebensende der Geräte meist im Müll.
Doch Silber kann mehr: Die schon im Mittelalter bekannte antibakterielle Wirkung wird gerade wieder erforscht. So nutzt man es in Krankenhäusern als Anstrich, um multiresistenten Keimen Herr zu werden. Sportkleidung wird mit Silberfäden durchwebt, um unangenehme Körpergerüche zu unterbinden. In Kühlschränken sorgt Silberfolie für bessere Hygienestandards. Die Nachfrageseite wird zudem von neuen Anwendungsgebieten gestützt. (LCD-Displays, Solartechnik, RFID-Chips, Katalysatoren)
Von Jahr zu Jahr hat sich die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage vergrößert. Wer fördert schon Silber, wenn die Kosten höher liegen als der zu erzielende Gewinn? Deshalb gibt es sehr wenige reine Silberproduzenten. Die durch die weltweite Rezession vermutlich geringere Nachfrage wird offenbar durch höhere Nachfrage von der Investmentseite überkompensiert. Warum sonst sind die Münzprägestätten an der Kapazitätsgrenze angelangt und kommen mit dem Prägen von Münzen nicht hinterher? Silber wird als Schutz gegen die weltweiten Schwierigkeiten an den Finanzmärkten gerade wieder entdeckt.
Der Markt fragte 2008 knappe 30.000 Tonnen nach, weit weniger als aus den Bergwerken geholt werden konnte. Dabei fällt Silber vor allem als Beiprodukt bei der Gewinnung von Gold, Kupfer und anderen Metallen an. Mit sinkender Nachfrage nach den Grundmetallen, wird auch das Silberangebot knapper. In den letzten Jahrzehnten konnten nur Verkäufe seitens der Regierungen den Silbermarkt im Lot gehalten werden. Doch damit wird bald Schluß sein, denn der oberirdische Silberberg ist von einst etlichen Milliarden Unzen auf nun wenige hundert Millionen Unzen zusammengeschmolzen. Seit 1940 hat allein die US-Regierung drei Milliarden Unzen aus vorhandenen Beständen verkauft.
Das Hauptargument der Silberbugs ist neben der Seltenheit des Metalls und dem im Verhältnis zu Gold niedrigem Preis der vor allem der monetäre Aspekt. Silber ist Sachwert und damit universeller Wertspeicher. Unser heutiges Geld ist im eigentlichen Sinne Kredit. Da die Menge des Geldes immer schneller wächst als die Summe der Produktion und Dienstleistungen, muss die Leistung für das "auf den Bäumen wachsenden Geldes" erst noch erbracht werden. Silber dagegen kennt keine Schulden und keine Kreditkrise. Im Gegensatz zu Gold wurde der Besitz von Silber auch nicht verboten.
Wie winzig der Silbermarkt ist, verdeutlicht folgendes Beispiel: Für jeden Erdenbürger stehen rechnerisch 500 Dollar an Gold zur Verfügung, ca. 25 Gramm - bei Silber sind es gerade einmal 2 Dollar oder 5 Gramm.
Zu erwähnen wären auch die Geschehnisse an der US-Rohstoffbörse COMEX. Dort halten einige wenige große Spekulanten den Silbermarkt mit Papierwetten im Griff. Die vier größten Player dort haben Ende Januar 48% der jährlichen Silbermenge leerverkauft, also Dinge verkauft, die sie nicht haben, aber irgendwann liefern müssen. Ted Butler, einer der weltweit versiertesten Silberanalysten weist seit Jahren darauf hin, dass diese Spekulation in den letzten Jahren immer größer geworden ist und inzwischen perverse Dimensionen angenommen hat. (Webseite: www.investmentrarities.com). Wenn diese Spekulation auffliegt, dann fliegt auch Silber davon, und zwar dorthin, wo es eigentlich schon heute stehen müsste.
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Quelle: » http://www.cashkurs.com