Zentralbanken können auch bankrottgehen
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Zentralbanken können auch bankrottgehen
Von Gerald Braunberger
19. Mai 2008 Die Entscheidungen der amerikanischen Zentralbank (Fed) und der Bank of England, im Rahmen ihrer Liquiditätsversorgung den Geschäftsbanken nicht nur sichere Staatspapiere, sondern auch private Kreditmarktpapiere abzukaufen, kann ihre Solidität unterminieren. Das ist das Ergebnis einer Studie des Ökonomen Willem Buiter, der heute an der London School of Economics (LSE) lehrt und einige Jahre dem Führungsgremium der Bank of England angehörte.
Ähnliches gilt für die Europäische Zentralbank (EZB), die schon seit längerem private Wertpapiere ankauft. Eventuelle Verluste aus diesen risikobehafteten Papieren würden das Eigenkapital der Zentralbanken angreifen - und das ist nicht sehr groß: „Bevor die gegenwärtige Krise Geschichte wird, werden die Fed, die EZB und die Bank of England vermutlich erhebliche Beträge an illiquiden und möglicherweise fragwürdigen Vermögensgegenständen in ihren Bilanzen haben.“
Zentralbanken sind riskant aufgestellt
Buiter hat sich die Bilanzen der großen Zentralbanken angeschaut und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass sie, wären sie private Geschäftsbanken, zum Teil ziemlich riskant aufgestellt sind. So kommt die Fed bei einer Bilanzsumme von 900 Milliarden Dollar auf ein Eigenkapital von 40 Milliarden Dollar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Reserven in Gold und Fremdwährungen, anders als etwa im Falle der Bundesbank, nicht der Fed gehören, sondern der Regierung. Ein Eigenkapital von 40 Milliarden Dollar wirkt auf den ersten Blick großzügig. Allerdings kauft die Fed nicht nur Kreditmarktpapiere an, die ein Ausfallrisiko besitzen. Sie hat zudem eine Garantie über 29 Milliarden Dollar für die Übernahme der Investmentbank Bear Stearns durch JP Morgan erteilt.
Das Verhältnis von Bilanzsumme zu Eigenkapital ist bei der Bank of England noch extremer. Aus einer Bilanzsumme von 97 Milliarden Pfund und einem winzigen Eigenkapital von 2 Milliarden Pfund errechnet sich eine Eigenkapitalquote von lediglich knapp 2 Prozent. „Das wäre selbst für einen Hedge-Fonds ein beeindruckender Wert“, schreibt Buiter. Auch hier bleibt zu berücksichtigen, dass der größte Teil der britischen Währungsreserven nicht der Bank, sondern der Regierung zugeordnet ist. Im Vergleich zur Bank of England und zur Fed erweist sich die Eigenkapitalausstattung des Systems der Europäischen Zentralbanken (das aus der EZB in Frankfurt und den nationalen Zentralbanken besteht) als etwas großzügiger. Aus einer Bilanzsumme von 1379 Milliarden Euro und einem Eigenkapital von 71 Milliarden Euro errechnet sich eine Eigenkapitalquote von 5,2 Prozent. Diese Bilanz enthält Gold- und Fremdwährungsreserven im Wert von 340 Milliarden Euro.
Wahrscheinlich müsste der Steuerzahler büßen
Nun weiß Buiter, dass Unterschiede zwischen Zentralbanken und Geschäftsbanken bestehen und der Blick auf eine Zentralbankbilanz kein vollständiges Bild der Lage gibt. Solange die Zentralbank Verbindlichkeiten in eigener Währung besitzt, kann sie diese im Prinzip durch die Schaffung zusätzlichen Geldes begleichen und damit einen Bankrott vermeiden, selbst wenn das Eigenkapital aufgebraucht wäre. Problematisch wird es jedoch, wenn eine Zentralbank Verbindlichkeiten in einer Fremdwährung begleichen muss, die sie nicht selbst schaffen kann. Ein Beispiel ist Island, dessen führende Geschäftsbanken sich überwiegend in fremden Währungen verschuldet haben. Die isländische Zentralbank könnte den Geschäftsbanken im Falle einer Krise vermutlich gar nicht helfen, da sie nur isländische Kronen erzeugen kann, aber keine Fremdwährungen.
Aber auch die Tilgung von Verbindlichkeiten in eigener Währung durch die Schaffung zusätzlichen Geldes wirft nach Ansicht Buiters Schwierigkeiten auf. Denn durch die Schaffung zusätzlichen Geldes zur Abwehr eines Bankrotts erzeugte eine Zentralbank Inflationsgefahren. Die Gefahr bestünde, dass die Verbraucher in Form höherer Preise für die Unfähigkeit ihrer Geldpolitiker büßen müssten. Daher vermutet Buiter, dass im Falle einer Krise einer Zentralbank die betroffene Regierung deren Eigenkapital aufstocken würde. Dann müsste der Steuerzahler für die Unfähigkeit seiner Geldpolitiker büßen.
Quelle: www.faz.net
» 19.06.08 Ein landesweiter politischer Stromausfall