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Es droht eine Welle von Kapitalerhöhungen

von Peter Köhler, Hans G. Nagl und Robert Landgraf
Europas Unternehmen haben derzeit ein Liquiditätsproblem. Der Kapitalbedarf ist riesig, doch es gibt kaum noch Wege um an frische Finanzmittel zu kommen. Banker erwarten darum eine Vielzahl von Kapitalerhöhungen im kommenden Jahr. Auch der Staat könnte Finanzmittel beisteuern.

FRANKFURT. Europa steht vor einer Welle von Kapitalerhöhungen. Die Not an Finanzmitteln zwingt Unternehmen dazu, über den Verkauf von Aktien an der Börse Geld einzusammeln. „Unternehmen laufen derzeit in ein Liquiditätsproblem hinein angesichts von fallenden Umsätzen bei teilweise hohen festen Kosten“, sagt Joachim von der Goltz, bei JP Morgan für Aktienemissionen in Deutschland verantwortlich. Nachdem im vergangenen Jahr das Emissionsgeschäft weltweit von Notkapitalerhöhungen der Banken geprägt war, dürften jetzt andere Branchen in den Vordergrund rücken.
Insgesamt erwartet Mark Pohlmann, Ko-Chef Investment-Banking der Schweizer UBS in Deutschland, in Europa im laufenden Jahr ein Volumen von rund 100 Mrd. Euro. Allerdings ist der Markt im Januar erst einmal langsam angelaufen. Nach Berechnungen des Finanzdatenanbieters Thomson Reuters wurden bislang über 21 Kapitalerhöhungen rund 1,5 Mrd. Euro platziert. Im schwierigen vergangenen Jahr war das Volumen in den ersten dreißig Tagen noch mehr als eine Mrd. Euro größer gewesen. Allerdings: Viele Manager müssten die neue, schwierige Finanzierungssituation erst begreifen, urteilt Andreas Bernstorff, Leiter Aktienkapitalmarktgeschäft der Citi in Deutschland. „Sie sind in der Realität noch nicht voll angekommen“, so der Experte. Seit September würden die Manager jedoch umdenken.
Aktuell plant die schwedische Großbank SEB eine Kapitalerhöhung, an der sich die Wallenberg-Finanzgruppe als Großaktionär maßgeblich beteiligen will. Informationen der Wirtschaftszeitung „Dagens Industri“ zufolge hat die Finanzspritze ein Volumen von mindestens 1,4 Mrd. Euro. Doch der Gang der Kreditinstitute zu den Aktionären dürfte eine Ausnahme bleiben. Zwar wird der „Kapitalbedarf der großen Banken noch zunehmen“, sagt Andreas Schreiber, Managing Director bei der Privatbank Lazard, da weitere Verluste drohten und die aufsichtsrechtlichen Anforderungen zunähmen. Doch schon im vierten Quartal 2008 seien zwei Drittel der Mittel für Kapitalerhöhungen vom Staat gekommen. Dieser Anteil dürfte sich künftig noch erhöhen.
Ganz anders sieht es bei börsennotierten Unternehmen aus. Für sie bleiben Kapitalerhöhungen oft ein wichtiger Ausweg, um an frische Finanzmittel zu kommen. So will sich der Schweizer Bergbaukonzern Xstrata über eine Kapitalerhöhung frisches Geld beschaffen und mit dem Milliardenbetrag Schulden abbauen sowie den Kauf eines Kohlevorkommens in Kolumbien bezahlen. „Der Refinanzierungsbedarf entsteht durch das Auslaufen von einem viele Milliarden schweren Markt für Commercial Papers in Europa, die eine Refinanzierung von maximal einem Jahr bieten“, sagt Bernstorff. Dazu kämen noch Eurobonds und syndizierte Kredite, die sich ihrem Laufzeitende näherten, ergänzt der Banker.
Bei syndizierten Krediten, also Darlehen, die von Banken arrangiert und dann weiterverkauft werden, spielen Auslandsbanken eine wichtige Rolle. „In manchen Fällen vereinten sie bisher bis zu die Hälfte des Volumens auf sich“, betont Stephan Leithner, Chef des deutschen Investment-Bankings und Firmenkundengeschäftes der Deutschen Bank. Doch das habe sich gedreht. „Wir sehen heute wieder eine stärkere Ausrichtung der Institute auf ihren Heimatmarkt.“ Diese Lücke lässt sich über Kapitalerhöhungen schließen. Außerdem werden nach Schätzungen der französischen Bank Société Générale bei europäischen Gesellschaften im laufenden Jahr Anleihen im Volumen von 522 Mrd. Euro fällig.
Leithner rät dazu, Kapitalerhöhungen frühzeitig anzugehen und nicht erst dann, wenn kein anderer Ausweg mehr offen sei. Sie könnten Teil einer Gesamtlösung sein, die etwa auch Anleiheemissionen umfasse. Dies haben etwa BMW und gestern auch RWE vorgemacht. Aber gerade mit Kapitalerhöhungen lassen sich „erhebliche Verschlechterungen“ im Rating verhindern, der Bonitätseinschätzung der Unternehmen, die eine Refinanzierung noch teurer machten, sagt von der Goltz.
Trotz der Emissionswelle ist die Platzierung am Markt nicht einfach. Citi-Experte Bernstorff geht allein für Deutschland von „deutlich über zehn Mrd. Euro“ aus. Deshalb erwarten Banker Kursabschläge von bis zu gut 30 Prozent gegenüber den Börsenkursen, um so eine gute Aufnahme sicherzustellen. Denn: Hedge-Fonds hielten derzeit bewusst ungewöhnlich hohe Liquiditätsquoten von bis zu 70 Prozent. Zudem fließe bei Aktienfonds das Geld immer noch ab, sagt von der Goltz. Außerdem verhielten sich Staatsfonds beim Kauf von Aktien angesichts schlechter Erfahrungen sehr wählerisch, meint Leithner.

Dieser Bericht wurde nicht geprüft. Für Richtigkeit der Angaben übernimmt Silbernews.at keine Haftung.
Quelle: » Handelsblatt.com