Alles oder Nichts
Der scheiternde Reflations-Versuch
Von Walter K. Eichelburg
Datum: 2008-12-11
Nach dem Zerfall des Finanzsystems zerfällt jetzt die Realwirtschaft weltweit. Egal ob USA, Europa oder Asien, die Realwirtschaft bricht brutal ein. Gleichzeitig versucht die Politik alles, um das System der Kreditexpansion wieder in Gang zusetzen. Ohne Erfolg.
Es geht für die Politik und die Eliten um „Alles oder Nichts„. Crashen Wirtschaft und Finanzsystem, ist auch deren Zeit abgelaufen. Daher wird alles in die Schlacht geworfen, was verfügbar ist, ohne an die Zukunft zu denken.
Der Zusammenbruch der Realwirtschaft
War die Krise bis Oktober 2008 eine Finanzkrise, die primär die Banken betraf, so ist jetzt eine Krise der Realwirtschaft daraus geworden. Alles was auf Kredit finanziert wird, bricht gerade zusammen, etwa Autos oder Investitionsgüter.
Hier eine Kostprobe von HJ Fandrich: „Warenverkehr bricht ein„:
Den Regierungen raucht der Kopf. Konjunkturmaßnahmen, Steuersenkungen, Konsumgutscheine, Leitzinssenkungen, und wer weiß was noch, bringt ihren Blutdruck in die Höhe. Sie haben realisiert, die Warenströme brechen bis Weihnachten um mindestens 50% ein. Bundesbahnchef Mehdorn hat für Dezember bereits 40% aller Güterwagons aus dem Verkehr gezogen und ganze Güterbahnhöfe stillgelegt. Nein, er will nicht die Gewerkschaften schocken, er hat nichts zu verladen.
Klar, woher auch, wenn die Hafenumsätze bis zu 50% wegbrechen. Das wird auch nicht besser signalisieren Baltic und Harpex Index der Seeschifffahrt. Schüttgut -94 %. Rohöl -58% , Container -57% , Clean Tanker -42%.
Oder - Welt: Die Chiphersteller kämpfen ums Überleben
In der Halbleiterindustrie tobt ein gnadenloser Überlebenskampf. Nun soll der Staat den deutschen Chipherstellern helfen. Es herrscht ein wahrer Wettbewerb um Subventionen. Doch solche Beihilfen haben die Probleme in der Vergangenheit weltweit nur verstärkt.
Von der Deutschland-Seite von Hartgeld.com:
Leserzuschrift - Wo der Truck-Wall hingekommen ist:
Ich wohne im Speckgürtel von Hamburg direkt "an den Feldern". Wenn ich hier in meinem Örtchen in den Feldern joggen gehe, komme ich auf dem Rückweg durch unser Gewerbegebiet (keine "schwere" Industrie; vor allem Logistik und Handelsgewerbe)....
Mittlerweile ist es so, dass ich schon weit über die Felder "eine Wand aus LKW-Aufliegern" (in blauer Plane) sehe! Ein Frühwarnzeichen der Rezession (oh, Entschuldigung!), der Depression(!) direkt vor der Haustür! ...das gab es in den letzten Jahren nicht - da standen an den Strassen im Gewerbegebiet die LKWs und haben auf einen Platz auf den Höfen der Unternehmen gewartet - jetzt sind die Parkplätze leer, dafür das neue "Endlager" voll.
Die frühere Wand aus LKWs auf den Autobahnen ist also jetzt im „Endlager„ - abgestellt.
Leserzuschrift - Autobranche:
Telefonierte vorhin mit einem Freund bei einem namhaften autozulieferer:
Umsatzrückgang ges. momentan ca. 65% ! VW kürzte Bestellungen um 15% GM, BMW, DAIMLER kürzten um ca 50% RSA, PSA je um 85% !!!
Leserzuschrift - Daimler Wörth:
Neuigkeiten eines Daimler Mitarbeiters: Bisher wurden 400 bis 500 LKW pro Tag produziert. Bestellungen kommen aktuell nur noch um die 10! Pro Tag rein. Au weia. Tschüss Wohlstand in der Südpfalz.
Truck-Land brennt also jetzt komplett ab – wie bei Volvo.
Von der USA-Seite von Hartgeld.com:
FTD: US-Medienkonzern Tribune gibt auf
Der traditionsreiche US-Medienkonzern Tribune ist insolvent. Der Fernsehanbieter und Zeitungsverleger beantragte jetzt Gläubigerschutz nach Kapitel 11 des US-Konkursrechts. Damit hat die Werbekrise ihr bislang prominentestes Opfer gefordert.
Das grosse Medien-Sterben geht also los.
Welt: Nobelpreisträger schreibt US-Autoindustrie ab
Schlechte Nachrichten für die Autobranche der USA. Nach Einschätzung des diesjährigen Wirtschafts-Nobelpreisträgers Paul Krugman lassen sich die US-Autogiganten Ford, GM und Chrysler nicht mehr retten. Mit dem geplanten Milliardenpaket würden einfach nur "zwei Monate Zeit gekauft".
Da helfen auch alle Rettungen und Bailouts nicht mehr.
WSJ: Google Gears Down for Tougher Times
Corporate austerity is reaching one of the most extravagant spenders of the boom years. Google Inc. has begun to tighten its belt.
Die ganze High Tech/Internet-Branche ist auch dran.
Und so weiter...
Die Bosse verstehen es noch nicht:
Die Wende ist so schnell gekommen, dass die Manager noch nicht verstehen, was los ist:
BernerZeitung: Vasella zur Finanzkrise: «Habe so etwas noch nie gesehen»
«Ich habe so etwas noch nie gesehen», sagte Daniel Vasella in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Nach den Worten des Novartis-Chefs dürfte das Schlimmste der Finanzkrise noch bevorstehen. «Eine Abkühlung war absolut notwendig, aber ich denke wir sind jetzt darüber hinaus gegangen.»
Sie sind wirklich alle überrascht worden. Sie hätten seit Sommer 2007 die Krise kommen sehen sollen. Haben sie aber nicht, trotz jeder Menge Stäbe und Berater. Denn sie sind so auf Karriere und Erfolg trainiert, dass sie links und rechts nichts sehen.
Und sofort fällt dieser CEO wieder in den Alltagstrott zurück, indem er seine Wettbewerbsposition analysiert. Die böse Krise will er real aber immer noch nicht wahrhaben. Die Lügen von Politikern und Bankern wirken besonders gut bei dieser Gruppe.
Inzwischen häufen sich die Pleiten von Autozulieferen und anderen Firmen. Die Banken werden wegen des Ausfallsrisikos daher noch weniger Kredite vergeben, egal, was die Politiker machen oder fordern. Sie können wenn sie wollen sogar Purzelbäume schlagen, es wird nichts helfen.
In den nächsten Monaten werden die Firmenbosse verstehen, was wirklich läuft:
Die Welt geht in die schwerste Depression seit 200 Jahren.
Die Bosse werden bald den Durchhalteappellen nicht mehr glauben. Dann werden sie alles tun, um zu versuchen, ihre Firmen zu retten. Dazu gehört auch eine radikale Schrumpfung der Firmen mit Massenentlassungen. Die Zeit der Kurzarbeit ist dann vorbei.
Alle Investitionen werden gestoppt, das wird die Investitionsgüter-Industrie massiv treffen. Cash wird gehortet, unsichere Kunden werden nicht mehr beliefert.
Die wirklichen Massenentlassungen werden Anfang 2009 beginnen und jedes bisherige Ausmass übertreffen.
Die Steuereinnahmen werden daher massiv einbrechen, der Konsum ebenfalls, da jeder Angst um seinen Arbeitsplatz haben wird. Dann geht es auch den Staaten an den Kragen.
Was macht die Politik?
Genau, sie schöpft Wasser aus ihrem gerade noch schwimmenden Sieb. Egal, wie viel sie auch schöpfen, von unten dringt immer wieder Wasser ein.
Man überbietet sich mit „Rettungspaketen„ und Gelddrucken, die USA haben schon $8500 Mrd. „gedruckt„, indem sie Banken gerettet haben und deren wertlose Mistpapiere zum vollen Preis aufgekauft haben.
Was hat es gebracht? Nichts.
Mark Faber meint in: Eine noch nie dagewesene Zerstörung vonReichtum
Staaten und Notenbanken können den riesigen Verlust von 100 Billionen Dollar niemals ausgleichen.
Was an der gegenwärtigen Wirtschaftskrise außergewöhnlich ist, dürfte der Umstand sein, dass in den letzten zwölf bis 18 Monaten alle Vermögenswerte gewaltig an Wert verloren haben. Die Kapitalisierung der gesamten Weltbörsen hat sich von rund 60 Billionen vor einem Jahr auf gegenwärtig 30 Billionen Dollar halbiert. Die meisten Rohstoffpreise (außer bei Gold) sind um rund 50 Prozent eingebrochen, und weltweit sind die Immobilienpreise zwischen 20 und 50 Prozent - je nach Land - gefallen. Sämtliche nicht-staatlich garantierte fest verzinsliche Papiere sind ebenfalls zusammengebrochen.
Genauso ist es. Regierungen und Zentralbanken versuchen die überhöhten Werte der „Papierzeit„ krampfhaft aufrecht zu erhalten, koste es, was es wolle. Aber die Zerstörungen sind viel zu gross. Am Ende runieren sie nur sich selbst (Staatsbankrott) und ihre Währungen.
Sie wollen nicht sagen, dass die Spareinlagen weg sind:
Es gibt in der Gesellschaft kritische und weniger kritische Finanzanlagen. Alle wurden bis jetzt massiv reduziert. Zu den weniger kritischen Anlagen gehören etwa Aktienkurse. Wenn diese sinken, wird es als gegeben hingenommen. Fallen aber die Spareinlagen bei den Banken wegen Bankenpleiten aus, dann wird das von der Öffentlichkeit nicht so einfach hingenommen. Daher tut man alles, um die Banken zu „retten„.
Nachdem die Banken in der Bubble-Phase wie eine Affenherde das Geld ihrer Kunden in die riskantesten Dinge gesteckt hat, ist dieses Geld jetzt weg. Denn es steckt primär in Konsum- und Spekulationskrediten (Oligarchen, Immobilien) weltweit. Diese Art von Krediten bezeichnet man auch als „non-self-liqudating„, da sie sich nicht durch erhöhte Produktion abzahlen. Daher müssen sie abgeschrieben werden, wie man gerade sieht.
Hier eine kleine Auswahl, wo unsere Spareinlagen versenkt wurden: in US-Subprime-CDO-Mistpapieren in osteuropäischen Ratenkrediten in Krediten an russische Oligarchen in spanischen Hypotheken in UK-Kreditkartenschulden in isländischen Pleite-Banken in eigenen Autoleasing-Krediten etc., etc., etc.
Das Geld ist weg. Man hat es den Sparern nur noch nicht mitgeteilt
Bis jetzt versucht die Politik, dieses Geständnis hinauszuschieben – aber es wird kommen!
Aber wenn kommt, dann wird es einen Volksaufstand gegen Politiker und Banker geben.
Das unterdrückte Gold-Barometer
Das wichtigste Instrument, um überhaupt so inflationieren zu können, ist die Konkurrenz zum Staatsgeld zu beseitigen. Das ist primär das Gold, also muss der Goldpreis runter.
Mehr dazu habe ich bereits in den Artikeln „Woher kommt das Gold für die Preisdrückung?„ und „Gold-Stinger„ beschrieben.
In der Zwischenzeit waren Gold und Silber bereits mehrfach an der Wartenterminbörse COMEX in „Backwardation„, d.h. der physische Preis war höher als der Papierpreis, eine für die Preisdrücker gefährliche Situation. Lange wird man den Preis nicht mehr unten halten können.
Daneben treibt man die Herde der „Investment-Affen„ in die Staatsanleihen als angeblich sicherer Hafen: „Letzte Zuflucht Staatsanleihe„:
Anleger sind in Massen bereit, den amerikanischen Staat dafür zu bezahlen, dass er ihr Kapital nimmt.
Rein rationales Verhalten erwartet wohl kaum jemand mehr vom Markt. Schließlich verhalten sich Anleger eher wie Lemminge, die dem Lauf der Herde blind folgen - und sei es in den eigenen Untergang. Dass sie aber sogar in Massen dazu bereit sind, den amerikanischen Staat dafür zu bezahlen, dass er ihr Kapital nimmt, ist auf den ersten Blick schlicht verrückt.
Natürlich ist es verrückt, auch die Financial Times Deutschland sieht es so. Aber die in teuren MBA-Schulen antrainierten Reflexe lassen sich offenbar nicht so leicht durch rationales Denken und Hausverstand ersetzen
In der Realität sind praktisch alle Staaten faktisch bankrott. Sie können ihre alten Schulden nicht zurückzahlen, die neuen für die Bankenrettungen noch viel weniger.
In absehbarer Zeit wird man das allgemein bemerken, dann wird die Herde der „Investment-Affen„ auch aus den Staatsanleihen versuchen zu flüchten, wie zuvor schon aus US-CDO-Mistpapieren oder isländischen Pleitebanken. Wie dort wird es nicht mehr gelingen, weil sie zu spät dran sind. Daher sind sie auch Affen, denn sie verhalten sich so. Siehe deutsche Landesbanken.
Für Österreich etwa kann schon akute Pleitegeier-Warnung ausgegeben werden, denn die Zinsabstände (Spreads) bewegen sich schon in die Nähe von Italien oder Griechenland. Die enormen Risiken aus den Ost-Geschäften der österr. Banken, für die jetzt der Staat haftet, sind die Ursache dafür.
Manche schreiben es direkt: „Österreich ist pleite!„:
Österreich ist pleite! Ganz offensichtlich bleibt als Ausweg aus den Casino-Spielen nur noch die gigantische Ausweitung des Kreditvolumens mit nachfolgender Hyperinflation, die alle Sparer weiter enteignet. Der Euro wird seinem Ruf als «Teuro» treu bleiben, und wir alle werden ärmer, nicht zuletzt durch die Steuerwalze, welche die neue Koalitionsregierung von Feymann und Pröll planmässig in Bewegung setzen wird. Die Politiker haben im Verein mit der Bankenmafia und den mediokren «Global player» in staatsnahen Betrieben und Holdings das Volksvermögen in wenigen Jahren verschleudert, welches Generationen mühsam geschaffen haben.
Nicht nur Österreich ist pleite, praktisch alle Staaten sind es.
Alle Zeichen sprechen dafür, dass die derzeitige Goldpreis-Drückung nicht mehr lange aufrechterhalten werden kann, denn dann ist das Zentralbank-Gold weg. Dann folgt ein weltweiter Run nicht nur auf die Banken wie im Oktober 2008, sondern auch auf die Staatsanleihen und Währungen und ins Gold. Wie soetwas ausssieht, haben wir gerade bei Island und Ungarn schon gesehen, aber vermutlich im 1. Quartal 2009 wird es auch zu uns kommen.
Was die „Eliten„ wirklich machen:
Reine Verzögerungstaktik, wie bei jeder Krise. Sie machen zwei Dinge: sie bewerfen das Problem mit neuem Kredit-Geld mit der Hoffnung es möge weggehen, oft funktioniert es auch sie suchen jetzt eine Lösung für den Moment, wenn es geht mit Markt-Manipulation
Was sie nicht machen: das Problem an der Wurzel beseitigen.
In unserem Fall würde das heissen, man baut die ganzen Verwerfungen und Manipulationen, sowie Fehlinvestitionen der letzten Jahrzehnte ab. Das wäre aber der Untergang der heutigen Eliten. Daher werden sie auch keine wirkliche Radikalmassnahme wie eine Währungsreform freiwillig machen, denn dann müssten sie ihren Völkern sagen: eure Spareinlagen sind weg.
Rob Kirby fasst es im Midas schön zusammen:
Now, if you are of the mind of Robert Rubin [Secretary of Treasury – Clinton] you think like this:
It seems to me that the mindset at the Fed and Treasury might be best summed up by Robert Rubin as he reveals the motivation or drivers of crisis management in the interaction between himself, Lawrence Summers, the ESF [exchange stabilization fund], the IMF and presumably the Maestro at the Fed – during the Clinton administration. On pages 290 - 291 of his book, In An Uncertain World, referencing the Brazilian financial crisis of the late 1990s, Rubin outlines how very expensive "bad decisions" can buy time. Sometimes, he asserts, these bad decisions have a great deal of merit because they can,
"..Probably defer the impact of the collapse for six or eight months, and that will more than justify the effort."
Kurz zusammengefasst: wenn man einen Kollaps für 6 Monate verzögern kann, dann ist jedes Mittel recht. Es geht nur um das Zeitschinden.
Insgeheim hoffen sie alle aber, dass das Bewerfen des Problems mit neuem Kreditgeld, also ihre Reflation Erfolg hat. Sorry, dafür ist es zu spät. Die Systemzerstörung ist zu weit fortgeschritten.
Und sie hoffen und bewerfen weiter....
Disclaimer:
Ich möchte feststellen, dass ich kein Finanzberater bin. Dieser Artikel ist daher als völlig unverbindliche Information anzusehen und keinerlei Anlage- oder sonstige Finanzierungsempfehlung – ähnlich wie ein Zeitungsartikel. Ich verkaufe auch keine Finanzanlagen oder Kredite. Jegliche Haftung irgendwelcher Art für den Inhalt oder daraus abgeleiteter Aktionen der Leser wird ausdrücklich und vollständig ausgeschlossen. Das gilt auch für alle Links in diesem Artikel, für deren Inhalt ebenfalls jegliche Haftung ausgeschlossen wird. Bitte wenden Sie sich für rechtlich verbindliche Empfehlungen an einen lizensierten Finanzberater oder eine Bank.
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Zum Autor: Dipl. Ing. Walter K. Eichelburg ist unabhängiger Consultant und Investor in Wien. Er beschäftigt sich seit mehreren Jahren intensiv auch mit Investment- und Geldfragen. Er ist Autor zahlreicher Artikel auf dem Finanz- und IT-Sektor. Er kann unter walter@eichelburg.com erreicht werden.
Seine Finanz-Website ist: www.hartgeld.com
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