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Aktienstrategie einmal anders

Tolles Wachstum im ersten Quartal 2008, sprudelnde Steuereinnahmen, das Aktienbarometer Dax wieder deutlich über 7000 Punkten und demnächst noch weniger Arbeitslose. Das ist der Teil der Wochenbilanz, der sich sehen lassen kann. Bundespräsident Köhler zieht über die Finanzkonzerne her, Co-Aufseher Sanio über die Ratingagenturen, der scheidende Commerzbank-Chef Müller bekommt von seinen Aktionären nicht das gewünschte Eigenkapital genehmigt und die Hypo Real Estate vier Monate nach der Bekanntgabe überraschend hoher Abschreibungen Ärger mit dem Staatsanwalt. Das ist der andere, weniger erfreuliche Teil der Wochenbilanz. Es gibt noch Hunderte von weiteren positiven wie negativen Beispielen solcher Art. Wir alle werden uns in den nächsten Monaten und Jahren angewöhnen müssen, penibel zwischen ihnen zu unterscheiden. Denn das Wachstum und seine Begleiterscheinungen auf der einen sowie Köhler & Co. auf der anderen Seite verdeutlichen: Licht und Schatten liegen dich beieinander; wer nicht genau hinsieht, erblickt nur eine graue Mischung.
Demzufolge werden Anlegern zwei Qualitäten besonders abverlangt: Selektion und Timing. Oder um zu beiden Eigenschaften Beispiele zu nennen: Wer sich heute an den Börsen engagieren möchte, sollte neben Edelmetallaktien selektiv weitere zukunftsträchtige Papiere zumindest schon mal ins Visier nehmen (zunächst noch nicht mehr), etwa Deutsche Postbank, Gagfah und Q-Cells - um drei völlig unterschiedliche Typen zu nennen. Und wer den richtigen Zeitpunkt für neue Engagements erwischen will, ist gut beraten, sich auf die Beobachtung von fünf bis zehn solcher Aktien zu konzentrieren., statt womöglich verpassten Gelegenheiten aus der Vergangenheit hinterher zu trauern oder auf den unwahrscheinlichen Turnaround der meisten Bankaktien zu warten. Alles zusammen ist - abgeleitet vom Handwerk, bei dem ja bekanntlich Übung den Meister macht, Kopfwerk in Sachen Geldanlage, verbunden mit viel Zeitaufwand. Doch der lohnt sich.
Nun eines nach dem anderen. Richten wir unser Augenmerk also erst einmal auf Edelmetallaktien. Die meisten von ihnen haben den Anstieg des Goldpreises in der abgelaufenen Woche, vor allem am Freitag, zwar recht ordentlich mitgemacht, darunter auch bis dahin ziemlich lahme, wie Newmont oder Gold Fields; aber ein richtiger Kursausbruch sieht anders aus. Gehen wir den Dingen auf den Grund. Als Seismograph bietet sich der jetzt unter Black Rock firmierende ehemalige Merrill Lynch-Edelmetallfonds an, weil er als mit Abstand größter Fonds seiner Art zurzeit 7,2 Mrd. Dollar verwaltet und damit entscheidend die Kursentwicklung von Edelmetallaktien bestimmt. Um hinter sein Geheimnis und damit zu den Favoriten zu kommen, klicken Sie sich am besten wie folgt durch das Internet: onvista.de, dann dort in dieser Reihenfolge Fonds, Performance-Ranglisten, Fondstyp Branchenfonds, Anlageschwerpunkt Edelmetalle, Black Rock World G (Jahresperformance: + 16,45%), Top-Holdings. Dort finden Sie dann die zehn größten Positionen dieses Fonds, von Newcrest bis Agnico-Eagle.
Das ist allerdings erst die halbe Miete. Die ganze wird daraus, wenn Sie Monat für Monat die Änderungen verfolgen. Dann wissen Sie, welche Aktien unter den Top Ten der marktbestimmende Mammutfonds eher kauft und welche er verkauft. Sich an seine Dispositionen anzuhängen, kann auf Dauer sehr lukrativ sein, wenn Sie nicht zu früh und nicht zu spät einsteigen - was Ihnen ja, bei der Verfolgung Monat für Monat, gelingen dürfte. Zugegeben, eine mühevolle Arbeit, die da auf Sie zukommt. Doch sie verschafft Ihnen den erforderlichen Einblick in die entscheidenden Dispositionen. Im Übrigen können Sie dieselbe Methode auch bei anderen Mammutfonds anwenden, nicht zuletzt bei denen von Black Rock, wie World M (Schwerpunkt Industriemetallaktien) und World E (Schwerpunkt Energieaktien).
Nun zum zweiten Teil unseres Kopfwerks, also zu Aktien wie Deutsche Postbank, Gagfah und Q-Cells. Hier geht es zunächst um das, was Profis als entscheidenden Faktor bezeichnen. Auf den kann jeder Anleger mit ein wenig Zeitungs- und Prospektlektüre, Beobachtungsgabe und Kombinationsvermögen kommen.
Beispiel Postbank: Fast täglich ist zu lesen und zu hören, an ihr seien andere Banken interessiert. Das ist richtig. Doch der Preis und die anderen Begleitumstände werden am Ende Ausschlag gebend dafür sein, wer den Zuschlag erhält. Die Postbank-Aktie schwankte in den vergangenen Monaten ziemlich kräftig. Der dabei entscheidende Faktor war aber nicht die Gerüchtelage, sondern ein ganz anderer Umstand: Analysten bewerteten die Tatsache, dass die Postbank mit der Abwicklung des Zahlungsverkehrs auch für die Deutsche, die Dresdner und die HypoVereinsbank über eine Schlüsselfunktion im deutschen Bankwesen verfügt, mal so und mal so. Darüber hinaus waren sie sich nicht einig, wie die Beteiligung des Großaktionärs Deutsche Post in die Bewertung der Postbank-Aktie eingehen sollte, wobei die Beteiligung der KfW an der Deutschen Post zusätzliche Rätsel aufgibt, weil die KfW wiederum Miese ausglichen muss, die ihr die Beteiligung an der maroden IKB eingebrockt hat. Alles in allem also ein Wirtschaftskrimi, dessen Verfolgung sich durch ständiges Beobachten der Postbank-Aktie lohnt - und schließlich durch deren Kauf, am besten, wenn sie an schwachen Börsentagen ein Zwischentief erreicht.
Die Begleitumstände der Immobilienaktie Gagfah, die nach ihrer Emission erst einmal tief gefallen ist und nun einen Boden ausbildet, und die der stark schwankenden Solarzellenaktie Q-Cells unterscheiden sich natürlich stark von denen der Postbank-Aktie. Doch auch in diesen beiden Fällen gibt es einen entscheidenden Faktor: Bei Gagfah ist es der mögliche Kurshebel durch steigende Mieten im Gefolge von knapper werdendem preiswertem Wohnraum, bei Q-Cells die Chance, mit Sonnenenergie Geld zu verdienen, wenn die anderen Energien immer teurer werden. Lassen Sie sich aber weder in dem einen noch in dem anderen Fall zu Käufen hinreißen, wenn die Aktien mal einen kurzen Sprint einlegen. Denn beide werden Ihnen nicht von heute auf morgen davonlaufen, sondern sich immer wieder auch zurückfallen lassen. Bis dahin sollten Sie sich in Geduld üben, beobachten, noch mal beobachten - und am Ende auf möglichst niedrigem Kursniveau zugreifen.
Zu guter Letzt: Bringen Sie Ihre Aktienkäufe noch vor dem Jahresende unter Dach du Fach, damit die Abgeltungsteuer später nicht an den Kursgewinnen nagt. Und verschwenden Sie nicht zu viel Zeit mit der Überlegung, welche Fonds im Rahmen dieser Steuer später besteuert werden und welche nicht. Das wird zwar die Gemüter beim Gesetzgeber in Berlin und beim Fondsverband BVI in Frankfurt noch stark erhitzen, auf Ihre Aktiendispositionen aber keinen Einfluss haben.

Manfred Gburek, 16. Mai 2008
Quelle: http://www.gburek.eu/