Steinbrück warnt vor Zusammenbruch des Finanzsystems
Die Finanzkrise wird die Bundesrepublik nach Einschätzung von Peer Steinbrück noch mindestens bis Ende 2009 in Atem halten. Der Finanzminister sieht nach wie vor die Gefahr eines Kollaps des Finanzsystems. Experten sagen Deutschland im kommenden Jahr eine schwere Rezession voraus.
Berlin - Die Worte des Bundesfinanzministers Peer Steinbrück (SPD) sind deutlich: "Die Gefahr des Zusammenbruchs ist noch lange nicht vorüber", sagte er der "Bild am Sonntag". Seiner Meinung nach wäre "jede Entwarnung falsch". So werde die Finanzkrise Deutschland noch mindestens bis Ende 2009 zu schaffen machen. "Wir haben es nach wie vor mit einer gefährlichen Situation zu tun." Steinbrück sagte, er wolle den Bürgern nichts vormachen. Er behaupte nicht, dass die Regierung alles unter Kontrolle habe.
Das Rettungspaket der Bundesregierung für notleidende Banken läuft bis Ende 2009. "Und so lange werden wir es sicher auch benötigen." Von seinem Sparkurs will Steinbrück dennoch nicht abrücken: Der Bundesfinanzminister hält an dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts fest. "Aus der Finanzkrise
ergeben sich keine unmittelbaren Risiken für die Haushaltsplanung. Die Bundesregierung behält daher das Ziel bei, möglichst 2011 einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorzulegen", sagte Steinbrück.
Er fügte hinzu: "Aber wir sagen nicht: Das schaffen wir auf jeden Fall." Denn der Haushalt sei von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung durch die Finanzkrise betroffen. "Und erst zwischen 2010 und 2013 werden wir sehen, ob das Rettungspaket echte Kosten verursacht oder ob der Staat seine Anteile, die er von den Banken als Gegenleistung für Unterstützungsmaßnahmen erhalten hat, so verkaufen kann, dass er Verluste ausgleichen kann."
Die Deutsche Bank erwartet aufgrund der Finanzkrise für Deutschland laut einem Zeitungsbericht eine schwere Rezession. Im kommenden Jahr werde hierzulande ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,5 Prozent erwartet, teilte ein Sprecher von Deutsche Bank Research auf Anfrage der "Berliner Zeitung" mit. Das Wachstum in den Industrieländern dürfte 2009 auf den niedrigsten Stand seit der Weltwirtschaftskrise fallen, sagte der Sprecher. Für das Weltwirtschaftswachstum werde die Expansionsrate auf 1,2 Prozent fallen. Dies sei der niedrigste Stand seit dem starken Abschwung Anfang der achtziger Jahre.
Nach Einschätzung der Chefvolkswirte von Dekabank und Postbank ist die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal bereits in eine Rezession gerutscht. Der Chefökonom der Dekabank, Ulrich Kater, hatte der "Bild"-Zeitung gesagt, nach dem Rückgang im zweiten Quartal sei die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal dieses Jahres nach seinen Berechnungen um 0,2 Prozent geschrumpft.
Der Fondschef des Finanzkonzerns Allianz hat indessen der Politik eine wesentliche Schuld am Ausbruch der Finanzkrise zugewiesen. "Das Problem wurde substanziell durch die Politik verursacht, und zwar durch über lange Jahre zu niedrige Zinsen", sagte der Aktienchef von Allianz Global Investors, Andreas Utermann, der "WirtschaftsWoche". "Wenn der US-Leitzins Anfang 2005 bei vier und nicht bei zwei Prozent gelegen hätte, hätte es niemals so starke Übertreibungen am US-Häusermarkt und an den Finanzmärkten gegeben."
"Die Notenbanken haben es in Kauf genommen, dass es Spekulationsblasen gibt", sagte Utermann. Die Politik habe es versäumt, die Zinsen rechtzeitig zu erhöhen. "Anders als US-Notenbankchef Ben Bernanke denke ich, dass Geldpolitiker die Luft aus Spekulationsblasen lassen können, bevor sie platzen. Dazu müssen sie aber die Zinsen erhöhen und schwächeres Wirtschaftswachstum in Kauf nehmen."
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