Ein neues Credo
Die schockierende Nachricht des Tages... die Amerikaner werden ärmer!
Am vergangenen Dienstag hat der Dow ein großes Comeback auf die Beine gestellt. Gold ist auch um 16 Dollar gestiegen - auf 948 Dollar. Und Öl hat mit knapp unter 115 Dollar einen neuen Rekord erreicht und erreichte dann über Nacht 115 Dollar.
Also sind alle zufrieden - außer die, die ausverkauft haben. Die Goldkäufer sind glücklich, weil Gold wieder auf dem Weg in Richtung der 1.000 Dollar ist. Die Wall Street ist glücklich, weil die Aktien steigen. Und die Ölindustrie ist glücklich... und genauso die Leute, die Ethanol herstellen... und zuletzt auch die Leute, die treibstoffeffiziente Hybridfahrzeuge herstellen.
Und hier im Hauptquartier meines Unternehmens, in dem Gebäude mit den goldenen Kugeln, bin ich auch sehr glücklich. Aber ich bin aus keinem besonderen Grund glücklich. Soweit ich das sehe, läuft es einfach gut - Gott ist im Himmel, die Queen ist auf ihrem Thron, und die Investoren bekommen das, was ihnen zusteht.
Ich habe vorgestern meinen eigenes Konzil von Nicea abgehalten, so gegen drei Uhr in der früh, nach langem Nachdenken und Trinken. Und ich habe mein Credo gefunden. Und so denke ich jetzt, steht es um uns:
1. Ich glaube, die große Mäßigung ist vorbei. Sie ist einer Phase der Volatilität gewichen... einer Phase der Großen Flation - von zwei Sorten, sowohl Inflation als auch Deflation, die manchmal im Krieg miteinander stehen und manchmal ihre Kräfte bündeln... und manchmal nicht sicher sind, in welche Richtung sie wollen oder was sie tun.
Deflation ist, wie wir alle wissen, ein Werk des Teufels. Aber Inflation ist, in erster Linie, das Werk der amerikanischen Zentralbank.
Den Schattenstatistiken zu diesem Thema (das Finanzministerium veröffentlicht keine Zahlen mehr), steigt das breiteste Maß für die Geldmenge, der Wert M3 im Jahr um fast 20%. Wenn es stetig in diesem Maße weitergeht, dann sollte das bedeuten, dass die mittleren Preissteigerungen auch bei 20% im Jahr liegen. Vielleicht sogar bei mehr.
Bislang ist es noch nicht dazu gekommen - außer in einigen Schlüsselbereichen, um die ich mich in einer Minute kümmern werde.
2. Ich glaube, dass die Deflation ihr Werk an den Blasen von gestern verrichtet - in erster Linie in der Finanzindustrie und an den amerikanischen Wohnimmobilien. Die Inflation konzentriert sich hingegen auf die Blasen von Morgen - bei den Rohstoffen, den Soft Commodities, den Edelmetallen und Öl. Soweit es die Deflation betrifft, erkenne ich, dass sie ihr Werkt in der Immobilienindustrie verrichtet, wo die Baubeginne auf dem geringsten Niveau in 17 Jahren liegen...
was das Vertrauen der Verbraucher auf den geringsten Wert seit 1993 treibt. Das Beige Book bestätigt, dass die Rezession entweder bevorsteht oder bereits angekommen ist. Forbes berichtet, dass die schlimmsten Märkte Miami, Denver, Baltimore und Chicago sind. Ich weiß nicht viel über die anderen Orte, aber bis zur letzten Blase sind die Immobilienpreise in Baltimore seit 80 Jahren gefallen. Jetzt scheinen sie zu diesem Trend zurückgekehrt zu sein.
Die Los Angeles Times fügt hinzu, dass die Preise durch die zwangsversteigerten Grundstücke - die zurück auf den Markt geworfen werden - noch weiter gesenkt werden. US Today sagt, dass die Situation erst noch schlimmer werden wird, ehe sie wieder besser wird. Und die Konkursanträge - die meist durch die fallenden Hauspreise verursacht werden - sind im vergangenen Jahr um 37% gestiegen.
Ich habe nur wenige neue Informationen über den Finanzsektor - außer, dass Merrill Lynch weitere sechs bis acht Milliarden Dollar abgeschrieben hat. In den jüngsten Nachrichten fand sich auch eine Notiz, dass John Paulson vielleicht mehr Geld verdient hat, als irgendein Mensch vor ihm - als er 3,7 Milliarden Dollar mit nach Hause nahm, dank der großzügigen und leichtsinnigen Investoren in seinem Hedgefonds.
Paulson hat im großen Stile darauf gesetzt, dass die minderwertigen Kredite im Wert fallen würden. Er hatte Recht. Jetzt ist er an der Wall Street das Alpha-Männchen. Diese ganze Sache ist natürlich ein beachtlicher Betrug auf fast jeder Ebene.
Eine gelungene Wette macht die Manager reich, aber irgendwann machen die Klienten Konkurs. Ich bin sowieso den Zahlen gegenüber misstrauisch. Sie murmeln, sie sind zweideutig. Sie lügen. Soweit ich das sehe, könnte Mr. Paulson der armseligste Mensch auf Erden sein. Doch die Welt konzentriert sich auf die Zahlen... und auf Geld... und ich verdiene mein Geld, indem ich darüber schreibe.
Aber was weiß ich denn schon? Was sagen mir die Zahlen wirklich? Ich kann nicht wirklich irgendetwas Wichtiges über Paulson erfahren. Alles, was ich mir ansehen kann, sind die verdrehten Zahlen. Und was die Inflation anbelangt, zuletzt sahen wir nicht nur den absoluten Höchstpreis bei Öl, sondern alle Rohstoffe waren in der Nähe von Rekordwerten.
Gold ist in den vergangenen 12 Monaten um 37% gestiegen. Kupfer - von dem man meint, es sei ein Maß des wirtschaftlichen Wohlstandes - ist in der Nähe des Höchstwertes. In Europa steigt die Verbraucherpreisinflation schneller als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in den vergangenen 16 Jahren.
3. Ich glaube, dass die kombinierte Wirkung dieser Flationen ein geringeres Nettovermögen der Vereinigten Staaten von Amerika sein wird. Die Kredite und Guthaben werden durch beide weniger wert sein.
Doch was noch wichtiger ist, der Wert der Arbeit wird reduziert werden... damit die Amerikaner besser in der Lage sein werden, ihre Schulden zu bezahlen und (bedenkt man ihre Fähigkeiten und die Kapitalformierung) am Weltmarkt wettbewerbsfähig zu sein.
4. Und ich glaube, dass das die Art ist, wie der Kapitalismus funktionieren soll - die Leute bekommen nicht das, was sie wollen oder das, was sie erwarten, sondern das, was sie verdienen. Die Amerikaner standen länger als ein halbes Jahrhundert an der Weltspitze.
Und sie haben sich selbst übertroffen... sie haben die Götter herausgefordert. Sie haben versucht Dinge zu tun, die Sterbliche nicht tun sollten - sie haben über ihre Verhältnisse gelebt und den Rest der Welt nach ihrem eigenen Bilde geformt... noch dazu mit geborgtem Geld.
Sie müssen wieder auf ihren Platz verwiesen werden. Doch einen Augenblick. Sie fragen sich vermutlich... wie es kommt, dass die Amerikaner nicht noch ein weiteres Jahrhundert an der Weltspitze bleiben können. Nun, es gibt kein Gesetz, dass sagt, dass sie das nicht können.
Und vielleicht tun sie das ja auch... aber nicht ehe sie nicht so heftig verhauen wurden, dass sie ihre Lebensweise verändern. Wenn sie auch weiterhin im aktuellen Ausmaß Geld ausgeben, dann müssen sie eine Möglichkeit finden, mehr davon zu bekommen.
Es ist fast sicher, dass sie sich stattdessen werden einschränken müssen. Aber darum geht es bei diesem Trend nur - die amerikanischen Löhne, Schulden und Kaufkraft zu senken.
Und es fällt ihnen kaum auf. All die Billionen von Dollar, die ins Ausland geschickt werden, stehen für Ansprüche gegenüber der amerikanischen Wirtschaft, gegenüber ihrem Vermögen, ihrem Staatsschatz… und gegenüber den Ressourcen und Produktionskapazitäten. Aber mit jedem Tag, an dem der Dollar fällt, kann man von diesen Dollar weniger kaufen. Und das bedeutet, dass die Verschuldung der Amerikaner fällt.
Natürlich fallen auch ihre Erträge. Seit Ende des 19. Jahrhunderts, haben die Amerikaner mehr verdient als irgendeine andere Gruppe. Aber beim aktuellen Wechselkurs von Dollar zu Euro sind viele Staaten heute schon reicher als die Amerikaner.
Ein durchschnittlicher Amerikaner verdiente im vergangenen Jahr ungefähr 38.000 Dollar. In der Schweiz waren es im Schnitt 64.000 Dollar. In Dänemark liegt das durchschnittliche Gehalt bei 62.000 Dollar. In Norwegen, Luxemburg und sogar in Deutschland lag das durchschnittliche Einkommen bei 60.000 Dollar.
Die Belgier verdienten im Schnitt 47.000 Dollar und die Franzosen, ja, liebe Leser, die Franzosen haben den Amerikanern heute einiges voraus.
Oh weh, oh weh... Doch ich bin hier in diesem Gebäude mit den goldenen Kugeln immer noch glücklich… und ich will mit einer optimistischen und erhebenden Notiz enden:
Rom hat sich selbst mehrere Male neu erfunden - und es ist der Stadt gelungen, mindestens fünf Jahrhunderte lang an der Spitze der altertümlichen Welt stehen zu bleiben. Augustus kam an die Macht, nachdem er Mark Antonius und Kleopatra in der Schlacht von Actium geschlagen hatte. Dann ließ er seinen Cousin (Caesars Sohn von Kleopatra) ermorden und er untermauerte seine Kontrolle, indem er 100 Senatoren ermordete.
Ich weiß, dass viele Leser finden werden, dass das sehr ansprechend klingt.
© Bill Bonner
Quelle: Auszug aus dem Newsletters "Kapitalschutz Akte"