Neue Bescheidenheit
Wöchentlicher Kommentar von Frank Meyer um 22:45:32 Uhr 12.11.08
Gestern erzählte mir eine Freundin, dass sie ihre Party zu ihrem runden Geburtstag abgesagt hat. Die Stimmung auf solchen Partys ist inzwischen auch unter recht wohlhabenden Leuten zu einer Art Galgenhumorveranstaltung geraten. Jeder redet über die Finanzkrise. Jeder hat jetzt weniger. Der Gürtel wird enger gezogen. Man weiß ja nicht, was alles noch kommt. Festgeld, Bargeld, Staatsanleihen und geringere Erwartungen sind wieder „in“.
Eine Ent-Täuschung ist im Grunde genommen nichts anders, als das Ende einer Täuschung. Die Psychologen finden, dass das doch Positiv ist, sich nicht länger selbst zu täuschen oder von anderen täuschen zu lassen. Und von den Täuschern und Getäuschten gab und gibt es genug. Eine Zeit der Bescheidenheit könnte die Folge sein, mit weniger Ausgaben, mit weniger Protz und weniger Lügen. Was kann daran so schlimm sein, kleinere Brötchen zu backen?
Die Arbeitsplätze wackeln. Nicht nur in den Banken sind den Aufstiegsleitern einige Sprossen abhanden gekommen. Viele rutschen derzeit durch und direkt auf die Straße. Die armen Angestellten. Früher hat man um diese Zeit nochmal richtig Gas gegeben und dem Anleger Dinge verkauft, egal ob er diese braucht oder nicht. Es galt Erfolge vorzuweisen und den Bonus zu sichern. Die Anweisungen kamen von oben, versehen mit entsprechenden Mengen des abzusetzenden Materials, immer wieder kurz vor Weihnachten, berichten mir Freunde aus der Branche. Und wer die Vorgaben nicht schaffte, der hatte Probleme.
Neue Bescheidenheit. Ich wette, das wird in den kommenden Monaten noch breit in den Zeitschriften ausgetreten, die man so gerne beim Zahnarzt vor einer Wurzelbehandlung liest. Kleiner Dinge werden wieder geschätzt und einfacheren Dingen wieder mehr Wert zugemessen, so wie es früher einmal war.
Meine Oma, 1925 geboren, kennt diese einfachen Dinge noch. Ob vor dem Krieg, oder inmitten in dieser Zeit, als die Lebensmittel knapp waren. Auch danach, als man mit Arbeit noch etwas erreichen konnte, hat meine Oma durchgehalten. Auch wenn ihr Geld verfiel, es ging wieder von vorn los. Mit Mangel konnte sie immer umgehen. Heute ist es der Mangel an Kredit, der Aufschwünge verlängert und selbst sinnlose Expansionen ermöglicht. Ja, hätte man die Alten gefragt bevor man loszog, um die Götter herauszufordern.
Vielleicht feiert man irgendwann auch wieder Partys zu runden Geburtstagen. Vielleicht fallen die dann etwas kleiner und bescheidener aus. Und vielleicht man wird man dann sogar spüren, dass kleinere Dinge sogar größere Freude machen können.
© Frank Meyer
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