StartseiteAllgemeinesBeständeAnlageformenAnalysenWissenswertesChartsHandelBlog

Wissenswertes:

Silber (Archiv)

Allgemeines über Edelmetalle

Papiergeldsystem

Erklärungsbegriffe

Krisenvorsorge

Krisenvorsorge:

Beiträge zur Krisenvorsorge

Beiträge zur Krisenlage

Beiträge zur Krisenbegriffe

Beiträge zur Krisengeschichten

Allgemein:

Startseite

News (RSS)

Link´s

Sitemap

Kontakt

Disclaimer

Deutschland in der Liquiditätsfalle

von Wolfgang Münchau

Wir erleben eine Situation, in der die gewöhnlichen Rezepte der Wirtschaftspolitik nicht mehr funktionieren. Die Geldpolitik ist weitgehend wirkungslos, dafür ist die Fiskalpolitik weitaus wirksamer als in normalen Zeiten. Um eine Depression zu verhindern, müssen die Steuern zeitlich begrenzt gesnkt werden.
Nach den Kommentaren der Kanzlerin und ihres Finanzministers der vergangenen Tage sollte man sich zum Ende des Monats nicht ein frohes neues Jahr wünschen, sondern eine frohe Depression. Die Bundesregierung ist offensichtlich nicht bereit, für den Fall einer Liquiditätsfalle vorzubeugen. Stattdessen will sie abwarten, bis man tatsächlich dort hineintappt.
Dass wir auf eine Liquiditätsfalle zusteuern, ist so gut wie sicher. In den vergangenen Tagen und Wochen haben sich die Anzeichen einer globalen Wirtschaftskrise ungeahnten Ausmaßes verschärft. In den USA hat die Liquiditätsfalle schon zugeschlagen: Dort zieht die Notenbank mittlerweile Instrumente aus der Trickkiste, mit denen sich in der Vergangenheit nur Geldtheoretiker beschäftigten. Dazu zählen etwa das "Quantitative Easing", mit der die Federal Reserve ihre eigene Bilanz aufbläst, und die Ankündigung von Notenbankchef Ben Bernanke, man werde demnächst langfristige Staatspapiere kaufen, um deren Zins zu senken.
Wenn die Liquiditätsfalle erst einmal zuschnappt, sinken die Zinsen in Richtung null Prozent, und die Zentralbank versucht, mit unorthodoxen Mitteln das Ihre zu tun. Die Erfahrung zeigt, dass die Impulse der Geldpolitik jedoch nicht sehr groß sind. Es wäre zwar gut, wenn die Europäische Zentralbank am Donnerstag ein deutliches Signal geben würde - entweder in Form einer stärkeren Zinssenkung als erwartet von mindestens 75 Basispunkten oder wenigstens durch die Ankündigung weiterer Schritte.

Kein Ende der Krise vor 2011

Aber selbst eine theoretische Hauruck-Zinssenkung auf null Prozent kann uns nicht mehr vor der Liquiditätsfalle bewahren. Diese resultiert aus den extremen Interaktionen zwischen Kreditmärkten und Realwirtschaft. Allein der Abschwung, den wir derzeit erleben, reicht mit großer Wahrscheinlichkeit aus, um auf den Finanzmärkten die nächste Schockwelle auszulösen - unter anderem im Bereich von Unternehmensanleihen und deren Versicherungsderivate. Der amerikanische Ökonom Paul Krugman erwartet mittlerweile einen Anstieg der Arbeitslosigkeit in den USA auf mehr als zehn Prozent und kein Ende der Krise vor 2011. Der Finanzwissenschaftler Robert Shiller glaubt ebenfalls, dass die Krise noch viele Jahre dauern wird. Damit wäre der Vergleich mit der Großen Depression, den wir bislang immer gescheut haben, gar nicht mehr so abwegig.
Ein wichtiges Element des Puzzles ist die Position Chinas. Auch dort zeichnet sich eine dramatische Verlangsamung der Investitionen ab, die Stütze der chinesischen Konjunktur. China ist bereits in einer Rezession, wenn das Land nur um sechs Prozent wächst, weil die Nachfrage nach Jobs in der Industrie dort jedes Jahr um ein größeres Maß wächst. Der Rückgang der amerikanischen Nachfrage hat in ganz Asien eine Kettenreaktion ausgelöst, die gerade in China zu einem Einbruch der Wirtschaft geführt hat. Russlands Kasino-Wirtschaft, ein weiterer wichtiger Markt für deutsche Exporteure, ist ebenfalls implodiert.
Wir erleben schon seit einigen Jahren, dass die wesentlichen monetären Entwicklungen global auftreten, egal ob das Preisblasen bei Immobilien oder Wertpapieren sind oder Inflationsschübe. Auch die Liquiditätsfalle ist globalen Ursprungs und wird weder vor der chinesischen Mauer haltmachen noch vor der Mauer im Kopf deutscher Finanzpolitiker.
Wenn ein Land in eine Liquiditätsfalle gerät, ist die Geldpolitik zwar wirkungslos, die Fiskalpolitik dafür umso wirksamer, und zwar weitaus wirksamer als in normalen Zeiten. Während normaler Wirtschaftszyklen braucht man eigentlich keine Konjunkturprogramme. In der Regel reicht es aus, wenn man die automatischen Stabilisatoren der Geldpolitik voll wirken lässt. In Zeiten einer Liquiditätsfalle ist das anders. Da reichen weder die Stabilisatoren noch halbherzige Programme, die nur dazu dienen, politische Interessen zu füttern. In solchen Zeiten darf man Konjunkturpakete auch nicht mit hehren Zielen überladen. Stattdessen müssen die Steuern zeitlich begrenzt gesenkt werden.

Große Koalition ganz klein

Sinnvoll ist es, zur Stützung der Nachfrage jedem Deutschen einen Umschlag mit 2000 Euro oder Steuergutscheine zu schicken. Natürlich wird ein Teil gespart. Natürlich wird es irgendwelche grauen Märkte geben, wo Menschen ihre Gutscheine gegen Geld tauschen können. Aber ich wette, dass ein Großteil des Geldes konsumiert würde. Vor Weihnachten ist eine bessere Zeit für eine derartige Aktion als danach.
Wir wissen, dass der eine oder andere in Berlin über einen solchen Schritt nachdenkt. SPD-Chef Franz Müntefering sieht in Steuerschecks eine Möglichkeit zur Umverteilung. Das zeigt, dass auch dieser in Wirtschaftsangelegenheiten nicht gerade hervorstechende Politiker den Ernst der Lage noch nicht versteht. Die Idee eines Konjunkturpakets besteht darin zu verhindern, dass die Wirtschaft in ein Loch stürzt, aus dem sie mit normalen Mitteln der Wirtschaftspolitik nicht mehr herauskommt. Dies ist nicht die Zeit für billige wahltaktische Tricks. Es ist auch nicht die Zeit für große Strukturmaßnahmen. Dauerhafte Steuersenkungen, wie es einige Konservative fordern, wären in dieser Situation völlig abwegig. Ob ein kurzfristig angelegter Konsumimpuls ohne Alternative ist, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Wir wissen aber, dass er funktioniert.
Wenn aber Politiker per Parteitagsbeschluss jede Steuersenkung vor Anfang 2010 ausschließen, gehen sie ein enormes Risiko ein. Die Kanzlerin und ihr Finanzminister regieren das Land mit derselben Kombination aus Überheblichkeit und Ahnungslosigkeit, wie es bis zum Ausbruch der Finanzkrise Vorstände und Aufsichtsräte von Zockerinstitutionen im Schattenbankensystem taten.
Ist die Depression erst ausgebrochen, ist es zu spät für Ad-hoc-Maßnahmen. Wenn alle Angst um ihren Job haben, werden Steuergeschenke in der Tat gespart. Und wenn 2009 in einer solchen Lage gewählt wird, kann es passieren, dass die beiden Volksparteien nicht einmal mehr zusammen eine Mehrheit erreichen. Dann wird die Große Koalition plötzlich ganz klein.

Wolfgang Münchau ist FTD- und FT-Kolumnist. Er leitet den Informationsdienst Eurointelligence.com.

Dieser Beitrag wurde nicht geprüft, www.silbernews.at übernimmt keine Verantwortung für Angemessenheit oder Genauigkeit dieser Mitteilung. Quelle: http://www.ftd.de