G20 - Ein Berg rotierte - eine Maus entschwand...
Wöchentlicher Kommentar von Frank Meyer um 23:50:06 Uhr 16.11.08
Da hatten die Banken aber gezittert, vor diesem sogenannten Weltfinanzgipfel der G20, auf dem der große Wurf geworfen werden sollte. Ich habe das Gefühl, dass dabei recht wenig herausgekommen ist. In sieben Seiten werden in 50 Punkten Dinge erörtert, wie die Finanzwelt gerettet werden soll. Es ging um die Verhinderung von zukünftigen Krisen. Wie die aktuell wütenden Krise aber in den Griff zu bekommen wäre, das blieb mir unklar. Diese 50 Punkte sollen ein Fundament sein, um eine Wiederholung dieses Desasters auszuschließen. Was man tun will, das weiß ich jetzt. Doch mich interessiert das WIE.
Die mächtigsten Herrscher der Welt stimmten „energischen Anstrengungen zur Stabilisierung des Systems" zu. In knapp fünf Monaten will man weiter sein. Keine Ahnung, wie die aktuelle Krise sich bis dahin entwickelt. Doch erst einmal signalisiert man Zufriedenheit, dass man miteinander gesprochen hat, und so weite Flugstrecken auf sich nahm. Alles andere wäre ja auch irgendwie seltsam. Vielleicht wollte man ja nur zeigen, dass man den Ernst der Lage begriffen hat. Super! Hätte man das alles nicht am Telefon klären können?
Im Vorfeld dieses Finanzgipfels hat man öfters den Namen Bretton Woods gehört, dabei aber Äpfel mit Birnen vergleichen. Klingt aber toll, oder? Damals am 22. Juli 1944 hat man ein neues Weltwährungssystems geschaffen. Es wird geschrieben, dass das Abschlusskommuniqué schon am Freitag fertig war. Interessant wird jetzt aber, was alles umgesetzt wird, wie lange das dauert, was dabei herauskommt und vor allem, wer da alles darin herumfuhrwerken kann. Wenn schon die Banken an Gesetzestexten in Deutschland mitschreiben durften, vielleicht sind die Dienste von denen, deren Entscheidungsspielraum bald eingegrenzt werden soll, in wenigen Tagen schon hoch willkommen?
Niemand soll unbeaufsichtigt bleiben. Keine Region, keine Bank, kein Hedgefonds, kein Finanzinvestor und kein Produkt bleibt unbeobachtet. Wirklich? Die meisten Gipfelteilnehmer lehnen dabei eine Regulierung ihrer Finanzbranche durch eine einzige Institution ab. Das Ding bleibt wohl eine nationale Sache. Doch man kann ja auch kooperieren. Irgendwie. Die Frage wäre die nach den Standards. Und das dauert ja auch meist eine Weile, bis man sich vielleicht nicht einigen kann.
Den Bankern ist verständlicherweise die Vergütung wichtig, also Gehalt und Bonus. Doch was tat man nicht alles, um einen netten Bonus zu erhalten. Was kann man alles tun, um den Bonus sicherzustellen? Ich bin gespannt, was aus den sogenannten Belohnungssystemen wird. Vielleicht ist es ja lohnender, zukünftig Kartoffeln anzubauen oder Schuhe auf dem Bahnhof zu putzen?
Auch die Ratingagenturen sollen an die Kandare genommen werden. Das wird auch irgendwie Zeit, nachdem man sich bei Enron & Co. bis auf die Knochen blamiert hat. Welches Rating hat die USA? AAA.? Oh! Der war gut.
Der Sicherheitspuffer, sprich die Eigenkapitaldecke der Banken soll höher werden. Vor allem bei den risikoreichen Papieren soll mehr Eigenkapital unterlegt sein. Das kostet. Zwar stünden die Banken im Falle einer Krise besser da, doch ist es überhaupt noch attraktiv, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen, wenn die Rendite schmaler werden muss? Das hieße dann Schluss mit einer Vorsteuerrendite von 25%. Für die Götter war das sowieso einer der Irrtümer der Geschichte und ein Running Gag im Jahr acht des dritten Milleniums.
Auch internationale Finanzinstitutionen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) sollen einer grundlegenden Reform unterzogen werden. Oh, da bin ich gespannt, vor allem auf die Diskussion über die zukünftige Struktur und die Machtverteilung in seinen Gremien. Wie lange dauert es, einen Tanker wie den IWF auf eine andere Spur zu heben?
Es hätte ein neues Bretton Woods werden können, wenn man den Mut dazu gehabt hätte, die Schulden festzuschreiben. In einer Art Tabula rasa hätte man die Summe leicht feststellen, und alles mit echten Werten unterlegen können, wie zum Beispiel mit Gold, Silber, Öl oder sonst was. Doch dazu fehlte der Mut. Es hätte das heutige Geld an einen Sachwert gebunden. Doch unser "modernes" Finanzsystem ist auf Schulden aufgebaut und darauf angewiesen, dass diese sich ausweiten. Allein schon deshalb ist es unmöglich, auf eine weitere Aufschuldung zu verzichten. Und deshalb kam eine Maus heraus, als der Berg sich bewegte.
Es wäre sinnvoll gewesen, die Finanzbranche auf die eigentliche Aufgabe zurecht zu stutzen, nämlich verantwortungsvoll Kredite zu vergeben, im Dienste der realen Wirtschaft, um Dinge zu fördern, die zu fördern wären und damit zu einer gesellschaftlichen Zufriedenheit beizutragen. Doch es fehlte der Mut, da alle von diesen Schulden und Krediten abhängig sind. Mister Market hätte ein einfaches Spiel. Zwar unter Schmerzen, aber mit der Aussicht auf Erfolg, wenn man ihn denn ließe.
Der Mythos Bretton Woods
Frankfurter Rundschau
VON ROBERT VON HEUSINGER
Ein kleines, wenige hundert Einwohner zählendes Ski-Örtchen beflügelt die Fantasie: Bretton Woods. So heißt die Gemeinde im Staat New Hampshire, in der im Juli 1944 eine internationale Konferenz stattfand. Sie hat die Regeln des globalen Kapitalismus für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg festgelegt, vor allem das System fester, aber anpassbarer Wechselkurse. Sie hat den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank geschaffen.
Die Konferenz, an der Delegationen aus 44 Staaten teilnahmen, läutete das goldene Zeitalter ein. Die Arbeitslosigkeit verschwand in den 60er Jahren im Westen nahezu vollständig, die Ungleichheit verringerte sich, der Wohlstand der Massen wuchs. Kein Wunder, dass heute, inmitten der schweren Krise des Kapitalismus, Bretton Woods fast zauberhaft klingt. Kein Wunder, dass der Weltfinanzgipfel Hoffnungen weckt.
Wer sich jedoch mit der Geschichte der Konferenz befasst, versteht, warum der Gipfel in Washington die hohen Erwartungen verfehlen muss. Es ist nämlich keineswegs so, dass 44 Länder in drei Wochen sich auf die Regeln für die Welt von morgen einigen konnten. Fast drei Jahre wurden die Ideen für eine stabile Weltwährungsordnung diskutiert, bis schließlich in Bretton Woods um zwei Pläne gestritten wurde: den Plan des britischen Ökonomen John Maynard Keynes und den des US-amerikanischen Ökonomen Harry Dexter White. Dabei hatten auch Franzosen und Kanadier einen Plan im Gepäck. Und richtig gestritten wurde eigentlich auch nicht.
Denn die Wirklichkeit sah so aus: "Wir hatten gar keine Zeit, mehr als zwei Pläne zu diskutieren, und überhaupt gab es nur ganz wenige Gelegenheiten, bei denen andere Länder als die USA und Großbritannien überhaupt in der Lage waren, das Endergebnis zu beeinflussen. Meist haben die Kanadier zwischen den Positionen der Amerikaner und Briten vermittelt, wobei sich am Ende die US-Position durchsetzte." So erinnerte sich Raymond F. Mikesell 50 Jahre später, der als enger Mitarbeiter von White die Konferenz vorbereitet und aktiv gestaltet hat. Die Macht der US-Amerikaner war erdrückend. Bei vielen westlichen Delegationen handelte es sich um Exilregierungen, die Entwicklungsländer mit Ausnahme Lateinamerikas waren hochgradig abhängig. Und die alte kapitalistische Weltmacht, die Briten, waren bis über beide Ohren bei den US-Amerikanern verschuldet. Dass das Ergebnis zunächst überzeugend war, haben die Folgejahre gezeigt. Sie haben die Stabilität zurückgebracht.
Genau genommen begann alles mit einem Traum. Der Legende nach kam dem damaligen US-Finanzminister Henry Morgenthau in der Nacht des 13. Dezember 1941 die Idee, die Welt sei mit einer internationalen Währung besser dran als mit vielen nationalen Devisen. Am frühen Sonntagmorgen soll er White angerufen und ihn mit der Ausarbeitung eines Plans beauftragt haben. Ob die Geschichte stimmt oder nicht: Die Idee lag in der Luft. Im Nazi-Deutschland war es der Reichswirtschaftsminister und Präsident der Deutschen Reichsbank, Walther Funk, der schon 1940 die deutschen Vorstellungen zur Neuordnung der europäischen Währungspolitik formulierte. Dabei brachte er ein multilaterales Clearingsystem mit festen Wechselkursen ohne die Bindung an das Gold und mit der Reichsmark als Leitwährung ins Spiel. In England wurde Keynes beauftragt, darauf aus britischer Sicht zu reagieren.
Die Parallelität im Denken hatte weniger mit Träumen als mit Traumata zu tun. Nach dem Ersten Weltkrieg war die globale Wirtschaftsordnung aus den Fugen geraten. Erst Hyperinflation in Teilen Europas, nicht zuletzt verursacht durch die Reparationszahlungen, die die Siegermächte den Deutschen aufzwangen. Später die große Depression und in deren Folge Protektionismus und Abwertungswettläufe der nationalen Währungen, um zulasten des Auslandes Vorteile für das eigene Land herauszuschlagen. Horrende Arbeitslosigkeit, Verelendung großer Teile der Bevölkerung, Faschismus und der Zweite Weltkrieg waren die schrecklichen Folgen der ersten großen Krise des Kapitalismus. Deshalb postulierte US-Präsident Franklin D. Roosevelt: Frieden und Wohlstand hängen eng miteinander zusammen. Und Wohlstand wiederum mit freiem Handel, freiem Kapitalverkehr und stabilen Wechselkursen.
Im Kern ging es in Bretton Woods darum, Protektionismus zu verhindern und den freien Warenverkehr zu sichern. Dass feste Wechselkurse dabei ganz oben auf der Agenda standen, erklärt sich aus der Geschichte des Weltwährungssystems. Seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts galt der internationale Goldstandard. Die Briten hatten bereits 1821 die Golddeckung wieder eingeführt. Die Bank of England verpflichtete sich, bei Bedarf ihre Geldscheine zu einem fixen Preis gegen Goldmünzen einzutauschen. Da seit den 1870er Jahren jedes Land seine Währung in einem festen Verhältnis ans Gold koppelte, waren alle Wechselkurse untereinander auch fixiert. Der Goldstandard war spontan, ohne Weltkonferenzen entstanden.
Er lebte vom Vertrauen der Menschen, dass die Notenbanken, auch wenn sie die Golddeckung in Krisenzeiten mal aussetzten, immer wieder zu den alten Goldparitäten zurückkehrten. Der Goldstandard hatte einen Vorteil und einen gravierenden Nachteil. Der Vorteil: Durch die Golddeckung führten Ungleichgewichte im Handel potenziell zum Abfluss von Gold beim Defizitland, das so gezwungen war, über höhere Zinsen seine Nachfrage nach ausländischen Gütern zu zügeln - und seine Handelsbilanz auszugleichen. Der Goldstandard war ein Währungssystem, das sich an den Bedürfnissen der Realwirtschaft orientierte und Devisenspekulation unattraktiv machte - wegen der Stabilität der Wechselkurse. Der Nachteil: Wenn kein Gold gefunden wurde, kam es unweigerlich zu deflationären Phasen und Rezessionen, denn die Notenbanken konnten wegen der Golddeckung ihre Geldmenge nicht dem gesteigerten Gütervolumen anpassen. Andersherum, wurde neues Gold in großen Mengen gefördert, kam es zu inflationären Schüben im gesamten System und zu einem Vorteil der Goldförderländer, die quasi Geld aus dem Nichts schöpften und damit weltweit Waren einkaufen konnten. Quelle: www.fr-online.de
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