Spanien – ein Land stürzt ab
Wöchentlicher Kommentar von Frank Meyer um 16:52:25 Uhr 04.07.08
Was die Amerikaner dem Rest der Welt vorgemacht haben, passiert nun immer mehr auch in den europäischen Ländern: Die Grenze der Verschuldung scheint offenbar erreicht zu sein. Im Gegensatz zu den USA, das als Empire in dieser Welt sich immer mehr leisten konnte, sieht es in Spanien hingegen schon anders aus. Kredite gab es hier wie Sonne, Sand, Meer und Tomaten, die Schulden brechen inzwischen immer mehr Spaniern das Genick. Mehr als die Hälfte der Spanier kommen ohne ihre Kreditkarte bis zum Monatsende nicht mehr über die Runden, war im Frühjahr in der FTD zu lesen. Im Turm der EZB wird man die Situation genau verfolgen, schließlich muss man monetär Spanien genauso behandeln wie Deutschland. Früher konnte Spanien seine Währung immer wieder abwerten. Das geht heute nicht. Spanien erstickt am starken Euro bzw. an der Schwäche des US-Dollar. Allein schon bei den Wirtschaftsdaten scheint man geneigt zu sein, die Feuerwehr zu rufen. Dabei haben die Spanier den größten Kuchen der Überschüsse der Deutschland unters Sitzkissen gepackt bekommen. Zusammen mit den niedrigen Zinsen ging der Esel Flamenco tanzen und bricht sich gerade die Beine.
Spanien mutiert zum Sorgenkind. Allein schon die offizielle Inflationsrate von über 5% entwertet die Guthaben viel schneller als anderswo und bringt den Spanier dazu, den Gürtel enger zu schnallen, vielleicht zu eng. Zudem wurde durch billiges Geld und niedrige Zinsen der Immobilienboom ausgelöst. Spekulation auf Kredit und Garantie für steigende Hauspreise waren die Triebkraft der Wirtschaft und seiner Bürger. Die Götter wenden sich gerade ab und greifen sich an den Kopf. Das tun sie auch in anderen Ländern des Kontinents und kichern über den Zaubertrick, der viele Jahre funktionierte. Der Immobiliensektor macht 11% des BIP aus, 13% der Beschäftigten arbeiten dort. Die Schilderindustrie erlebt gerade einen Boom, wahrscheinlich den einzigen in diesem Land. Die Schilder mit der Aufschrift „Se Vende“ (zu verkaufen) wuchern an Häusern, Booten und an Autos wie Pilze nach einer regenreicher Nacht. Bares ist Wahres. Aus Lust wurde Last. Die ersten Immobilienfirmen sind längst in den Hades des Todes eingetaucht, viele werden womöglich folgen. Nachdem die Immobilienpreise im letzten Jahr um 11 % gestiegen sind, rutschen sie anno 2008 ab. Der Bankomat im Schlafzimmer hat einen Kurzschluß. Der Elektriker ist unbekannt verzogen.
Den Spaniern wurde Kredit wie Werbepost auf einer Messe nachgeworfen. Ein Haushalt ist mit 130% des Einkommens verschuldet. 95% der Wohnungsbaukredite sind variabel verzinst. Steigen die Zinsen in der Eurozone stärker (Lachen Sie mal!) wird die Finanzierung noch teurer. Die EZB wird sich hüten das zu tun. Die letzte Leitzinsanhebung verstehe ich als kosmetische Operation. Das spanische Wirtschaftswachstum schwächt sich ab, die Arbeitslosigkeit steigt. Höhere Zinsen wären fatal für Millionen taumelnde Schuldner. Auch die spanischen Unternehmen sind mit 112% des BIP verschuldet. Steigende Zinsen wirken wie Blutarmut oder Sand im Getriebe
Pünktlich nach der Wahl des jetzigen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero kommen auch neue Prognosen für 2008 auf den Tisch. Es sieht nicht gut aus. Die Krisenszenarien sind dunkler gezeichnet. Die Tageszeitung Abc schreibt unter Berufung auf die 14 größten Immobilienunternehmen des Landes, dass über eine Million Arbeitsplätze im Baugewerbe verlustig gehen könnten und rufen nach Vater Zapatero. Die Bauträger rechnen mit einem drastischen Einbruch der Zahl der gebauten Wohnungen in diesem Jahr um 72 Prozent.
Neben den Einheimischen fallen wegen der Krise in Großbritannien die Investoren von der Insel aus. Sie haben gerne und viel in Spanien gekauft und haben gerade andere Probleme als Anlagenotstand in Spanien. Auf der Insel unweit des spanischen Festlandes kämpft man mit den gleichen Problemen wie in Madrid, Andalusien oder den Balearen.
Erinnern Sie sich an die so gerne und als sicher gepriesene Anlage der Pfandbriefe? Das war nicht nur ein Schuss in den Ofen, es könnte noch schlimmer kommen. Wenn die Sicherung hinter den Schulden schlecht wird, fängt der spanische Pfandbrief an zu stinken. Und der Geruch zieht schon weit über Europa hinweg. Spanien hat den Pfandbriefmarkt in den letzten Jahren aufgemischt und ist in der Summe der Anleihen noch an Deutschland vorbeigezogen. Die Spreads der sogenannten Covered Bonds (Pfandbriefe) sind durch die Decke gegangen, der Markt fast zusammengebrochen. Kaum einer fasst diese Investments mit einer Kneifzange an. Kennen Sie die Joint Cédulas? Hinter diesen stecken die spanischen Sparkassen, die traditionell mit dem spanischen Immobilienmarkt verbunden sind. Sollte es Schwierigkeiten einer einzigen Sparkasse geben, sehe ich schon die Schlagzeilen. Und auch in diesem Markt sind die deutschen Banken engagiert. Globalisierung hat eben nicht nur Vorteile, auch für deutsche Banken.
Spanier verdienen im Schnitt 1188 EUR netto im Monat. Für eine 70 Quadratmeter große Wohnung zahlt man auf den Kanarischen Inseln im Durchschnitt 152.000 Euro, liest man in einer Studie der Immobilienfirma Facilisimo.com. Nach 27 Jahren hätte ein Ehepaar die Wohnung abbezahlt. Im Madrid verdient der Spanier zwar 1704 Euro netto, jedoch kostet diese Wohnung auch 240.000 Euro. Hier braucht ein Ehepaar 47 Jahre. Auf den Balearen bekommt der Durchschnittsbürger netto 1304 Euro. Der Wohnungspreis liegt im Schnitt bei 220.000 Euro. Mallorca ist unbezahlbar.
Man kann es drehen und wenden wie man will. Heute hört man Beschwichtigungen, morgen liest man Zahlen und hört Versprechen. Die Schätzungen einen Tag später verheißen nichts Gutes. In wenigen Wochen schon ist das nachprüfbar und korrigierbar. Die Schuldner schreien nach dem Staat. Je nachdem wann Wahlen anstehen, beugt er sich um größeres Unheil zu verhindern. Es ist laut geworden in Spanien. Zudem berichten Insider in großen Bankinstituten, dass man mit spanischen Anleihen bei der EZB anklopft, diese als Sicherheit hinterlegt und Geld dafür bekommt, so als ob man eine Büchse schlechte Sardinen anbietet und man Kaviar dafür bekommt. Jemand wird die Zeche zahlen müssen.
Katzen beißen sich nicht freiwillig in den eigenen Schwanz. Doch wenn sie auf dem heißen Blechdach sitzen, wird die Angelegenheit brenzlig. Es gibt zwei Möglichkeiten, diese Angelegenheit zu bereinigen. Das eine wäre das Gesundschrumpfen des Marktes über viele Jahre mit all den Schmerzen, die ein solcher Anpassungsprozess mit sich bringt, das andere wäre das Durchmogeln so wie immer. Da aber bis dahin wohl wieder Wahlen anstehen werden, fällt die erste Variante den Geiern vor die Füße. Die EZB schaut zu. Ihr Wachkoma wird andauern bis zur Unerträglichkeit. Und Dr. Market wird auch diesmal stärker sein. Um Bill Bonner zu zitieren: Alles beginnt mit einer Täuschung, entwickelt sich zu einer Farce und endet im Desaster. Spanien – die beste Zeit ist längst vorbei.
© Frank Meyer
Quelle: http://blog.frank-meyer.tv
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