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„Zinssenkungen sind jetzt besonders wichtig“

von Marietta Kurm-Engels
Die Kreditvergabe zwischen den Banken stockt, weil sie sich gegenseitig nicht mehr vertrauen. Darunter leidet letztendlich auch die Gesamtwirtschaft. Doch wie bringt man das Vertrauen in den Markt zurück? Gertrude Tumpel-Gugerell, seit 2003 Mitglied des EZB-Direktoriums, spricht im Handelsblatt-Interview über die Probleme im Interbankenhandel und erklärt, warum Zinssenkungen gerade jetzt besonders wichtig sind.
Frau Tumpel-Gugerell, seit Monaten stockt der Handel zwischen den Banken mit Krediten. Pendelt sich das wieder ein, oder muss man nach Auswegen suchen?

Es ist zu früh zu sagen, wann sich der Interbankenhandel wieder normalisieren wird. Die Banken sehen untereinander nach wie vor das Gegenparteienrisiko, besonders im Markt für ungesicherte Geldgeschäfte. Es ist aber sehr wichtig, dass sie den Handel untereinander wieder aufnehmen. Wir brauchen den Interbankenhandel. Es wird deshalb darüber nachgedacht, wie man Vertrauen in diesen Markt zurückbringen kann und damit den Euribor, also den Zinssatz, den sich Banken untereinander für Kredite berechnen, reduzieren könnte. An den Euribor sind viele Kreditverträge gebunden.
Ist das nicht Sache der Banken?
Nicht nur. Derzeit ist der Risikoaufschlag im Interbankenverkehr so hoch, dass Zinssenkungen, die wir vornehmen, womöglich nicht bis zum Endkreditnehmer gelangen. Dadurch können hohe gesamtwirtschaftliche Kosten entstehen. Das ist ein ernstes Problem. Deshalb muss man darüber nachdenken, wie man das Risiko im Interbankenhandel mit geeigneten Absicherungsmaßnahmen reduzieren kann.Die Menge alleine reicht offenbar nicht, weil wir Liquidität nur gegen Sicherheiten zur Verfügung stellen. Die Frage ist: Was kann man am Markt für unbesicherte Bankforderungen tun?
Gibt es Vorschläge?
Es gibt Überlegungen in verschiedenen Ländern. In Österreich zum Beispiel hat man das Interbankenrisiko versichert. So wie man einen Exportkredit versichern kann, kann man auch einen Interbankenkredit versichern. Die Frage ist dann, wer trägt das Risiko.
In Deutschland wird über eine Clearingstelle für Interbankenkredite diskutiert.
Das ist eine der Ideen, das Interbankenrisiko zu reduzieren. Wir werden im EZB-Rat darüber beraten, sobald der Vorschlag auf dem Tisch liegt und uns dann dazu äußern. Für uns ist es wichtig, dass solche Lösungen allen Euro-Ländern zur Verfügung stehen und wir keine Renationalisierung der Finanzmärkte haben.
Sie lehnen also eine Clearingstelle nur für Deutschland ab?
Lokale Lösungen würden zu einer Segmentierung im Geldmarkt führen und sollten daher nicht angestrebt werden. Der gemeinsame Geldmarkt des Euro-Raums muss erhalten bleiben. Das ist ganz wichtig. Das war auch der Hintergrund für die Vereinheitlichung der Stützungspakete für die Banken auf EU-Ebene. Das Gleiche gilt hier: keine nationale Abschottung, sondern europaweit konsistente Lösungen. Zahlreiche große Finanzinstitute sind auf vielen Märkten tätig. Da sollte man neue nationale Differenzierungen vermeiden. Dies ist auch wichtig, um die einheitliche Implementierung unserer gemeinsamen Geldpolitik im Euroraum zu gewährleisten.
Die Wachstumsprognosen des Eurosystems lagen im Sommer schwer daneben. Woraus leiten Sie jetzt die Hoffnung ab, dass die Wirtschaft ab Mitte 2009 wieder besser läuft?
Die Prognosen werden unter bestimmten Annahmen erstellt. Wenn diese nicht eintreffen, verändert sich das Prognoseergebnis. Eine wichtige Annahme ist die Wiederbelebung des Welthandels im Jahr 2010. Es ist aber zu bedenken, dass es bei den Annahmen Unsicherheiten gibt. Wir haben derzeit die schärfste Verschlechterung im Konjunkturbild, die wir in den letzten dreißig Jahren erlebt haben. Wir müssen in alternativen Szenarien denken.
Wie erklären Sie den massiven Einbruch?
Das größte Problem ist wahrscheinlich mangelndes Vertrauen. Die Binnennachfrage hängt stark ab vom Vertrauen und von der Arbeitsplatzentwicklung. Und die Investitionen hängen ab vom Vertrauen und von der Finanzierbarkeit. Es wird entscheidend darauf ankommen, ob es gelingen wird, die Konjunktur in den Industrieländern zu normalisieren.
Wird die EZB der Wirtschaft mit weiteren Zinssenkungen helfen?
Wir haben keine Signale über künftige Zinsschritte gegeben. Wir beobachten weiter die Entwicklung und möchten für die Zukunft weder etwas ankündigen noch ausschließen.
Gab es im Rat Dissens über die Höhe des letzten Zinsschritts?
Nein.
Können Zinssenkungen in der momentanen Situation überhaupt noch etwas bewirken?
Zinssenkungen sind jetzt besonders wichtig. Sie sind möglich geworden, weil der Preisdruck von vor einem halben Jahr nicht mehr da ist. Sie sind notwendig, weil es ganz besonders jetzt darauf ankommt, die Zinskosten zu verbilligen. Und sie sind umso wichtiger, weil es uns noch nicht gelungen ist, unsere Zinssenkungen auch an die Wirtschaft weiterzugeben. Wir haben in den letzten Monaten bei schlechterer Wirtschaftslage steigende Finanzierungskosten gehabt. Früher oder später müssen sich die niedrigeren Zinsen in den Finanzierungskosten für die Kreditnehmer niederschlagen. Das hoffen wir. Auch dafür ist es eine wichtige Voraussetzung, dass der Geldmarkt wieder in Gang kommt.
Was halten Sie von den Konjunkturprogrammen, die zur Zeit überall verabschiedet werden?
Die Erfahrungen damit sind nicht positiv. Das würde ich nicht generell so sehen. Es ist verständlich, dass die Regierungen darüber nachdenken, was sie tun können, um diesen massiven Abschwung abzumildern. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt gibt den Regierungen allerdings einen klaren Handlungsrahmen, in dem sie konjunkturpolitisch aktiv werden können. Da haben manche Regierungen mehr, manche weniger Spielraum. Es ist aber auch wichtig, dass international darüber gesprochen wird, dass es sich um vorübergehende Maßnahmen handelt, die man auslaufen lässt, wenn es wieder besser geht.
Sie befürworten also Konjunkturprogramme?
Ich behaupte nicht, dass man damit alles ungeschehen machen kann. Aber 1975 hat man nach dem ersten Ölpreisschock gesagt: Das gleichen wir aus. Es hat den Einbruch trotzdem gegeben -, aber sehr rasch auch wieder eine Erholung.
Haben die Notenbanken ausreichend vor der Finanzkrise gewarnt?
Finanzstabilitätsberichte von vielen Notenbanken, einschließlich dem der EZB, haben immer wieder auf Risiken hingewiesen.
War das genug?
Es ist richtig, dass die Risikoeinschätzungen das Verhalten der Marktteilnehmer zu wenig beinflusst haben. Es ist aber zu einfach zu sagen, die Zentralbanken, Regulierer und die Aufseher hätten mehr tun sollen. Es gibt auch Verantwortliche, die die Risiken eingegangen sind.
Sie sehen also die Hauptschuld bei den Banken?
Es geht nicht um Schuld. Es geht darum zu analysieren, warum sich das Finanzsystem so entwickelt hat. Wenn Sie Unfälle haben, gibt es jemanden, der die Regeln aufgestellt hat und jemanden, der sie beachtet oder nicht beachtet hat. Es geht aber nicht nur darum, dass man Regeln nicht beachtet hat. Es hat auch sehr viel regulatorische Arbitrage gegeben.
Das heißt?
Dass Regeln vermieden und umgangen wurden, weil die Risiken nicht als Risiken eingestuft oder nicht als Risiken erkannt worden sind.
Was ist die Lehre daraus?
Was die Zentralbanken angeht, so haben wir gelernt, dass wir unsere Aufgabe der Beobachtung und Beurteilung der Finanzmarktstabilität noch verbessern und intensivieren müssen. Bei der Umsetzung des einheitlichen europäischen Zahlungsraums, Sepa, hapert es, vor allem bei den Sepa-Lastschriften. Es gibt sehr intensive Bemühungen, die Probleme bei der Realisierung des Lastschriftverfahrens aus dem Weg zu räumen. Ich bin zuversichtlich, dass man einen Weg finden wird, die verbleibenden Hürden zu beseitigen.
Geht es um die Gebühren?
Sie sind die Haupthürde. Es gibt in den einzelnen Ländern unterschiedliche Praktiken. Wir suchen nach Übergangslösungen, damit die Banken mit den bestehenden Gebührenmodellen SEPA Lastschriften durchführen können und man gleichzeitig eine längerfristige Sicherheit schafft, um das ganze Geschäft zu organisieren. Es gibt intensive Gespräche zwischen der Kommission und den Bankenvertretern. Ich hoffe, dass relativ rasch ein konkreter Vorschlag vorliegt. Die Lösung, die jetzt angestrebt wird, müsste für alle Bankengruppen akzeptabel sein.
Warum setzt der EU-Gesetzgeber nicht einfach einen Termin für das "Abschalten" der nationalen Verfahren?
Man muss einen Schritt nach dem anderen setzen. Die erste Priorität hat momentan, die offene Frage der Gebühren zu lösen und damit die Voraussetzungen zu schaffen, damit das Lastschriftverfahren wie geplant im November 2009 angewendet werden kann. Im Laufe von 2009 kann man dann über den besten Zeitpunkt eines Endes der nationalen Verfahren diskutieren. Dass dieses Enddatum notwendig ist, darin stimmen eigentlich alle überein.
Was würden Sie vorschlagen?
2012 wäre eine denkbare Option für Überweisungen und Lastschriften. Es gibt aber auch Meinungen, die sagen, man sollte mit Lastschriften schon früher starten.

Dieser Beitrag wurde nicht geprüft, www.silbernews.at übernimmt keine Verantwortung für Angemessenheit oder Genauigkeit dieser Mitteilung. Quelle: http://www.handelsblatt.com