So etwas konnte uns nur die Regierung antun
Es muss ein sehr ruhiges Treffen gewesen sein. Es begann am vergangenen Montag in den plüschigen Büros des Finanzministeriums in Washington D.C. Auf der einen Seite des Tisches saß der amerikanische Finanzminister Henry Paulson. Er wurde vom Vorsitzenden der amerikanischen Zentralbank, Ben Bernanke und von der Vorsitzenden der Bundeseinlagensicherungsanstalt, Sheila Bair flankiert.
Auf der anderen Seite saßen die Hauptgeschäftsführer der größten Banken der Welt. Sie saßen in alphabetischer Reihenfolge, wobei der Vorsitzende der Bank of America an einem Ende saß und der Hauptgeschäftsführer von Wells Fargo am anderen Ende. Dazwischen saßen die Vertreter der Bank of New York Mellon, Citicorp, Goldman Sachs, J.P. Morgan Chase. Merrill Lynch, Morgan Stanley und State Street.
Wenn auch keine Reporter anwesend waren, so stückelten die Journalisten später dennoch zusammen, was dort gesagt wurde. Alle Berichte scheinen sich einig: Eine Stunde lang sagten Paulson und Bernanke den versammelten Bankern ganz einfach, wie ernst die Situation sei, die nicht nur das Land, sondern die gesamte bekannte Welt bedrohte. (Und jetzt alle gemeinsam, können Sie sagen: "Das ist die ernsteste Finanzkrise seit der Weltwirtschaftskrise?"
Am Ende der Feststellungen von Paulson und Bernanke teilten Helfer an jeden Banker ein Dokument aus. Die Seiten enthielten die Bedingungen der Regierung, ihr Partner zu werden. Sie listeten genau auf, wie viel Geld das Finanzministerium in jede Bank "investieren" würde (insgesamt wurden an die Anwesenden 125 Milliarden Dollar verteilt). Sie spezifizierten, wie viel Eigentumsrecht sie erwarteten und wie die neue Dividendenpolitik aussehen sollte. Es waren sogar die Grenzen dessen festgelegt, was die Führungskräfte verdienen können. (Die obersten fünf Vertreter jeder Institution dürfen nicht mehr als 500.000 Dollar im Jahr erhalten.)
Und wenn eine Diskussion auch gestattet war, so waren Verhandlungen ausgeschlossen. Paulson erklärte, das Geschäft sei zu ihrem eigenen Besten und zum Besten des Landes. Und dann war es an der Zeit, "die Klappe zu halten und zu unterzeichnen." Und das taten die Banker auch alle.
Jegliche Fragen, jegliche Zweifel, jegliche Meinungsverschiedenheit wurde munter ignoriert. Und so wurde in dem Land, das einst das Land der Freien und die Heimat der Tapferen war, ein neues Zeitalter geboren. Die Regierung wollte den Kapitalismus "retten", indem sie zum Partner des Kapitalismus wurde... und sogar zum Vorgesetzten.
Es ist vielleicht keine "Brave New World", aber ich kann Ihnen versichern, Leute, dass es eine teure Welt werden wird. Die Zeit wird zeigen, wie teuer diese Welt werden wird - sie wird es den Portemonnaies und dem freien Unternehmertum zeigen.
Die Chinesen des Altertums sagten: "Möget ihr in interessanten Zeiten leben". Das war nicht als Segen gemeint. Nein, man hat mir sogar gesagt, es sei immer als Fluch zu verstehen gewesen.
Die vergangenen Wochen als „interessant" zu bezeichnen, wäre die Untertreibung des Jahrzehnts. Ob an den Märkten, in Washington oder in der Politik - ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der ich so viele erschreckende Umkehrungen und unerwartete Schocks erlebt hätte.
Die größte Sparkasse des Landes, Washington Mutual... gibt es nicht mehr. Die jüngere Schwester, Wachovia, steht kurz vor dem Verschwinden.
Der größte Versicherer des Landes, AIG, wird einen neuen Besitzer haben, wenn Uncle Sam mit 85 Milliarden Dollar einsteigt (zuletzt erhöht auf 120 Milliarden Dollar und mehr) und damit irgendwann 80% des Unternehmens besitzt.
Zwei der ehrwürdigsten (und wie sich herausstellt auch angreifbarsten) erhabenen Einrichtungen der Wall Street - Bear Stearns und Lehman Brothers - gibt es nicht mehr. Merrill Lynch gibt es gleichzeitig nur noch als Namen. Die Angestellten dort stehen kurz davor, die Bank of Amerika als "Chef" zu bezeichnen.
In den vergangenen drei Wochen erfuhr der Aktienmarkt das, was man als einen "Crash in Zeitlupe" bezeichnen könnte. Viele Investoren fühlten sich, als wären sie gegen Smokin‘ Joe Frazier in den Boxring gestiegen. Bamm!, 500 Punkte weg. Bäng! 300 Weg. Zack! Wieder 400 verschwunden. Und dann kam am vorvergangenen Freitag der unglaublichste Tag von allen. Der Dow ist bis auf 7.900 Punkte gefallen. Und dann hat er sich wieder auf den Weg nach oben gemacht.
Was für eine Erholung konnte er in den darauffolgenden fünf Stunden auf die Beine stellen. Ehe Sie sagen konnten: „no mas!", hat der Dow sämtliche 700 Punkte zurückbekommen, die er verloren hatte und noch weitere 300 Punkte mehr. Ich wünschte, an diesem Punkt hätte jemand die Schlussglocke geläutet, aber nein, die besorgten Investoren konnten es dabei nicht bewenden lassen. Mr. Market gab all diese Gewinne und einige mehr wieder ab, noch ehe diese Sitzung um vier Uhr am Nachmittag endete.
Als sich der Staub schließlich gelegt hatte, schloss der Dow am vorvergangenen Freitag mit 128 Punkten weniger. Und dann kam der Montag und viele Investoren entschieden, dass die ganzen Verkäufe ein Fehler gewesen sind. Nachdem sie über das Wochenende Zeit hatten, nachzudenken, wurden sie am Montagmorgen wieder zu Käufern. Und sie haben eingekauft - in Rekordzahlen. Als die Schlussglocke dann ertönte, hatten mehr als 1,5 Billionen in Aktien den Besitzer gewechselt und der Dow hatte um einen Rekordwert von 936,42 Punkten zugelegt.
Am Dienstag kehrte die Volatilität mit einen Vergeltungschlag zurück. Zuerst sind die Märkte um 400 Punkte nach oben geschossen. Dann sind sie um 700 Punkte eingebrochen.
Es war, als hätte jemand ein Bungee-Seil daran befestigt, so sehr sind sie wieder zurückgeschnellt. Und dann sind sie wieder gefallen. Und als der Tag schließlich vorbei war, schloss der Dow mit 72 Punkten weniger. Das ist kaum ein Aufblinken auf dem Radarschirm, vergleichen mit dem, was wir in den Wochen zuvor gesehen haben.
Am Dienstag und am Mittwoch hat der Dow fast 80% dieser Rekordgewinne, die er am Montag verbuchen konnte, wieder abgegeben. Ich kann Ihnen sagen, mein erschöpfter alter Ticker macht das nicht mehr lange mit. (Ganz zu schweigen von meinem Geldbeutel.)
Sind wir schon da? Liegt die Talsohle endlich hinter uns? Niemand kann es mit Sicherheit wissen. Natürlich war es eine Freude, am vergangenen Montag die Explosion nach oben zu erleben. Es war der größte Punktgewinn binnen eines Tages und der größte Gewinn in Prozent (11,1%) seit dem 15. März 1933.
Und doch bringt es uns nicht annähernd an den Punkt, an dem wir wieder in die schwarzen Zahlen kommen. Der Dow ist immer noch gegenüber seinen Rekordhoch vom 9. November 2007 um 4,775 Punkte zurück. Mehr als 5 Billionen Dollar der Investoren sind in den Geldhimmel aufgefahren.
Viele Experten sagen voraus, dass der Markt weitere Tiefwerte erreicht haben wird, ehe er in die Nähe der alten Höchstwerte zurückkehren wird - ganz besonders dann, wenn, wie es wahrscheinlich ist, Barack Obama von der demokratischen Mehrheit in beiden Zweigen des Kongresses begrüßt werden wird, wenn er im Januar sein Amt antritt.
In der Zwischenzeit wollen wir über die Gesetzgebung sprechen, die all diese Mühsal beenden soll. Ich beziehe mich damit natürlich auf die Finanzspritze für die Banken im Wert von 850 Milliarden Dollar, offiziell bekannt unter dem Namen "Emergency Economic Stabilization Act of 2008." [Notstandsgesetz zur wirtschaftlichen Stabilisierung 2008] Es muss sich dabei um einen der abscheulichsten Gesetzesvorschläge handeln, die je vom Kongress bewilligt und vom Präsidenten unterzeichnet wurden.
Wie konnte sich die Bankenrettung im Wert von 700 Milliarden Dollar in Ausgaben im Umfang von 850 Milliarden Dollar verwandeln? Es ist ganz einfach, Leute. Sie haben es uns ordentlich gezeigt.
Der Senat hat die Maßnahme noch einmal um 150 Milliarden Dollar erhöht. Die sogenannten "Süßstoffe" umfassen 387 Millionen Dollar für einen "Nachlass für heimische Produktionen" der Filmindustrie (ein dreifaches Hoch für Hollywood), 33 Millionen Dollar für ein wirtschaftliches Entwicklungsprogramm in Amerikanisch-Samoa (Hey, die Leute auf Samoa wählen auch), 100 Millionen Dollar in Steuernachlässen für "bestimmte Rennstrecken für den Motorsport" (das werden die NASCAR-Fans lieben), und sogar 2 Millionen Dollar Befreiung von Verbrauchssteuern für "bestimmte Holzpfeile, die zur Verwendung durch Kinder bestimmt sind." (Gegen Kinderspielzeug werden Sie doch sicher nichts haben, oder?)
Wenn es je ein Ereignis gegeben hat, bei dem unsere gewählten Vertreter ihre absolute und ausgeprägte Verachtung für diejenigen Idioten zeigen konnten, die sie gewählt haben, dann ist es dieses.
Nebenbei bemerkt, einige von Ihnen werden sich sicher schon gefragt haben, wie es sein kann, dass ein Ausgabenprogramm seinen Ursprung im amerikanischen Senat hat. Verlangt die Verfassung nicht, dass alle Bewilligungen ihren Ursprung im Repräsentantenhaus haben? (In Washington gilt das nicht, hier zollt man auf keiner Seite des Ganges der Verfassung noch irgendwelche Aufmerksamkeit.)
Und so hat dieser besondere Trick funktioniert. Der Senat nahm ein Gesetz, das vor einiger Zeit vom Repräsentantenhaus bewilligt wurde - in diesem Fall den Paul Wellstone Metal Health und den Addiction Equity Act von 2007 - und stimmte dafür, den gesamten Text durch die funkelnagelneue Maßnahme zu ersetzen.
Und im Schnellverfahren wurde ein neues (wenn auch nicht verfassungsmäßiges) Ausgabengesetz, in einen Gesetzesentwurf zur Bereitstellung von Mitteln verwandelt, der seinen Ursprung im Repräsentantenhaus hatte.
Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass diese Maßnahme mehr als andere mir bekannte, die vollständige und absolute Geringschätzung zeigt, die unsere Volksvertreter uns entgegenbringen?
Ich gehe davon aus, dass es nicht darauf ankommt, ob der Ursprung im strikten Sinne der Verfassung entsprach, weil die Maßnahme selbst die größte Geschäftsübernahme durch die Regierung finanziert, die man in diesem Land je erlebt hat.
Würde mir bitte jemand zeigen, wo die Verfassung erlaubt, dass das Finanzministerium das Geld der Steuerzahler nehmen darf, um Aktien bei einer Bank, einem Versicherungsunternehmen oder einem anderen Finanzunternehmen zu kaufen?
© Chip Wood
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