Milliardäre in Russland schon 230 Milliarden Euro verloren
Der Oligarch Deripaska steckt als nächster Großverdiener in der Kreditklemme - doch die Finanzkrise trifft immer häufiger auch die kleinen Leute.
Von Sonja Zekri
Es trifft die Reichen, aber nicht nur sie. Die Finanzkrise hat in Russland auch die Mittelschicht erreicht, Kleinunternehmer, Angestellte, Zulieferer. Zwar besitzt nur ein Bruchteil der russischen Gesellschaft Aktien, weshalb sich bei vielen noch das Gefühl hält, dass sie die einstürzenden Börsenkurse nichts angehen. Aber inzwischen feuern nicht nur die Banken Mitarbeiter.
Anwaltskanzleien entlassen Juristen, die Börsengänge vorbereitet haben, Verlage Redakteure, weil die Anzeigen fehlen. Baufirmen wie Stroimontasch in Sankt Petersburg trennen sich von 30 bis 50 Prozent ihrer Mitarbeiter.
Leben auf Pump
Inzwischen informiert die Arbeitsagentur in Sankt Petersburg bereits Firmen, wann und wie sie drohende "Massenentlassungen" anzukündigen haben, schreibt die Zeitung Gaseta. Die größte Kündigungswelle werde nämlich erst in zwei bis drei Monaten erwartet, wenn die Unternehmen ihre Kredite zurückzahlen müssten.
Russlands Wirtschaft lebt auf Pump, vor allem in der Boomtown Moskau. Nun aber will niemand mehr Geld verleihen, so dass einige Restaurants und Lebensmittelketten nicht wissen, wie sie ihre Waren vorfinanziert bekommen. Der erstarkte Dollar lässt zudem die Preise für Elektroimporte steigen.
Der Öl-Preis hat sich seit seinem Hoch von 140 Dollar pro Barrel halbiert. Der russische Wohlstand und die politische Stabilität der letzten acht Jahre aber verdanken sich fast ausschließlich den hohen Energiepreisen, denn bis auf wenige Wirtschaftszweige wie etwa die Autobranche ist die Produktivität der Industrie gering.
Besonders spektakulär aber sind die Abstürze der Reichen. Oleg Deripaska, Russlands reichster und vielleicht agressivster Unternehmer, musste sich nicht nur von seinen Anteilen bei Hochtief und dem kanadischen Autozulieferer Magna trennen, sondern bei der österreichischen Raiffeisen-Zentralbank eine halbe Milliarde Euro leihen, um sein Viertel am Baukonzern Strabag zu halten.
Zudem, so schreibt die Financial Times, muss er in den nächsten Tagen zwei Milliarden Dollar aufbringen, um einen Teil eines 4,5-Milliarden-Dollar-Kredits zurückzuzahlen - oder er verliert 25 Prozent der Anteile am russischen Unternehmen Norilsk Nickel, dem weltgrößten Nickel-Produzenten.
Deripaska hat, wie viele russische Unternehmer, seine spektakulären Einkaufstouren mit Aktienpaketen als Sicherheit finanziert. Die Krise aber hat die Metall- und Bergbauwerte einbrechen lassen, auch jene von Norilsk Nickel. Nun fordern die westlichen Banken 1,8 Milliarden Dollar zurück - oder den Anteil an Norilsk Nickel, den Deripaska erst nach zähem Ringen bekommen hat.
Dass der russische Staat zusieht, wie der strategisch bedeutsame Nickel-Produzent in die Hände ausländischer Banken fällt, ist jedoch nicht sehr wahrscheinlich.
Hilfe vom Staat
Und so darf Deripaska, der als kremltreu gilt, auf Hilfe vom Staat hoffen und einen Teil des 50-Millliarden-Rettungspakets, mit dem Ministerpräsident Wladimir Putin über die VEB Entwicklungsbank notleidenden strategischen Unternehmen beispringen will. Viel Zeit bleibt ihm aber nicht, denn die Rückzahlung wird Ende Oktober fällig.
Vor Deripaska traf es schon Viktor Vekselberg, dessen Anteile an den Schweizer Unternehmen Oerlikon und Sulzer gefährdet sind. Insgesamt haben Russlands Superreiche über 230 Milliarden Euro verloren. Schlüsselunternehmen sind zu Schnäppchenpreisen zu haben. In dieser Woche, so hat Finanzminister Alexej Kudrin am Freitag versprochen, beginne der Staat mit dem Ankauf "sicherer, ertragreicher" Aktien russischer Unternehmen.
Wie lange er diese halten wird, ist unklar. Angeschlagene Banken flüchten sich unter das Dach großer staatlich kontrollierter Banken wie die Sobin-Bank zur Gazenergoprombank oder die Kit Finance-Bank unter den Schutz des staatlichen Diamantenförderers Alrosa. Russland, so vermuten Analysten, bewegt sich auf eine neue Phase der Umverteilung zu, der Staat verstärkt - entgegen allen Zusagen - seinen Zugriff auf die Wirtschaft.
Zudem versprechen Putin und Präsident Medwedjew zwar regelmäßig neue milliardenschwere Rettungspakete.
Aber wann und wie die Segnungen verteilt werden, folgt nach Ansicht von Ökonomen keinem vertrauenserweckenden Plan. Igor Jurgens, Mitglied des Unternehmerverbandes, warnte davor, die Verteilung der Milliarden allein der Entwicklungsbank VED zu überlassen: Die Bank "kauft auf, gewährt Kredite, sie wird wahrscheinlich die Sozialprogramme entwerfen und finanzieren." Dies führe sicher zu einem "Interessenskonflikt".
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