Ein Unglück kommt selten allein
"When sorrows come, they come not single spies, but battalions..." - Hamlet
(Wenn Unglück kommt, so kommt es nicht wie Späher einzeln, sondern scharenweise...)
Das Ende der vergangenen Woche brachte noch mehr Unglück. Die Aktien sind gefallen - der Dow um 227 Punkte. Öl stieg auf 132 Dollar. Der Dollar fiel auf 1,57 Dollar für einen Euro. Und Gold erreichte 928 Dollar. Doch was ist das? Seltsamerweise sind auch die Anleihen gefallen. Das könnte sich als sehr bedeutsam herausstellen, wie ein Hund, der nicht bellt.
Normalerweise steigen Anleihen, wenn Aktien fallen. Investoren erwarten geringere Erträge, wenn sich die Wirtschaft abkühlt und weniger Kreditnehmer streiten um die Fonds. Doch jetzt sieht es so aus, als hätte der Anleihenmarkt aus anderen Gründen Sorgen... und ich glaube, ich weiß, was es ist.
Ich habe den Zahlen schon lange misstraut. Und ganz besonders misstraue ich Zahlen, die vom Arbeitsministerium, von Vertretern jeglicher Art, von der Wall Street oder den Medien, dem Kongress oder der Familie kommen.
"Ich habe sehr viel Geld gespart, als ich diese Jacke gekauft habe", berichtete eine meiner Töchter gestern, "sie war im Ausverkauf. Gefällt sie dir nicht?" "Nun... doch... aber wie viel hättest du gespart, wenn du sie überhaupt nicht gekauft hättest?" "Daddy... jetzt sei nicht albern... ich brauchte eine Sommerjacke."
Vielleicht bin ich heute albern... aber ich kann zusehen, wie mir das Geld durch die Hände rinnt. Und das gilt auch für alle anderen. Die Preise steigen für fast alles - für Milch, Brot, Benzin, Schnaps... für alles, was lebensnotwendig ist.
In den USA, so berichtet Martin Hutchinson, sind die offiziellen Inflationszahlen die schlimmsten in 17 Jahren... aber die inoffiziellen Zahlen sind noch alarmierender. Natürlich werden die unbearbeiteten Zahlen nie erwähnt. Sie sind wie eine vergessene Tante, die vor Jahren in einem Pflegeheim abgegeben wurde… niemand kommt mehr zu Besuch... es fragt auch niemand mehr nach ihr.
Im März zeigten die inoffiziellen Zahlen Verbraucherpreise, die im Jahr um 10% steigen. Aber nachdem die Schläger im Arbeitsministerium mit ihnen fertig waren, wurde ein Verbraucherpreisindex berichtet, der bei nur 3,6% lag. Das nannten sie "saisonale Anpassungen".
Doch als die Zahlen im April mit 7,2% hereinkamen, haben sie sie saisonal auf 2,4% nach unten angepasst. Es scheint ihnen nicht aufgefallen zu sein, dass sich die Jahreszeit verändert hatte.
Hutchinson: "Diese beiden "angepassten" Zahlen werden vom Aktienmarkt mit einem deutlichen Aufwärtstrend begrüßt. In den zehn Jahren bis 2007 überstiegen die saisonalen Anpassungen niemals ein Plus oder Minus von 0,3%. Die Wahrscheinlichkeit, dass die saisonalen Anpassungen im März und April zufällig und mit der gleichen Methode ermittelt wurden, wie im vergangenen Jahrzehnt, liegen somit bei 0,18% beziehungsweise bei 2,3% (somit liegt die Wahrscheinlichkeit von zwei Anomalien in aufeinander folgenden Monaten bei 0,0041% oder bei ungefähr 1 zu 25.000).
Wenn die unbearbeiteten Zahlen im März und April mit den durchschnittlichen saisonalen Anpassungen für März und April der letzten zehn Jahre angepasst wurden, dann liegt die Verbraucherpreisinflation für diese beiden Monaten im Schnitt bei 7,4% aufs Jahr."
Einige Leute kann man immer zum Narren halten, sagte Abraham Lincoln. Er kannte keine modernen Wirtschaftler oder hauptberufliche Fondsmanager. Aber er muss mit ihnen gerechnet haben.
Sie zeichnen die Aktien und die Anleihen so aus, als wäre die Inflation immer noch unter Kontrolle - weil das Arbeitsministerium das sagt. Wer weiß? Vielleicht stellt sich ja heraus, dass sie Recht haben.
Es es ist schon Seltsameres passiert. Aber hier auf diesen Seiten... gehe ich davon aus, dass die Preise stärker steigen, als die Leute glauben... und dass noch mehr Inflation bevorsteht... und dass der Anleihenmarkt dahinter kommen wird. Und das ist der Grund, warum die Anleihenpreise gestern gefallen sind: die Investoren machen sich Sorgen wegen der Inflation.
Und irgendwann werden die Anleihenwächter - vielleicht - aus ihrem langen, tiefen Schlaf erwachen. Die Leser erinnern sich vielleicht noch an die Anleihenwächter - vermutlich nur dem Namen nach. Damals, in den Siebzigern, sind die Inflationsraten gestiegen. Anleihenkäufer mussten heftige Schläge einstecken.
Und dann haben sie sich die Waffen umgeschnallt. Fortan, so sagten sie, dürften die Volksvertreter nicht mehr damit durchkommen, eine Inflation auszulösen, denn der Anleihenmarkt würde das nicht zulassen. Sobald die Anleiheninvestoren sahen, dass eine Inflation drohte, konnten sie wie Wächter handeln - ihre Anleihen verkaufen und so die Erträge wieder nach oben treiben.
Höhere Erträge haben die Wirtschaft abkühlen lassen... und die Inflation reduziert. Im Sinne einer vollständigen Aufdeckung sei gesagt, dass es nicht das erste Mal ist, dass ich denke, dass die Anleihenwächter ihre Pferde satteln und los reiten, um die Zentralbank davon abzuhalten, den Dollar zu zerstören.
Gleiches habe ich in den vergangenen fünf Jahren schon mindestens zweimal gedacht... nur um dann feststellen zu müssen, dass sie nur auf dem Weg in den Saloon waren, um die Party mitzufeiern. Doch zurück zu meinem ersten Punkt - dass die Zahlen lügen.
Einige englische Zeitungen scheinen den gleichen Verdacht zu haben - dass die offiziellen Zahlen gebeugt und verzerrt sind, immer nach unten hin natürlich. Also haben sie ihre Reporter in die wahre Welt geschickt, dass sie dort einkaufen.
"Die Ergebnisse sind "alarmierend", sagt eine Boulevardzeitung... "die heftigsten Anstiege der Lebenshaltungskosten seit einer Generation."
Was haben die Zeitungen wirklich festgestellt? Der Daily Express kam auf einen Anstieg der Verbraucherpreise in den vergangenen 12 Monaten um 11,5%. Die Rechnung der Daily Mail kam auf 15%. Das scheint eine ernste Inflation zu werden.
Und ich gehe davon aus, dass noch mehr auf uns wartet. Und auch weniger. Ein Nachrichtenbeitrag in der Financial Times sagt mir etwas Interessantes. "Die Lücke zwischen den Input-Preisen und dem, was an die Verbraucher weitergegeben werden kann, ist breiter als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in den vergangenen 20 Jahren."
So ist der Preis für eine zwei-Liter-Milchflasche in Großbritannien um 16,5% gestiegen. Der Preis für Milch von Bauernhöfen ist um fast das Dreifache gestiegen - um 45,8%. Oder nehmen Sie Brot. Weizen ist im Laufe des vergangenen Jahres um 56,9% gestiegen. Aber ein Laib Brot ist nur um 8,5% gestiegen. Rohöl ist heute um 63% teurer als vor einem Jahr. Aber eine Dose Öl... oder Erdölprodukte allgemein, sind im Einzelhandel um nur 25,4% gestiegen.
Was bedeutet das? Vermutlich zwei Dinge. Vielleicht noch mehr. Zum einen sind die Preise für den Materialeinsatz so schnell gestiegen, dass die Verbraucherpreise nicht hinterher kommen konnten. Es könnte auch bedeuten, dass die Einzelhändler nicht davon ausgehen, dass die Preise für die Rohstoffe von Dauer sind... oder dass sie - die Einzelhänder - es sich sich nicht leisten können, sie weiterzureichen, ohne Kunden zu verlieren.
Es könnte auch bedeuten, dass die Preis für Rohstoffe und den Großhandel zu schnell und zu stark gestiegen sind. Doch eines ist sicher: Diese Lücke kann keinen Bestand haben. Der Einzelhandel kann Öl nicht für einen um 62% gesteigerten Preis kaufen und für nur 25% mehr weiter verkaufen - zumindest nicht über eine lange Zeit. Entweder fällt der Rohölpreis... oder der Preis der Erdölprodukte im Einzelhandel steigt.
Was wird es werden? Eine Inflation oder eine Deflation? Mehr Inflation im Einzelhandel, auf der Ebene der Verbraucher oder rein Einbruch der Rohstoff-/Großhandelspreise?
Ich vermute - wieder einmal - dass es beides sein wird.
© Bill Bonner
Quelle: Auszug aus dem Newsletters "Kapitalschutz Akte"