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Achtung Staatsbankrott

Von Andreas Männicke Sonntag, 2. November 2008
Ungarn, Ukraine erhalten Weltbank-Kredite. Staatsbankrott: Erst die Kleinen, dann die Großen? Defaultgefahren bei Unternehmensanleihen. IWF braucht noch mal Hunderte Milliarden. Währungsturbulenzen nehmen zu. Der ultimative Stresstest steht bevor.

Ungarn erhielt in der letzten Woche einen IWF- und Weltbank-Kredit in der Höhe von 25 Mrd. USD und die Ukraine in der Höhe von 16,5 Mrd. USD. Schon das Volumen macht deutlich, wie sehr es im Finanzsektor bei einzelnen Ländern mit hohen Schulden brennt.
Auch Pakistan wird nur durch einen IWF-Kredit vor dem sonst zwangsläufigen Staatsbankrott gerettet werden können. Alle Länder, die eine zu hohe Verschuldung und Leistungs- sowie Haushaltsbilanzdefizite aufweisen, kommen jetzt in schwere Schieflagen, wo nur noch der IWF oder die Weltbank retten kann.
Auch bei einer Reihe von Unternehmensanleihen in Emerging Marktes und Industrieländern gibt es Defaultgefahren. Der Anleger sollte sich der Gefahren bewusst sein und ihnen offen ins Auge schauen. Wie haben es mit einer anormalen Situation zu tun, die mit Nichts in der Nachkriegeszeit vergleichbar ist. DABEI STEHT UNS DER ULATIMATIVE STRESSTEST NOCH ALLEN BEVOR!
In Ungarn wird ein Minuswachstum von 1% erwartet. Ungarn legte sich zwar schon in den letzten Jahren einen Sparplan auf, der aber auch die hohe Verschuldung nicht zurückführen konnte. Alle klugen Köpfe der Welt sollten sich rechtzeitig darüber Gedanken machen, was passiert, wenn die USA oder einige europäische Länder überraschend den Staatsbankrott anmelden müssen. Der einzige Ausweg dürfte dann nur eine Währungsreform sein. Jeder weiß schon jetzt, dass die amerikanischen Anleihen (und wohl auch nicht die Konsumentenschulden) nicht zurückbezahlbar sind. Die US-Staatsverschuldung hat sich schon auf 10 Billionen angehäuft und die Schuldenuhr tickt unaufhörlich jeden Tag um 1-2 Mrd. USD – wie eine Zeitbombe! Unter Einbeziehung von Pensionsverpflichtungen und Kosten des Sozialsystems beträgt die Verschuldung in den USA weit über 300% des BSP. Die meisten Analysten, Politiker und Wissenschaftler wissen das genau, halten aber dennoch einen Staatsbankrott von großen Industrienationen für unmöglich – bis die Zeit sie einholt. Was im Kleinen mit Island, Ungarn, Ukraine passieren kann, kann theoretisch auch im Großen passieren. Machen Sie sich mal darüber Gedanken, Herr Steinbrück, Paulson & Co., wer in Zukunft die Staatsfinanzen der USA retten soll?
So mancher Anleger, Analyst und Journalist hat die Immobiliekrise in den USA zwar kommen gesehen, aber keiner hat sich so recht rechtzeitig Gedanken gemacht, was passiert, wenn die damit verbundenen Risiken (und Folgewirkungen) über den ganzen Globus schlagend werden. Ich hoffe nur, dass de Politiker, Banker, Wirtschaftskapitäne und Wissenschaftler sich rechtzeitig darüber Gedanken machen, wie die Nachfolgegeneration das Problem der weltweit Verschuldung lösen kann ohne eine Panik - wie wir sie jetzt erleben - geradezu zu provozieren. Wenn die USA die Finger heben, ist es zu Spät zum Handeln. Dann sind die Gläubiger (China, Japan, Saudi-Arabien etc) am Zug und können „zwangsvollstrecken“ mit ungeahnten geopolitischen Auswirkungen.
Jetzt werden in aller Hektik zähneknirschend weltweit Konjunkturprogramme, die eigentlich keiner haben will, geschnürt, um eine Rezession oder gar Depression im eigenen Land zu verhindern. Andere Politiker fordern wiederum Steuersenkungen, um eine Rezession zu verhindern. Aber auch das bedeutet eine Erhöhung der Haushaltsbilanzdefizite in 2009. Die EU überlegt schon die Maastrich-Kriterien vorübergehend außer Kraft zu setzen und ein Haushaltsbilanzdefizit von über 3% des BSP zuzulassen. In Europa könnten demnächst die Staatsverschuldung zum BSP auf 70% und die Konsumentenverschuldung zum BSP auf 80% ansteigen. Alle gegenwärtigen staatlichen Rettungs- und Konjunkturprogramme sind aber Konzepte, die die Staatsverschuldung weiter blitzschnell in die Höhe treiben werden, was die Nachfolgegeneration dann irgendwann (nur wann?) ausbaden muss. Wer soll das alles bezahlen, wer hat so viel Geld?
Deutschland will 25 Mrd. € für gezieltes Konjunkturprogramme bereitstellen, Japan feilt an einem Konjunkturprogramm von über 51 Mrd. USD (Staatsverschuldung ist hier schon 180% des BSP) und Frankreich will jetzt sogar einen Staatsfonds gründen, um wenigstens die Schlüsselindustrien zu retten. Die USA benötigen jetzt nach Auffassung des US-Ökonomen Nouriel Roubini, der schon lange den Crash vorausgesagt hat und nun einer der gefragtesten Ökonomen in den USA ist, dringend ein Konjunkturprogramm von 300-400 Mrd. USD zusätzlich zu dem 700 Mrd. Rettungsprogramm für die Banken, um einen Kollaps der US-Wirtschaft zu verhindern. Er glaubt daran, dass sonst eine schwere Rezession, die über 2 Jahre anhalten wird, unausweichlich ist. Einige Experten gehen davon aus, dass die Bankenkrise 3 Jahre anhalten wird.
Am 31. Oktober betrug das Minus beim BSP zwar nur 0,3% und die Arbeitslosenzahlen waren nicht so stark wie erwartet, worauf auch die Wall Street zunächst positiv reagiert hat. In Deutschland gab es erstmals seit Jahre wieder weniger als 3 Mio. Arbeitslose. Die große Abschwächung und der starke Anstieg der Arbeitslosenzahlen beginnt aber in den USA erst im Oktober 2008 und wird sich voraussichtlich bis Jahresende verstärken. Ob die Konjunkturprogramme eine Rezession verhindern können, ist ungewiss. In jedem Fall kosten sie der Bevölkerung, insbesondere der Nachfolgegeneration viel Geld. Wenn das deutsche Rettungsprogramm im Default endet, woran im Moment keiner denken will, kostet das jedem Staatsbürger 6000 €. Das sind wahrlich keine schönen Weihnachtsgeschenke, die jedem Bürger jetzt zu Weihnachten - zunächst nur als theoretische Größe - aufgebürdet werden.
Neben der Gefahr des Staatsbankrotts – zunächst nur bei einigen Ländern in Emerging Marktes – gibt es das Risiko der Defaultgefahren bei Unternehmensanleihen im Falle einer Rezession und einer restriktiven Kreditvergabe bei Banken, also einer Kreditklemme. Der Stahlkonzern Ferrochina musste schon Insolvenzen anmelden, obwohl das Unternehmen nicht übermaßen verschuldet ist (Verschuldungsgrad unter 50%), weil das Working Capital nicht finanziert wurde. In Russland steht der Automobilzulieferbetrieb Amtel-Vredenstein vor der Insolvenz, weil die Umstrukturierung der 800 Mio. USD Schulden nicht gelang. Die Gefahr einer Insolvenz ist besonders bei „Zyklikern“, also von der Konjunktur abhängig Unternehmen besonders groß, wenn das Working Capital zu kurzfristig finanziert wurde.
Noch ist dieses Prolongations-Risiko bei den meisten Unzernehmen nicht schlagend geworden. Jeder Anleger und Analyst muss aber wissen, dass es vorhanden ist und einkalkuliert werden muss. Gefährdet sind die Anleihen von US-Automobilkonzerne und Konsumunternehmen, wenn der Konsum in 2009 einbrechen sollte. Dann können Aktien von heut auf morgen fällig wertlos werden (siehe Lehman Brothers). Je mehr Unternehmen jetzt in die Insolvenz geraten, desto größer wird die Krise (und Arbeitslosigkeit). Der Überlebenskampf beginnt jetzt schon. Besonders General Motors hängt am seidenen Faden und will nun mit Chrysler zwangsfusionieren. Auch viele Automobilzulieferbetriebe können Konkurs gehen und der Konsum könnte einbrechen. Überall steigt jetzt weltweit die Sparquote, sogar in den USA, was eine Rezession verschärft, weil der Konsum dann abnimmt. Gefährdet sind im Falle einer Rezession wiederum auch Banken, weil Unternehmens-. und Konsumentenkredite ausfallen. Der eigentliche Teufelskreis könnte also erst in 2009 beginnen. Auch Städte, Gemeinden und Kommunen könnten an den Rand der Pleite kommen.
Was jetzt weltweit unternehmensseitig passieren muss, ist ein De-Leveraging und eine Re-Kapitalisierung (zur Not künstlich durch Kapitalspritzen des Staates) also die Zunahme von Eigenkapital und die Abnahme von Fremdkapital. Vor allen Dingen muss die Kreditwirtschaft wieder funktionieren und es muss wieder Geld unter den Banken fließen und nicht zurückbehalten werden. Wer jetzt asl Unternehmen in Cash ist und auch hohe Cash Flows in Zukunft durch sein Geschäftsmodell erzielt, dürfte enorme Wettbewerbsvorteile haben und auch bei Analysten hoch im Kurs stehen. Zwangskapitalerhöhungen werden die Kurse weiter verwässern. Auch werden die ausländischen Staatsfonds jetzt weltweit willkommene Anleger sein, denn jeder, der sich zu hoch verschuldet hat, braucht im Moment Geld.
Dieser weltweite De-Leveraging-Prozess findet jetzt nicht nur bei vielen Unternehmen (und Oligarchen!), sondern auch bei Hedgefonds statt, die ihre Assets zur Liquiditätsbeschaffung wegen Margin Calls bei kreditfinanzierten Aktienkäufen weltweit zwangsliquidieren müssen. Auch lösen sich weiter „Carry Grades“ im Mrd-Volumen aufgrund des starken Yen auf. Dies führt in Kombination mit dem Kapitalabzug von Institutionellen zwangsläufig zu Kurseinbrüchen ungeahnten Ausmaßes vor allem bei Emerging Markets und Rohstoffen wie ganz dominant in Moskau in den Monaten September/Oktober. Auch gehen jetzt Versicherungen und Pensionskassen fast komplett aus Risiko-Assets - und dazu zählen auch Aktien - heraus und gehen in Staatsanleihen. Hinzu kommen die Währungsturbulenzen durch die starke Dollarerholung vor allem in den letzten beiden Monaten September/Oktober, die viele Länder zur Stützung der eigenen abwertungsbedrohten Währung zu Zinserhöhungen nötigten, was wiederum die Konjunktur abwürgt. So wurden die Zinsen in Ungarn zuletzt von 8 auf 11% angehoben und in der Ukraine gibt so hohe Zinsen wie lange nicht mehr. Der Rubel wurde seit August um 12% zum Dollar abgewertet. Die Flucht in den Dollar ist zwar wenig verständlich, aber sie findet weltweit statt. Vor allem verkaufen die Amerikaner selbst ihre Assets im Portfolio-Bereich im Ausland, um die Löcher im eigenen Land zu stopfen. Dies führt auch zu einem Kapitalabzug an den Börsen, was den Kursdruck erhöht.
Auch dies muss der Anleger sehen und verstehen: die Zinssenkung der FED um 0,5% auf 1% wird keine nachhaltige Verbesserung für die finanzielle Situation der Unternehmen bringen, wenn nicht die enorm hohen Spreads bei Eurobonds, Junk-Bonds und allen Unternehmensanleihen sich abbauen. Die Zinsen über den Kapitalmarkt werden immer teurer und nicht billiger. Auch kann es demnächst ein Downgrade-Prozess bei Staatsanleihen sogar in Europa geben, was ebenso die Fremdfinanzierungskosten von Unternehmen enorm belasten wird. Hier stellt sich die Frage des „Verwundbarkeits-Managements“. Auch Versicherungen werden in einem solchen Umfeld schwere Zeiten erleben. In den USA steht die private Altersversorgung auf dem Spiel, in Europa irgendwann auch. Die Bilanzierungserleichterungen schaffen zwar mehr Möglichkeiten zur Bilanzkosmetik, was aber nur vorübergehend Erleichterung verschafft. So sind die 400 Mio. € Gewinn bei der Deutsche Bank Makulatur. Vor einem halben Jahr wäre ein Vorstand noch wegen Bilanzfälschung ins Gefängnis gekommen, wenn er den Abschreibungsbedarf nicht richtig angibt. Jetzt wird der „Wahnsinn“ der Bilanzmanipulation und Bilanzintransparenz legalisiert, was nicht gerade zum Vertrauen für Analysten und Anleger beiträgt. Ich bin gespannt wie hoch die Goodwill-Abschreibungen in 2009 tatsächlich sein werden und was davon offengelegt wird…
Dass wir weltweit in 2009 starke rezessive Tendenzen in der Wirtschaft bekommen, dürfte allen klar sein. Schauen Sie sich nur den Baltic Dry-Index für Frachtraten raten an, der auf einem 10 Jahrestief ist. Der weltweite Schiffstransport kann aufgrund der Deflation in diesem Sektor zusammenbrechen Der Baltic Dry Index gilt als wichtiger Frühwarnindikator für die Weltwirtschaft, da 80% aller Transporte der Welt über das Schiff erfolgen. Auch Reeder werden in Finanzschwierigkeiten kommen. Die Frage ist nur, wie lange die weltweite Rezession anhalten wird. Werden wir japanische Verhältnisse bekommen? Wie Sie wissen hat der Nikkei-Index im Oktober ein neues Jahrestief gebildet und damit einen über 20-jährigen Bärmarkt bestätigt. Oder werden wir die gleichen Rezessionsmuster haben, wie in den vorherigen USA-Konjunktur-Zyklen, also nur 1-2 Jahre? Am Ende der Rezession werden die Kurse dann schon wieder anfangen zu steigen, da die Börse in die Zukunft schaut. Eine spannende Frage wird es auch sein, wie stark die Konjunkturabschwächung in den Emerging Markets in 2009 sein wird. Ich glaube an eine Halbierung der BSP-Wachstums-Zahlen und in einigen Ländern sogar mit einer leichten Rezession. Noch sind die Emerging Markets nicht groß genug, um einen Gegengewicht für die Industrieländer zu bilden. Vor allem werden Emerging Markets, die überwiegend von Rohstoffexporten leben, im nächsten Jahr harte Zeiten durchmachen. Anleger sollten sich jetzt auf alles einstellen und flexibel bleiben.
Zwischenzeitlich werden wir immer wieder starke Erholungstendenzen in einem fallenden Trend bekommen, was ein Eldorado für Daytrader, aber ein starke Nervenbelastung für Value-Investoren ist. So erholten sich die Kurse an der Moskauer Börse im Gleichklang mit den Weltbörsen bei einigen Blue Chips in der letzten Woche um 50-100%. Die Sberbank erholte sich zum Beispiel von 80 auf 160 € in wenigen Tagen. Am 2. bis 4. November wird an der Börse wegen Feiertage nicht gehandelt. Am 27. Oktober wurde der Handel an der Moskauer Börse wegen zu starker Verkaufspanik am 24. Oktober mit einem Minus von 13% ausgesetzt. Dann begann eine bemerkenswerte Erholungsrallye um 50% beim RTS. Dennoch ist der RTS mit einem Minus von 47% der Top-Verlierer unter allen Weltbörsen. Der Nikkei barch um 20% und der Dow Jones sowie der DAX um jeweils 14%.. Die letzte Oktoberwoche wird aber auch als eine der am besten performenden Wochen in die Börsengeschichte eingehen, was zeigt wie dicht Leid und Glück an der Börse im Moment beieinander liegen. Die hohe „Vola“ wird uns erhalten bleiben.
Geübte Trader sollten versuchen, diese großen Erholungschancen kurzfristig bei liquiden Aktien zu nutzen und illiquide Aktien im Moment meiden, weil es hier kaum Exitmöglichkeiten zu vernünftigen Bedingungen gibt. Für den Normalanleger bleibt Cash King, da die Risiken immer noch unkalkulierbar sind und jeder Tag eine neue Hiobsbotschaft kommen kann. Ich habe da insbesondere den möglichen Konkurs von General Motors im Auge, der einen weiteren Crash an den Weltbörsen auslösen würde. Wie gesagt: nichts ist unmöglich…!
Am 4. November wird in den USA ein neuer Präsident gewählt, wobei Obama nach den Wahlumfragen der Favorit ist. Ein Obama-Sieg bedeutet striktere Finanzmarktregulierung was ich begrüße, viele Marktteilnehmer jedoch nicht! Obama wird jetzt ebenso wie alle Politiker der Welt nicht nur aus Not, sondern auch aus Überzeugung einen „Linksrutsch“ einleiten, der auch als Korrektur oder Überwindung einer Systemkrise verstanden werden kann. Hoffen wir, dass die Börsianer und die Wirtschaft wieder mehr Vertrauen bekommen, denn ohne Vertrauen funktioniert Börse und Wirtschaft nun mal nicht. Und ohne Kapital funktioniert sie auch nicht. Welche Aktien Sie jetzt kaufen oder verkaufen sollen, können Sie der täglich aktualisierten Ostbörsen-Hotline 09001-8614001 (1,86 €/Min.) entnehmen. Bestellen Sie auch jetzt den kostenlosen Newsletter bei www.andreas-maennicke.de

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