"Arbeite nie für die Banken"
Heute gebe ich Ihnen zuerst einige Impressionen vom ersten Tag der Stuttgarter Invest-Messe wieder, die inzwischen die Düsseldorfer IAM ausgestochen hat und deren Besuch (bis Sonntag) ich Ihnen wirklich empfehle, auch wenn das Angebot der Aussteller mit Schwerpunkten wie Zertifikate und Trading, ergänzt um viele kleine Minen, nicht unbedingt ganz im Anlegersinn ist (Internet: invest2008.de). Dafür können sich so manche Vorträge und Diskussionsrunden sehen bzw. hören lassen. Wie das hervorragende Referat der Steuerberaterin Birgit Hosemann zur Abgeltungsteuer, deren letzte Details wahrscheinlich erst durch das kurz vor Weihnachten oder Silvester 2008 zu verabschiedende Jahresssteuergesetz ihre endgültige Fassung erhalten werden (steuerkanzlei-hosemann.de). Diese Steuer ist bereits heute ein schreckliches Monster, zu dessen Extremitäten sogar Steuerberater ihre Berufskollegin Hosemann um Rat fragen müssen. Ein weiteres Glanzlicht am ersten Invest-Tag war der Vortrag von Rolf Elgeti, Autor des soeben erschienenen Buches "Der kommende Immobilienmarkt in Deutschland": endlich eine mutige Stimme mit klugen, durchweg positiven Argumenten zu großen Teilen des deutschen Wohnungsmarktes.
Aussteller und Besucher in Stuttgart konnten ansonsten offenbar wieder einmal nicht verbergen, dass sie mit unterschiedlichen Erwartungen und Hoffnungen dahin gekommen waren: Die einen wollen ihre Finanzprodukte oder Dienstleistungen anpreisen, die anderen möglichst viele geldwerte Tipps bekommen. Wie reimt sich das zusammen? Nur schwer, denn das deutsche Vergütungssystem für die meisten Finanzdienstleistungen hängt in der Regel nicht von deren Qualität ab (also etwa von der leistungsorientierten Ausarbeitung einer persönlichen Anlagestrategie oder von guten Tipps), sondern von Kriterien wie Anlagevolumen oder Drehzahl der Depots. Was den letzten Punkt angeht: Die eine oder andere Bank führt bereits die nahende Abgeltungsteuer in Feld, um zu argumentieren: Liebe Trader, vom nächsten Jahr an könnt Ihr richtig loslegen, ohne Euch im Vergleich zu Daueranlegern steuerlich benachteiligt zu fühlen. Lächerlich.
Wenn Sie bei google.de einfach nur den Namen Wystup eingeben, erhalten Sie über die entsprechenden Einträge jede Menge an interessanten Informationen zum renommierten Professor dieses Namens. Er lehrt an der Frankfurt School of Finance and Management und schreibt auch in deutscher Sprache. Nicht nur, dass er - hier von mir vor vier Wochen zitiert - die zum Teil unverschämten Gebühren gängiger Riester-Produkte zerpflückt hat, er hatte bereits vor vier Jahren einen Vortrag gehalten ("Wie verdienen Investmentbanken ihr Geld?"), den Sie auf seiner Internetseite unter mathfinance.de/wystup/papers.html finden. Die folgenden Zitate dürften Ihnen die Augen öffnen: "Automatisierung von Geschäftsabläufen und das Verstecken von Margen in immer komplexere, maßgeschneiderte Lösungen gehören heute zu den Kernaufgaben. Erträge können von Banken erzielt werden durch strukturierte Produkte, deren Einzelteile für den Kunden nicht erhältlich sind oder nicht erkennbar sind oder nicht bewertbar sind oder zu mühsam zu handhaben sind. Oder aus Kundensicht: 'Arbeite nie für die Banken.' Don Ramón Areces Rodríges, El Corte Inglés" Oder konkret, auf der Stuttgarter Invest-Messe von Niels Nauhauser aufgeschnappt, der dort die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg vertrat: "Kaufe kein Zertifikat, das Du nicht verstehst." Wer versteht eigentlich überhaupt genug von Zertifikaten, um nicht in die Gebührenfalle zu tappen?
Strukturierte Produkte sind längst nicht mehr auf Zertifikate, Aktienanleihen, Optionsscheine, Fonds und ähnliche Gebührenmaschinen beschränkt, sondern haben auch schon die Immobilien erfasst - mit unerfreulichen Folgen vor allem für Eigentümer vermieteter Wohnimmobilien: Da Banken und Sparkassen nicht viel mit solchen Objekten anfangen können, sind ihnen Kunden mit umfangreichem Bestand an direkt gehaltenen Immobilien eher lästig. Stattdessen gehen sie für ihre Immobilienfonds lieber auf die Suche nach Gewerbeobjekten in Dubai, Indien oder China. Die eine oder andere löbliche Ausnahme finden Sie allerdings im Rahmen der Titelgeschichte der April-Ausgabe der Zeitschrift "Immobilienwirtschaft" (Internet: immobilienwirtschaft.de).
Fazit: Strukturierte, also komplizierte und von Kunden üblicherweise kaum durchschaubare Finanzprodukte sind nicht nur mit hohen, zum Teil geschickt versteckten Gebühren belastet, sondern während des jetzigen Ablaufs der noch lange anhaltenden internationalen Finanzkrise höchst gefährliche Instrumente. Denn viele von ihnen können schnell zu hohen Verlusten führen, und manche sind mangels Bewertungsmöglichkeit gar nicht liquidierbar. Dagegen wirken direkte Engagements in Aktien und Anleihen, in Edelmetallen sowieso, fast schon archaisch. Sie dürften während der kommenden turbulenten Monate und Jahre zwar wenig für Anleger mit schwachen Nerven sein (Aktien weniger als Anleihen und Edelmetalle), sich aber zumindest immer relativ leicht liquidieren lassen.
Zu guter Letzt noch ein nahe liegender Gedanke zur zweifelhaften Qualität der so genannten Anlageberater: Glauben Sie im Ernst, dass Sie von ihnen einen auch nur halbwegs guten Rat erhalten, nachdem ihre Chefs Milliarden verspielt haben? Wenn die Bankenchefs so miserabel gewirtschaftet haben, sollten Sie den Rat "Arbeite nie für die Banken" wirklich jederzeit beherzigen.
Manfred Gburek, 11. April 2008
Quelle: gburek.eu