Bank in Not: JP Morgan kauft Bear Stearns zu Schnäppchenpreis
17.03.2008 | 12:57 | (DiePresse.com)
Die drittgrößte US-Bank kauft die angeschlagene Investmentbank Bear Stearns weit unter Marktwert. Bei Liquiditätsproblemen springt die Fed mit bis zu 30 Mrd. Dollar ein.
Die drittgrößte US-Bank J.P. Morgan Chase übernimmt die ins Trudeln geratene Investmentbank Bear Stearns mit sofortiger Wirkung. Damit gehen die Handelsverpflichtungen von Bear Stearns und ihrer Tochtergesellschaften sowie die Aufsicht über sämtliche Operationen des Managements an J.P. Morgan über. Die US-Notenbank Fed hat die Übernahme mit einer Risikoübernahme in Höhe von 30 Mrd. Dollar abgesichert.
Kaufpreis weit unter Börsewert
JP Morgan kauft die Investmentbank für nur 236 Mio. Dollar. Der Kauf soll über einen Aktientausch erfolgen, teilte J.P. Morgan Chase in New York mit. Die Verwaltungsräte beider Unternehmen hätten dem Vorschlag zugestimmt. Man sei bereit, Bear-Stearns-Anteile gegen 0,05473 eigene Aktien zu tauschen. Auf Basis des Schlusskurses von Bear Stearns vom vergangenen Freitag ergibt dies einen Preis von rund zwei Dollar pro Aktie. Das entspricht rund einem Fünfzehntel des am Freitag erzielten Schlusskurses von 30,85 Dollar.
Die Aktionäre müssen dem Kauf noch zustimmen. Bear Stearns war als bisher prominentestes Opfer der Finanzkrise in Not geraten.
Fed springt mit bis zu 30 Mrd. Dollar ein
Die Transaktion solle bis Ende des zweiten Quartals 2008 abgeschlossen sein. Die US-Zentralbank habe im Zusammenhang mit der Übernahme Sonderfinanzierungen zugesagt und zugestimmt, Bear Stearns mit bis zu 30 Milliarden Dollar zur Sicherung der Liquidität zu stützen.
"J.P. Morgan Chase steht hinter Bear Stearns", sagte Konzernchef Jamie Dimon. "Bear Stearns Kunden und Vertragspartner sollten sich sicher fühlen, dass J.P. Morgan für Bear Stearns Vertragsrisiken garantiert. Wir heißen ihre Kunden, Vertragspartner und Angestellten in unserer Firma willkommen, und wir sind froh, ihr Partner zu sein." J.P. Morgan beschäftigt rund 180.000 Menschen.
Bear Stearns: Bank auf dem Trockenen
Bear Stearns war die Liquidität Ende vergangener Woche weitgehend ausgegangen und sie musste eilig von J.P. Morgan Chase und der regionalen Notenbank von New York gestützt werden. Die Aktien waren daraufhin am Freitag um 45,88 Prozent auf 30,85 Dollar eingebrochen. Bear Stearns ist die kleinste der fünf großen New Yorker Investmentbanken.
Am Sonntag war zudem bekanntgeworden, dass ein erst im vergangenen Jahr vereinbarter milliardenschwerer Einstieg des größten chinesischen Brokerhauses CITIC Securities zu platzen droht. Wie die Nachrichtenagentur "Bloomberg" berichtete, könne das Unternehmen ein Zustandekommen des Geschäfts "nicht garantieren". Es sei kein "formelles Abkommen" unterzeichnet worden. Der chinesische Broker, der zur staatlichen China International Trust & Investment Corp. gehört, hatte im Herbst seinen Einstieg mit sechs Prozent bei Bear Stearns für eine Milliarde Dollar angekündigt. Im Gegenzug wollte sich Bear Stearns an dem Geschäft der Chinesen beteiligen.
Offensichtlich wurde die Krise bei Bear Stearns erstmals im vergangenen Sommer, als zwei Hedge-Fonds der Bank im Zusammenhang mit dem Kollaps am US-Hypothekenmarkt zusammenbrachen. Für das vierte Quartal musste die Bank erstmals in ihrer Geschichte einen Verlust ausweisen. Wegen fauler Kreditpapiere bereinigte Bear Stearns schließlich im gesamten Geschäftsjahr 2007 (30. November) Wertverluste von 1,9 Milliarden Dollar. Der Gewinn brach auf 233 Millionen Dollar ein, nach 2,1 Milliarden Dollar im Vorjahr.
Osterwoche: Zittern vor weiteren Bankbilanzen
Mit Spannung werden nun heute die Erklärungen des Finanzhauses Bear Stearns zu seiner Geschäftslage erwartet. Am Dienstag stehen zudem die Zahlen von Lehman Brothers und Goldman Sachs an - am Mittwoch folgt Morgan Stanley. Die Aktienkurse aller vier Geldhäuser haben in den vergangenen Wochen stark nachgegeben. Auch die Prognosen ihrer Geschäftsentwicklung wurden deutlich nach unten korrigiert.
"Zu viel Pessimismus im Markt"
Ökonomen warnen nun vor einer Ausweitung der Kapitalmarktkrise. Die Gefahr sei groß, dass die Krise außer Kontrolle gerate, sagte der Bankenexperte Wolfgang Gerke zur "Berliner Zeitung". Die US-Notenbank habe panikartig reagiert, indem sie die Zinsen stark zurückgenommen und zu viel Liquidität in den Markt gepumpt habe, so Gerke. Gerke fürchtet nun eine Stagflation, also eine stagnierende Wirtschaft bei stark steigenden Preisen. "Die Fed hätte ihr Pulver trocken halten müssen. Was soll sie denn jetzt noch tun, wenn die Krise weitergeht?", fragte er.
Die Finanzexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin, Dorothea Schäfer, hält die Notfinanzierung von Bear Stearns für problematisch. "Weder die Notenbanken, noch die Politik haben derzeit die Macht, die Finanzkrise zu beenden. Es ist einfach zu viel Pessimismus im Markt", sagte sie der "Berliner Zeitung" (Ag.)
Quelle: diepresse.com