Deutschland ohne Schuldenbremse
Die Staatsverschuldung wird von gut 65% des BIP bis 2012 auf über 72% steigen - hart an der Grenze dessen, was Ratingagenturen für die Top-Bonität der Bundesrepublik gerade noch für akzeptabel halten. Jetzt nimmt der Drehimpuls der Schuldenspirale in Deutschland wieder zu: Auf 3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) soll das Defizit der öffentlichen Haushalte im laufenden Jahr wachsen, sogar auf 4% im Jahr darauf. Danach soll es dem aktualisierten Stabilitäts bericht der Bundesregierung zufolge wieder unter die Maastricht-Grenze von 3% fallen - allerdings nur, sofern sich die Rezession in Grenzen hält. Angesichts der weltweit dramatischen Wirtschaftslage und des sich in Windeseile verschlechternden deutschen Arbeitsmarkts dürfte das allenfalls ein Hoffnungswert sein. Die Bundesregierung glaubt eben an ihr Rettungspaket. An einen weniger optimalen Konjunkturverlauf wagen die Koalitionäre im Superwahljahr gar nicht erst zu denken.
Aber selbst wenn das Wachstum bald wieder anspringt, zeigt sich mit Blick auf die Gesamtverschuldung, wie schnell die Konsolidierungserfolge der vergangenen paar Jahre durch überraschende Steuereinbrüche und Konjunkturprogram me wieder zunichtegemacht werden können. Die Staatsverschuldung wird dem Bericht zufolge von gut 65% des BIP bis 2012 auf über 72% steigen - hart an der Grenze dessen, was Ratingagenturen für die Top-Bonität der Bundesrepublik gerade noch für akzeptabel halten. Eine Herabstufung wäre fatal, wie die Beispiele Griechenland, Spanien und Italien zeigen. Die Zinslast nähme rapide zu, der Haushaltsspielraum würde noch geringer als ohnehin schon.
Da darf jetzt nichts mehr passieren. Umso mehr verwundert angesichts dessen das Hickhack von Bund und Ländern um eine Schuldenbremse. Ohne ein solches Instrument verlöre Deutschland bei seinen Investoren und den eigenen Bürgern angesichts der Mega-Verschuldung auch noch das letzte Vertrauen. Die Länder sträuben sich gegen eine allgemeingültige Festlegung. Und auch im Bund gibt es Widerstände - vor allem bei den Wahlkämpfern: Bundeskanzlerin Angela Merkel will trotz dramatisch hoher Defizite mit dem Versprechen von Steuerentlastungen in den Wahlkampf ziehen. Eine Reform der Steuerstruktur? Ja, sie ist absolut notwendig, sogar längst überfällig. Aber eine Gesamtentlastung? Auf keinen Fall angesichts der desaströsen Haushaltslage! Würde Merkel aber zuvor eine rigide Schuldenbremse durchsetzen und dann auf eine saftige Steuerentlastung dringen - der Respekt aller wäre ihr sicher.
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Quelle: Börsen-Zeitung