Die Währung der Angst
VON ISA VON BISMARCK-OSTEN
Wie Blei im Löffel an Sylvester schmelzen die goldenen Armreifen, Ketten und Ringe in den Schmelztiegeln der Pforzheimer Allgemeinen Gold- und Silberscheideanstalt AG dahin, verbinden sich zu einer orange-gelben Masse bei 1064 Grad Hitze im Ofen.
Anfang Januar überwand der Goldpreis seinen Höchststand von 1980. Da kostete eine Feinunze, das sind 31,1 Gramm, 870 Dollar. Seither verzeichnet die Scheideanstalt, eine der größten Europas, einen enormen Geschäftszuwachs.
Das Goldgeschäft ist ein Geschäft mit der Währung der Angst. Analysten machen die Sorge um die US-Wirtschaft, den schwachen Dollar und die sich rund um den Globus beschleunigende Inflation für die steigenden Goldpreise verantwortlich. Der Wert des Goldes, so heißt es, sei das Barometer der Konjunktur. Spitzt sich die Finanzkrise zu, retten die Anleger ihr Geld in Sachwerte, und der Preis des Goldes steigt.
„Gold gilt bei den Anlegern als sicherer Hafen“, sagt Carsten Garbers, Rohstoff-Analyst der Kreissparkasse Köln. Zu Recht, wie er meint. Zumindest langfristig: „Studien zeigen, dass der um die Inflation bereinigte Goldpreis auf lange Sicht stabil bleibt“, so Garbers. Kurzfristig hingegen unterliege der Goldpreis starken Kursschwankungen.
Barometer der Konjunktur
Zudem befeuern realwirtschaftliche Faktoren - allen voran die Gold-Gier vieler Schwellenländer - die Nachfrage nach dem globalen Schatz. In China ist die Nachfrage 2007 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als ein Viertel gestiegen.
Für die Inder, die größten Konsumenten des Edelmetalls, ist Gold Schmuck, Geldanlage, Glücksbringer und Zeichen ihres gestiegenen Wohlstands zugleich. Drei Viertel des jährlichen Verbrauchs von 3600 Tonnen wird weltweit zu Schmuck verarbeitet. Nur 13 Prozent wird in Münzen oder Barren geformt. Den Rest verwendet die Industrie.
Gold ist ein faszinierender Stoff: schwer, glatt, zugleich aber weich und formbar. Ein Gramm lässt sich mühelos zu einem Faden von 3000 Meter Länge ziehen. Doch das Gold ist rar: Würde man alles Gold der Welt zu einem Würfel schmelzen, würde die Kantenlänge gerade 20 Meter ausmachen. Um das Gold für zwei Eheringe zu gewinnen, müssen die Minenfirmen riesige Bohrlöcher graben, 20 Tonnen Stein zu Schlamm zermahlen, manchmal auch 100 Tonnen.
„Der Goldpreis steigt, da die weltweite Nachfrage das Angebot überwiegt“, sagt Garbers. Allein im letzten halben Jahr stieg der Wert des Metalls um mehr als ein Drittel an. Einen Rekord markierte der Preis am 17. März 2008, als er in London zum ersten Mal über der magischen 1000-Dollar-Marke lag. Auch Silber verkauft sich mit 15 Dollar je Unze um knapp 20 Prozent teurer als noch zu Jahresbeginn. „Trotz der guten Entwicklung wird auf Silber weit weniger spekuliert als auf Gold“, sagt Garbers.
Gold gibt Sicherheit, aber es steht viel mehr noch für Reichtum und Macht. Gold, nicht Silber oder gar das wertvollere Platin, ist der Stoff, aus dem Eheringe gemacht werden. „Die Liebe soll ewig glänzen und Bestand haben wie Gold“, erklärt Stephan Grünewald vom Institut für qualitative Markt- und Medienanalysen GmbH den Brauch. „Sein strahlender Glanz fasziniert die Menschen seit Jahrtausenden.“
Auch für die Volkswirtschaften - weltweit belaufen sich die Goldreserven der Notenbanken auf knapp 30 000 Tonnen - bedeutet das Edelmetall Sicherheit. Obwohl das Zeitalter goldgedeckter Währung seit 1971 vorbei ist, werden die Reserven für Krisenzeiten gehortet. „Die Hälfte der Wirtschaft ist Psychologie“, sagt Grünewald. Obwohl die Goldvorräte zur Absicherung der Währung nicht reichten, schafften sie Vertrauen. „Für die Menschen ist Gold nach wie vor die ultimative Währung“, erklärt Grünewald.
Dass sich private Anleger wieder für Rohstoffe - vorzugsweise Gold - interessieren, sei eine Entwicklung der letzten zwei Jahre, sagt Garbers. Da es keine Zinsen bringt, stattdessen Lagerkosten verschlingt, war das Edelmetall lange Zeit als Oma-Anlage verschrien.
„Im Moment ist die Nachfrage nach Gold sehr groß“, sagt Garbers. Doch er rät zur Vorsicht. Erst eine Woche ist es her, dass der Goldpreis um 15 Prozent fiel. Als Ursache nennt Garbers einen durch den hohen Goldpreis verursachten Rückgang der Nachfrage im asiatischen Raum. Zudem verursache die Spekulation zahlreicher Investment-Fonds Kursschwankungen. „Anleger sollten höchstens zehn Prozent ihres Depots in Gold anlegen“, so Garbers. Und wer Gold kaufen wolle, dem rät er, erst ab einem Kurs von 850 US-Dollar wieder einzusteigen.
Goldzertifikate erleichtern den An- und Verkauf von Gold. Zudem sparen sie Lagerkosten. Anleger bevorzugen jedoch Barren oder die Krügerrand-Münzen, die nach dem südafrikanischen Politiker Paul Kruger und dem Zahlungsmittel Rand benannt sind. „Die Anleger haben ein sicheres Gefühl, wenn der Anlagewert physisch bei der Bank hinterlegt ist“, so Garbers.
Wer Gold besitze, solle es vorerst behalten, so der Analyst. „Solange die Nachfrage überwiegt, rechne ich damit, dass der Goldpreis steigt.“
Quelle: www.rundschau-online.de