IWF befürchtet fast eine Billion Dollar Verluste durch Finanzkrise
Washington (dpa) - Der Internationale Währungsfonds (IWF) befürchtet durch die anhaltende Finanzmarktkrise weltweit Verluste von fast einer Billion US-Dollar. Erstmals legte die Organisation damit eine offizielle Schätzung über die möglichen Auswirkungen der seit Monaten anhaltenden Kreditkrise vor.
Der IWF sprach von «kollektivem Versagen» einer ganzen Reihe von Finanzinstitutionen. Allein durch fallende US-Immobilienpreise und Hypothekenausfälle seien 565 Milliarden Dollar (362 Mrd Euro) Verluste zu erwarten, schätzt der IWF in seinem am Dienstag in Washington veröffentlichten Bericht zur Stabilität der weltweiten Finanzmärkte.
Würden mit Geschäftsimmobilien verbundene US-Wertpapiere sowie Kredite für Verbraucher und Firmen hinzugezählt, könnte sich eine Summe von 945 Milliarden Dollar (603 Mrd Euro) ergeben. Das Bundesfinanzministerium wollte trotz der enorm hohen Verlustschätzung von keiner neuen Dimension reden. Die IWF-Zahlen hätten die bisherige qualitative Einschätzung des Problems nicht verändert, sagte Finanzstaatssekretär Thomas Mirow.
Die sieben wichtigsten Industrienationen G7 werden sich bei ihrem Treffen am kommenden Wochenende in Washington auf ein entschlossenes Vorgehen gegen die Finanzkrise verständigen, kündigte Mirow in Berlin an. Er sei sehr zuversichtlich, dass es eine «sehr überzeugende, substanzielle, gemeinsame Antwort der G7» geben werde. Es gebe ein hohes Maß an Übereinkommen und vernünftige Vorschläge, die möglichst schnell umgesetzt werden sollten. Zudem müssten auch die Regierungen auf die jeweils spezifische Lage in ihrem Land reagieren.
Die Finanzmarktkrise und die Lage der Weltwirtschaft ist Schwerpunktthema bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und des G7-Finanzminister-Treffens an diesem Wochenende in Washington. Die Zahlen des IWF gehen weit über das hinaus, was an tatsächlichen Verlusten und entsprechenden Prognosen bekannt ist. Ökonomen hatten im Februar vorausgesagt, dass sich der mögliche Schaden auf bis zu 600 Milliarden Dollar summieren könnte.
Die Experten des IWF riefen die Finanzinstitutionen zu größerer Transparenz auf. Zugleich befürworten sie eine bessere Aufsicht. Der IWF warnte vor «übereilter Regulierung». Jedoch sollte die Finanzpolitik Notfallpläne in Erwägung ziehen.
Mirow zufolge geht es um kurzfristige und langfristige Maßnahmen der G7, die auf dem Abschlussbericht des von Industrienationen getragenen Forums für Finanzstabilität (FSF) basierten. Es gehe um besseres Liquiditäts- und Risikomanagement, mehr Transparenz auch bei Rating-Agenturen, Kapitalunterlegung sowie die Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden. «Die Empfehlungen des FSF werden sich nicht darauf beziehen, die Standards zu verändern», stellte Mirow klar. Änderungen am Bilanzierungssystem seien nicht zu erwarten.
Auf der Frühjahrstagung sollen auch die Pläne des IWF für den Verkauf von mehr als 400 Tonnen Gold sowie Ausgabenkürzungen gebilligt werden. Damit will die internationale Organisation ihre Finanzprobleme in den Griff bekommen. Das Gold habe einen Wert von derzeit elf Milliarden Dollar (7 Mrd Euro), hieß es. Aus dem Verkauf wird ein Gewinn von rund sechs Milliarden Dollar erwartet. Der Verkauf dieser etwa zwölf Prozent der Goldreserven des Fonds solle aber über einen längeren Zeitraum erfolgen, so dass keine Gefahren für eine Beeinträchtigung des Marktes bestünden. Der Goldpreis hatte in den vergangenen Wochen im Zuge der Finanzkrise Rekordhöhen von mehr als 1032 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) erreicht, war aber zuletzt wieder deutlich unter 1000 Dollar gesunken.
IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn sagte, der Fonds werde mit dem Sanierungsplan auf eine solide finanzielle Basis gestellt. Die Ausgaben sollen um jährlich 100 Millionen Dollar gekürzt werden. Mirow begrüßte die Einsparungen und sprach von einem «sehr ausgewogenes Paket». Er rechne mit mehrheitlicher Zustimmung. Nötig sind 85 Prozent der Mitgliederstimmen. Vor allem muss der US-Kongress zustimmen, ehe die USA als größter IWF-Eigner den Verkauf mittragen.
Kurz vor der Frühjahrstagung wurde auch eine Einigung zur lange umstrittenen Reform der IWF-Stimmrechte erzielt. Im Kern geht es darum, die Mitspracherechte aufstrebender Volkswirtschaften wie China, Indien, Südkorea oder Mexiko und Brasilien sowie der ärmeren Länder zu stärken. Auch hier erwartet Mirow mehrheitliche Zustimmung. Die deutsche Position verringere sich durch die Neuordnung nahezu gar nicht. Der Stimmrechtsanteil gehe leicht von rund 6,0 Prozent vor der Reform auf nun rund 5,8 Prozent zurück. Für 153 Länder dagegen erhöhten sich die Anteile. Größte Gewinner seien die Entwicklungs- und Schwellenländer, die nun mehr Einfluss beim IWF hätten.
Quelle: www.rnz.de