Euro-Zone: Industrie blickt in den Abgrund
Die Industrie in der Euro-Zone hat ihre Talfahrt im November mit erhöhter Geschwindigkeit fortgesetzt. In fast allen Ländern fuhren die Unternehmen ihre Produktion so stark zurück wie nie zuvor, ergab der Markit-Einkaufsmangerindex. Auch die weltweite Nachfrage nach Investitionsgütern „Made in Germany' brach demnach dramatisch ein.
HB BERLIN/WIESBADEN. Besonders in den letzten Tagen des Monats dürfte sich die Lage bei den Unternehmen verschlechtert haben, wie aus dem am Montag veröffentlichten Markit-Einkaufsmangerindex hervorgeht. „Kein Land ist von den steigenden Auswirkungen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft unbeeinflusst geblieben“, sagte Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson. „Die Industrieproduktion fällt so stark wie nie seit Beginn der Erhebungen in allen Ländern der Euro-Zone, weil sowohl die Nachfrage aus dem Ausland als auch aus dem Inland eingebrochen ist.“
Der Einkaufsmanagerindex sank auf 35,6 Punkte von 41,1 Zählern im Oktober und ist so weit von der Wachstumsschwelle von 50 Punkten entfernt wie nie. Damit hält der Abschwung bereits sechs Monate in Folge an. In einer ersten Schätzung hatte das Barometer noch einen Stand von 36,2 Punkten angedeutet; weil sich seither aber alle Bestandteile eingetrübt hätten, dürfte sich die Situation für die Unternehmen zum Monatsende verschärft haben, schrieben die Forscher.
In fast allen Ländern fuhren die Unternehmen ihre Produktion so stark zurück wie nie zuvor, in Spanien war der Rückgang jedoch mit Abstand am stärksten. Grund für den gedrosselten Ausstoß ist ein Einbruch beim Auftragseingang. Hersteller von Vorleistungsgütern berichteten den Forschern zufolge, dass sie von den Problemen bei den Automobilherstellern in Mitleidenschaft gezogen würden, Industriegüterproduzenten klagten über Kreditengpässe. Vergleichsweise glimpflich kamen die Hersteller von Konsumgütern davon: Auch wenn hier der Auftragseingang so stark zurückging wie seit Umfragebeginn nicht, so war das Minus doch deutlich geringer als in den anderen beiden Sparten.
Die deutsche Industrieproduktion schrumpfte im November so stark wie nie zuvor seit Beginn der Umfrage im April 1996, wie aus dem Markit/BME-Einkaufsmanagerindex hervorgeht. Auftragseingang und Produktion gingen demnach im Rekordtempo zurück. „Zahlreiche Befragte berichteten, dass die striktere Kreditvergabepraxis der Banken und die globale Konjunktureintrübung dafür verantwortlich waren, dass die weltweite Nachfrage nach Investitionsgütern „Made in Germany' dramatisch eingebrochen ist“, schrieben die Experten zu ihrer Umfrage unter 500 Unternehmen.
Das Barometer sank auf 35,7 Zähler von 42,9 Punkten im Oktober und ist damit so weit von der Wachstumsschwelle von 50 Zählern entfernt wie nie zuvor. Zu schaffen macht den Unternehmen vor allem die einbrechende Nachfrage, auch aus dem Ausland. Insbesondere Kunden aus Europa, Asien und den USA fuhren ihre Bestellungen deutlich stärker zurück als noch im Oktober. Noch nie wurden ein größeres Auftragsminus gemessen. Am stärksten unter der rückläufigen Nachfrage zu leiden hatten die Produzenten von Investitions- und Vorleistungsgütern. Bei Konsumgüterherstellern sei es dagegen nur zu moderaten Einbußen gekommen, schrieben die Forscher.
In der Folge drosselten die Firmen ihre Produktion bereits den vierten Monat in Folge und bauten so viele Stellen ab wie zuletzt vor fünfeinhalb Jahren. Dabei waren alle drei Hauptbereiche der Industrie betroffen. Entlastung kam dagegen erneut von den sinkenden Preisen: Im Schnitt verbilligten sich die Einkäufe für die Firmen so kräftig wie zuletzt im Oktober 2001. Das veranlasste - zusammen mit der Nachfrageflaute - die Betriebe erstmals seit Dezember 2005 zu Preissenkungen.
Anders sah es für die deutsche Industrie im vergangenen Jahr aus. Die Firmen investierten rund 56,5 Mrd. Euro und damit 15 Prozent oder 7,4 Mrd. Euro mehr als im Jahr 2006. Ein ähnlich großes Investitionsvolumen hatte die Industrie zuletzt im Jahr 2001 mit 56,1 Mrd. Euro verzeichnet, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Nur unmittelbar nach der deutschen Wiedervereinigung lagen die Investitionen den Statistikern zufolge mit rund 59,5 beziehungsweise 57,8 Mrd. Euro noch über dem Wert des Jahres 2007.
Besonders kräftige Zuwächse gegenüber dem Vorjahr verzeichnete die Metallerzeugung und -bearbeitung: Hier legten die Investitionen um 40,5 Prozent auf 3,2 Mrd. Euro zu, im Maschinenbau um 28,8 Prozent auf 6,6 Mrd. Euro und in der Automobilindustrie um 21,3 Prozent auf 10,7 Mrd. Euro. Der Bereich „Herstellung von Metallerzeugnissen“ wies mit einem Plus von 16,0 Prozent auf 4,2 Mrd. Euro einen ähnlich starken Anstieg auf wie die Industrie insgesamt.
Deutlich geringer war die Zunahme im Ernährungsgewerbe (um 8,7 Prozent auf 4,7 Mrd. Euro) und in der chemischen Industrie (um 4,3 Prozent auf 6,4 Mrd. Euro). In der Summe erzielten die genannten sechs Branchen ein Investitionsvolumen von rund 35,8 Mrd. Euro. Das entsprach 63,3 Prozent der Investitionen in der deutschen Industrie insgesamt.
Die Rezession in der Industrie hinterließ indessen auch Spuren auf dem Arbeitsmarkt. Die Firmen bauten so viel Personal ab wie nie seit Beginn der Umfrage. Besonders hoch fiel das Minus in Frankreich, Italien, Spanien, Irland, Griechenland und den Niederlanden aus. In Deutschland war zuletzt der Arbeitsplatzabbau vor fünfeinhalb Jahren höher.
Wegen rückläufiger Rohstoffpreise sanken die Kosten für die Unternehmen erstmals seit September 2003. In den meisten Ländern reichten die Firmen diese Kostenvorteile an ihre Kunden auch weiter.
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