Brief eines Aussteigers: Time To Say Goodbye!
Vor wenigen Tagen erhielt ich einen Brief eines Börsianers, der die Hoch - und Tiefzeiten der Börsenwelt durchwatet ist und nun eine Art Abschiedsbrief geschrieben hat. Ich finde ihn so interessant, dass ich nachfragte ob ich ihn veröffentlichen darf. Ich darf. Und deshalb bedanke ich mich bei S.W. für seinen Einblick in ein Börsenleben...
Ja es wird Zeit sich zu verabschieden. Mit einem leisen Adé und nicht mit dem so verheißungsvollen „Auf Wiedersehen“ – sicher nicht, oder besser: bloß nicht! Die Geschichte ist schnell erzählt und würde im Falle eines Drehbuchs wohl niemals ausgewählt werden, mit der schlichten Begründung: „Zu unglaubwürdig“. Dabei handelt es sich um eine wahre Begebenheit. Mein Leben und die Börse.
Es begann im Jahr 1998. Im Rahmen eines normalen Bankgesprächs, kam mein Bankberater auf das Thema Aktien. Ich war seinerzeit 32 Jahre alt und erfolgreicher Jungunternehmer, der zwei Firmen gleichzeitig managte. Es bedurfte genau 3 Monate sozusagen als Einarbeitungszeit und ich wurde vom Trockenschwimmer direkt zum begeisterten Börsenhai. Von morgens 6.00 Uhr bis nachts 1.00 Uhr entdeckte ich in meiner, als solches bekannten dynamischen Art, den Reiz im großen Stil an der Börse zu spekulieren.
Innerhalb kürzester Zeit hatte ich ein siebenstelliges Vermögen gemacht und ärgerte mich täglich über mein bisher „vergeudetes“ Leben als Jungunternehmer, zumal ich doch schon viel früher und vor allem viel einfacher mein Geld hätte verdienen können. Mein privater Excel Plan mit den jährlichen Vermögenszuwächsen garantierte mir bei durchschnittlicher Entwicklung und „bescheidenem“ Erfolg eine Summe von ca. 20 Mio. DM bis zu meinem 40. Geburtstag. Das war schon was. Nun denn. Eigentlich stamme ich aus grundsoliden Verhältnissen, musste mir seit meinem 17. Lebensjahr jeden Pfennig/Cent hart und sauer verdienen und halte mich ansonsten auch für selbst-kritisch. Was mich letztlich 2000 dazu veranlasste, nun auch als zweifacher Familien-Vater der ich mittlerweile war, einen Gang rauszunehmen.
Und so entschloss ich mich am 09. März 2000, mein gesamtes Depot aufzulösen, um mich neu zu besinnen und wieder Mensch zu werden. Drei Bankberater benötigten etwa 4 Stunden um meine 264 Positionen bestmöglichst im Markt zu verkaufen. Was folgten waren Anrufe vom Bereichsleiter und vom Vorstand, mit der Bitte um ein offenes Gespräch. Man befürchtete, ich würde fremdgehen und bangte um den Umsatz von 24.000.000 EUR p.a. Ferner wurde ich mit Prophezeiungen und Prognosen überschüttet, wonach der DAX jetzt direkt auf die 10.000 und der Neue Markt mittelfristig auf die 20.000 Punkte steigen werde!!!
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Es gelang mir dennoch alle Beteiligten davon zu überzeugen, dass ich einfach nur einmal ruhig Schlafen möchte und ich unabhängig vom ganzen Stress, dem Treiben nicht mehr so recht traute. (Zu der Zeit las man in der Boulevardpresse, dass Studenten mehr als ihre Profs und Hausfrauen mehr als Ihre Ehemänner spielend an der Börse verdienen würden.) Gesagt getan. Leider war ich jedoch nicht konsequent genug, um auch meine Watchlisten mit all meinen Werten am PC zu löschen. Und so geschah es, dass ich, auch dank Macht der Gewohnheit, des abends einen Blick riskierte, was sich denn tagsüber so verändert hatte. Verhängnisvoll, denn ich musste mit ansehen, wie an jedem Tag nach meinem Ausstieg, mein nachgebildetes Depot durchschnittlich 50 – 75.000 Euro zunahm. Täglich wohlbemerkt. Doch eben leider nur am PC, denn ich war ja aus dem Spiel.
Am Morgen des 14. März war es dann soweit. Ich rief aus dem Auto auf dem Weg ins Büro meinen Banker an und teilte ihm mit, dass ich wieder zurück sei. Allerdings würden wir die Sache jetzt merklich straffen. Er würde in den nächsten Minuten ein Fax von mir mit einer Liste von 20 Positionen erhalten, die es heute noch bestens zu kaufen gilt.
Man begrüßte mich überschäumend und freute sich, dass ich mich entschlossen hatte, an der „Party“ wieder teilzunehmen und aktiv ins Geschehen einzugreifen. Damit sollte, wie sich im Nachhinein herausstellte, der größte Fehler meines Lebens seinen Lauf nehmen. Natürlich ging es am darauffolgenden Tag an den Börsen runter. Als Profi wusste ich, dass es sich um normale Gewinnmitnahmen oder eben eine kleine Korrektur auf den Anstieg der vorangegangen Tage handelte. Denkste!
Mit dem Tag meines Einstiegs hatten nahezu alle weltweiten Indizes Ihre Hochs am Vortag für die nächsten Jahre gesehen. Was folgte bezeichnete man damals, noch in Unkenntnis der Vorahnung was 6 Jahre später folgen würde, als die schlimmste Krise der Finanzgeschichte. Es war ein Crash auf Raten oder auch Salamicrash genannt. Ich habe in den zwei darauffolgenden Jahren versucht mit allen erdenklichen Mitteln dagegenzuhalten, um irgendwie aus dieser Nummer wieder einigermaßen unbeschadet heraus zu kommen. Mein Ehrgeiz ließ nicht zu, derartige Verluste kampflos hinzu-zunehmen.
Und so tradete ich mit allen möglichen Hebelprodukten auf Aktien und Indizes wie um mein Leben. Ich verschlang sämtliche Finanzmagazine und Börsenzeitungen, schaute bis nachts alle Börsensendungen, und abonnierte nahezu jeden bekannten und auch unbekannten Börsenbrief, um bei meinem mittlerweile ange-schlagenen Selbstvertrauen, nicht noch Gefahr zu laufen, mich einseitig zu verzetteln. Jedoch alles ohne Erfolg. Es folgte eine Zeit der Höchstbelastung und Anspannung. Der Verzweiflung und der Resignation. Von unbändiger Wut bis zu entsetzlicher Hilflosigkeit. Drei Jahre lang, bis eines abends das Telfon klingelte und am 27.Februar 2003 der „Margin-Call“ kam. Ich möge bitte umgehend 2 Mio. EUR Sicherheiten bringen, ansonsten würden alle meine Positionen zwangsliquidiert. Aus Angst meine Firmenkonten noch zu gefährden willigte ich ein. Kurz darauf gab es noch ein letztes „privates“ bzw. inoffizielles Telefonat mit meinem Bankberater, dem man verboten hatte noch mit mir über die Sache zu reden, und der versuchte mich mit den Worten zu ermutigen: „Kostolany sei auch schon drei mal in seinem Leben pleite gegangen“.
Ich verbrachte die Nacht im Büro bei einer Flasche Wein und dachte nach, realisierte urplötzlich meinen Verlust von 4.7 Mio. DM netto verdientes Geld, versuchte zu weinen und lauschte nur noch der Totenstille, die mich auf einmal umschlich. Jetzt wusste ich warum hin und wieder Menschen an der Wall Street aus dem Fenster springen. Nein, es stimmt nicht: Manchmal gibt es eben einfach nichts Schlimmeres…!
Mit Schulden im Nacken beschloss ich mich wieder voll auf meine Firma zu konzentrieren. Meine Hausbank verlangte von mir die Auflösung meines Depots und forderte mich auf, keine weiteren Spekulationen mittels Privatentnahmen mehr zu tätigen. Was folgte waren 2 1/2 Jahre totaler Börsenabstinenz.
Im Herbst 2005 hatte ich nach langer Durststrecke und harter Arbeit das Glück 200.000 Euro Gewinn zu verbuchen. Ich vernahm, dass der DAX bei ca. 4.300 Punkten stand und sich die damalige Baisse wieder aufzulösen schien. Hinzu kamen zu damaligen Zeitpunkt noch eine gewisse Aufbruchstimmung und eine positive Grundhaltung in Bezug auf anstehende Neuwahlen nach der Rot-Grün Regierung. Schröder schmiss hin. Die Börse reagierte positiv. Und so beschloss ich nur für eine begrenzte Zeit, einen kleinen Trade auf „sichere“ Blue Chips zu tätigen und kaufte 3 „müde“ Optionsscheine auf Daimler, Bayer und Siemens.
Nach 3 Monaten lag ich bereits 50 % vorne. Es lief wieder und ich war verliebt in den Gedanken, es könnte mir gelingen, nach allem Erlebten vielleicht einen winzigen Anteil, sozusagen als kleine Wiedergutmachung, auf meine herben Verluste, zurückzuholen. Es dauerte nicht lange und ich war, wenn auch noch mit angezogener Handbremse, wieder aktiv im Geschehen. Im Jahr 2006 musste ich mich dann einer Herzoperation unterziehen und erlitt darüber hinaus beruflich einige herbe Niederschläge. Ich versuchte mittels der Börse, sozusagen vom Krankenbett aus, etwas gegenzusteuern, was mitunter im bescheidenen Umfang auch gelang.
Im Frühjahr 2007 war es dann soweit. Der DAX notierte wieder über der 7.500 Punktemarke. Nun war meine Zeit gekommen. Ich, der wusste, dass es nicht nur eine Richtung an der Börse gibt, obgleich das gesamte Who is Who einschließlich aller B- u. C-Analysten, natürlich genau das Gegenteil propagierten und in gewohnt stoischer Art fast schon gebetsmühlenartig neue Hochs in die Welt hinaus posaunten, wollte aus meinen Fehlern gelernt haben. Getreu dem Motto: Den Menschen unterscheidet im Wesentlichen vom Tier die Fähigkeit, aus seinen Fehlern zu lernen.
Als ich alsdann vernahm, dass bereits von einer Immobilien und Subprime Krise gesprochen wurde, der Dow Jones Index zu diesem Zeitpunkt aber auf dem Weg zu seinem Allzeithoch von über 14.000 Punkten angelangt war, beschloss ich Hebel-produkte auf fallende Kurse einzusetzen. Schon längst ist ja bekannt, das man an der Börse angeblich am meisten mit fallenden Kursen verdient. Ich war mir sicher, jetzt ist es bald soweit und die Blase platzt. Fehlanzeige! Innerhalb kürzester Zeit verbuchte ich seit langem wieder herbe Verluste. Der Markt war einfach nicht runter zu kriegen, selbst dann nicht als schon in den USA das Schreckgespenst der Rezession öffentlich diskutiert wurde. Ich erlitt größere Verluste und wurde darüber hinaus noch täglich mit frohlockenden Prognosen sog. Charttrader und selbsternannter Analysten bestraft, welche mich und all Ihre Leser Glauben machen wollten, das dieser Markt sich im intakten Aufwärtstrend befindet und quasi gar nicht mehr anders kann, als zu steigen.
Dennoch war ich mir meiner volkswirtschaftlichen Kenntnisse sicher. Hier konnte es nicht, und schon gar nicht in diesem Tempo so weitergehen. Ich war zwischenzeitlich wieder auf der Verliererstraße angekommen. In meiner Verzweiflung nahm ich Kontakt mit diversen TV Sendern auf. Ich hatte das dringende Bedürfnis zu warnen. Schließlich wusste ich ja noch wie schnell man Alles verlieren kann. Ein Redakteur eines großen Privatsenders reagierte auch umgehend, verstand aber die Message nicht und war eher an meiner Story als „gescheiterter“ Privatinvestor interessiert.
Ein bekannter Börsenmoderator schrieb mir seinerzeit zurück und bestand auf die Behauptung: Es könne sicherlich bald mal wieder eine Baisse geben, aber jetzt und in absehbarer Zeit auf keinen Fall. Ich beschloss alsdann mich nicht mehr gegen den Markt zu stemmen. Leider ist man nach ein paar Jahren Börsenerfahrung auch nicht mehr frei von einschlägigen Floskeln, welche gerade bei Börsianern in unbegrenzter Vielfalt und zu jedem Anlass immer wieder gerne herumgereicht werden. Wie bspw. „the trend is your friend“ oder „don’t fight the trend“. Nun gut ich war offensichtlich der einzig dumme Ignorant, was mir natürlich auch täglich von den Düsseldorfern und Frankfurtern in Ihren allmorgendlichen Börsenbriefen vermittelt wurde. Also beschloss ich der Party noch ein bisschen beizuwohnen und zu versuchen, einen Teil meiner Verluste wieder wett zu machen. Aber was war das?
Unmittelbar darauf an Pfingsten, der DAX markierte bereits über 8.000 Punkte, kam es plötzlich zu einem empfindlichen Rücksetzer, der ja laut Beschreibung und Definition der Jungs vom „Göttermodus“ (Börsenforum) gar keiner sein darf und vielleicht auch gar keiner war..?! Es dauerte nicht lange und die Abwärtsspirale nahm unweigerlich wieder ihren Lauf. Da kam ich nun wieder nicht vor und nicht zurück. Nur meine Ersparnisse kannten eine Richtung- nämlich die nach unten. Und jetzt kommt die Antwort auf die wohl entscheidendste Frage, die sich an dieser Stelle jeder Erwachsene stellt: Gab es denn Niemanden, der das mögliche Ende der Hausse begriffen und dementsprechend danach gehandelt hat, indem man es einfach nur für möglich gehalten oder bestätigt hätte. NEIN- NIEMAND! Und ich kenne so gut wie alle. In Wellenbewegungen ging es nach unten und selbst die erfahrensten, wenn auch nicht immer klügsten Börsenveteranen, prophezeiten eine, wenn überhaupt nur kurzfristige Korrektur von ein paar Punkten, ein reinigendes Gewitter sozusagen, mehr nicht.
Nachdem ich bereits 50 % Verluste eingefahren hatte, war ich wieder mitten im Börsendschungel angekommen. Den Markt zu handeln war nicht möglich. Für niemanden. Auf grund der starken Schwankungsbreite in allen Anlageklassen wurde jeder über seine Stop-Kurse früher od. später rausgekegelt. Und das sollte auch noch eine ganze Weile so andauern. Im Frühjar 2008, die Finanzkrise tobte bereits weltweit und eine Rezession schien unausweichlich, machte ich alsdann meine bisher schmerzhafteste und zugleich lehrreichste Erfahrung. Nachdem jetzt jedem klar war, dass die weltweite Nachfrage zusehends abnimmt, konnte ein Ölpreis von 100 USD ja nicht ganz zeitgemäß sein. (Jeder Börsianer weiß, was jetzt kommt) Ich beschloss noch etwas abzuwarten und die nächstfolgende Schwankung im Rohöl zum Einstieg in eine Shortposition (also auf einen fallenden Ölpreis) zu nutzen.
Eine in der Sache logisch und vor allem richtige Entscheidung, wie heute unstrittig feststeht. Doch dann erlebte ich über drei Monate hinweg das gesamte Repertoire an Verwerfungen, Manipulationen und Fehlprognosen, und zwar von allen Seiten der Finanzwelt.
Der Allgemeinheit wurde mehrmals täglich vermittelt, dass es trotz starkem Nachfrage-rückgang, urplötzlich kein Öl mehr auf der Welt gibt. Peak Oil war von allen Seiten zu hören und zu lesen. Die angeblich bekanntesten Rohstoffexperten propagierten einen Ölpreis von 200 USD /Barrel! Ja die Autofirmen waren allesamt wohl zu blöde zu erkennen, das quasi über Nacht das Öl ausgegangen war. Die Weltwirtschaft schrumpfte schneller als man die Prognosen nach unten korrigieren konnte, aber die OPEC hat Ihre Kapazitäten überschritten und deshalb gibt es ab sofort nur noch Lieferengpässe.
Ich muss an dieser Stelle betonen dass ich seinerzeit entsetzt und heute nicht minder enttäuscht darüber bin, dass selbst erfahrene Börsianer und Analysten, aktiv und bewusst dazu beigetragen haben, diesen hanebüchenen Schwachsinn, öffentlich zu verbreiten. Bei jedem Zitat des Iranischen Präsidenten, bei jedem Sturm, der gleich ein Hurricane zu werden drohte, bei jeder Lärmerei in der Nähe einer Bohrinsel in Nigeria, und überhaupt bei allem was vielleicht dazu beiträgt den Ölpreis in die Richtung von 150 – 200 USD zu schieben, wurde das Ende des Ölzeitalters bzw. der Beginn der größten Ölkrise ausgerufen. Und wenn das alles nichts half, meldeten sich zu guter letzt manchmal sogar mehrmals täglich die Experten der bekanntesten Investmentbanken, von denen heute m. E., zum Wohle der Menschheit, kaum noch eine überlebensfähig ist, zu Wort und begründeten für jeden Moderator und Kommentator glaubhaft, eine Verknappung im Ölmarkt.
An dieser Stelle sei gesagt, dass ich es äußerst verwerflich finde und aufs Schärfste kritisiere, dass es überhaupt möglich ist, mit einem lebens-wichtigen Rohstoff, derartige Spekulationen oder besser gesagt Manipulationen, zu betreiben. Letztlich dürfte heute jedem klar sein, dass somit aufgrund der Gier einer Minderheit, ein Rohstoff in Kettenbriefmanier künstlich hochgetrieben wurde, und oder gerade um die Welt somit in eine üble Rezession zu stürzen. Meine Verachtung richtet sich in diesem Zusammenhang auch ganz klar an die Vielzahl der Börsenforen und Analysten, die sich dank der naiven und teilweise vorsätzlichen Verbreitung von meinungsmachenden und kurstreibenden Berichten der Mittäterschaft schuldig gemacht haben. Ein Unding, das bisher in den Medien hierüber noch kein Wort verloren wurde. Ich habe heute noch Ausdrucke von Artikeln und Berichten von „Experten“ zu dem Thema, die sich allesamt angesichts des heutigen Ölpreises von 35 – 40 USD, wie im Zeugenschutzprogramm einer Gesichtsoperation unterziehen und eine neue Identität zulegen sollten, damit sie bis an ihr Lebensende unerkannt bleiben.
Die Sache gipfelte noch indem der damalige US Finanzminister Paulson (ehemaliger Hedge-Fondmanager) und andere hochrangige Politiker, öffentlich verkündeten, dass es sich hierbei um keine Spekulation am Ölmarkt handle. Nun denn. Nachdem ein Ölpreis von 150 USD und darüber also tatsächlich schon dem geistigen Allgemeingut angehörte, warf ich das Handtuch und verließ mit herben Verlusten bei 145,- USD das Spielfeld. Eine Woche später kannte der Ölpreis nur noch eine Richtung nach unten, um 7 Monate nach seinem Hoch im Juli 2008 , 70% tiefer zu stehen.
Heute gibt es soviel Öl, das keine Lagerkapazitäten ausreichen, um das Überangebot an Rohöl unterzubringen. Aber dieses Beispiel, von dem es eine Unzahl gibt und das einem so richtig die Vorstellung von Börse, wie sie heutzutage gelebt und gespielt wird, vermittelt, sollte jeden nachdenklich stimmen. Denn hier sind der Skrupellosigkeit keine Grenzen gesetzt.
Mittlerweile haben wir Ende Februar 2009. Die weltweiten Aktienidizes stürzen regelrecht ab. Banken werden weltweit verstaatlicht, Regierungen geraten in Schieflage, viele Menschen machen zum ersten Mal Bekanntschaft mit einer Billion und erleben eine galoppierende Entwertung ihres Vermögens und Ihrer Ersparnisse. Deutschland beginnt Verluste zu verstaatlichen und ist auf dem besten Weg zum Sozialismus. Das System Kapitalismus wird ad absurdum geführt und eliminiert sich selbst. Alles nur ein reinigendes Gewitter? Wohl kaum. Der Scherbenhaufen ist jetzt schon so groß, dass es Generationen andauern dürfte, die entstandene und künftige Verschuldung abzubauen.
Auch ich werde lange brauchen, meine sich mittlerweile angehäuften Schulden abzubauen. Ich weiß: Mein Geld ist nicht weg. Es hat jetzt nur ein anderer. Nur wer? Geld löst sich nicht in Luft auf und verbrennt auch nicht. Nein, ich zähle mich nicht zu den Weltuntergangspropheten. Und letztlich wird alles wieder ins Lot kommen, weil es immer weiter geht. Nur sollten bestimmte Dinge besser geändert werden. Und hier kommt mein Appell an alle Privaten, nach elf Jahren Börsenerfahrung, damit es vielleicht doch noch einen Sinn gehabt hat, mehrmals den gleichen dummen Fehler begangen zu haben.
Halten Sie sich von der Börse fern! Ja, das ist jetzt ernst gemeint. Die Idee einer Beteiligung an einem Unternehmen, mittels Anteilsschein, sprich Aktie, gibt es so nicht mehr. Alle Konzerne sind nur noch von Ihren Großinvestoren getrieben und genötigt, maximale Renditen vorzuweisen. Was unweigerlich dazu führt, dass teilw. falsche oder geschönte Informationen in der Öffentlichkeit lanciert werden. Die Manager unterstehen dem Primat der Gewinnmaximierung. Nur kein Unternehmen kann stetig und immer schneller wachsen. Die Börse ist das Hütchenspiel der Banker und Analysten. Erst macht man Sie glauben, dass Sie gewinnen können und zum Schluss sind Sie doch nur Kanonenfutter, um den Großen den Ausstieg zu ermöglichen.
Natürlich kennt jeder Leute die an der Börse Geld verdienen oder schon mal verdient haben. Im Casino gehen auch täglich Leute mit mehr Geld raus, als sie mitgebracht haben. Nur das Ziel einer jeden Spielbank ist es die Spieler so lang es geht am Tisch zu halten und ihnen so viel als möglich von Ihrem Geld abzunehmen. Niemand wird Ihnen etwas schenken. Und ebenso verhält es sich an der Börse. Kostolanys These, Aktien zu kaufen und Schlaftabletten zu nehmen gilt heute leider nicht mehr. Es kann Ihnen passieren, dass sie wie jüngst und vor sechs Jahren inmitten eines Crashs oder einer Baisse aufwachen und keine Zeit mehr haben Ihre Altervorsorge oder Ihr Erspartes wieder wachsen zu sehen. Wenn Sie es dennoch nicht lassen können an der Börse zu spekulieren dann sollten Sie unbedingt Folgendes beachten:
Achten Sie strikt auf Empfehlungen von Ihrer Hausbank oder Ihrem Anlageberater und begegnen Sie denen mit absolutem Misstrauen. In der Regel sind vorgenannte Personen angehalten bestimmte Produkte zu empfehlen und aktiv zu verkaufen. Sie folgen in diesem Moment einer Hauptströmung und werden teil des Ganzen. Niemand wird Sie anrufen, wenn das Fass voll ist und keine weiteren Käufer mehr folgen. Denn zu dem Zeitpunkt hätten Sie bereits wieder abspringen müssen. Jeder kennt die Internet, Biotech, Solar oder Rohstoffblase, um nur ein paar zu benennen. Die Börse funktioniert überhaupt nur noch mittels Blasenbildungen. Die nächste Blase ist bereits in Vor-bereitung, wir kennen Sie nur NOCH nicht. Aber es ist sicher, das Sie kommt. Und ebenso sicher wird auch diese Blase wieder „unverhofft“ zerplatzen und unzählige Kleinanleger in ihr Verderben stürzen.
Folgen Sie nicht irgendwelchen sogenannten Analysten. Der Beruf Analyst ist nicht geschützt. Jeder kann sich so nennen. Das besagt nichts über eine Qualifikation. Ich habe bis heute niemanden kennen gelernt, der Hellsehen oder das Marktgeschehen beeinflussen kann. Im Gegenteil. Sie laufen u. U. sogar Gefahr, für einseitige und eigennützige Zwecke in eine Richtung gelenkt zu werden. Im Nachhinein übernimmt auch keiner die Verantwortung für Fehleinschätzungen und falsche Prognosen.
Retrospektiv wissen aber ausnahmslos alle Analysten, die ich kenne immer genau warum etwas so ist wie es ist oder warum nicht. Nur das nützt Ihnen im Nachhinein reichlich wenig. Dann ist Ihr Geld schon weg. Unpräzise, oder halbherzige Empfehlungen sind sowieso nichts wert. Fast alle Analysten neigen dazu sich alle Eventualitäten offen zu halten, indem Sie so tun, als würden sie nur laut nachdenken. Ich kenne Niemanden, der zugibt wirklich daneben gelegen zu haben. Ferner berufen sich viele Börsen-briefautoren auf Ihre langjährige Erfahrung. Dazu kann ich nur sagen: Nichts ist schnelllebiger als die Börse. Keine Zeit ist wie die andere. Was nützt Ihnen die Erfahrung Ihres Großvaters im Straßenverkehr aus einer Zeit in der es nur 20% der heutigen Verkehrsdichte gab. Grundsätzlich haben Sie bei jeder Entscheidung eine 50 % Chance. Wenn Sie einem oder mehreren Analysten folgen verringern Sie Ihre Chancen womöglich, weil Sie permanent in eine andere Richtung gelenkt werden und letztlich unsicher und verwirrt sind.
Reden wir über die Charttechnik. Mein Lieblingsthema. Es gibt Leute, die tatsächlich glauben, wenn ein Flugzeug in einen Tower stürzt und daraufhin eine Veränderung eintritt, dass dies mit der Charttechnik und/oder einem Chart einhergeht. Grundsätzlich muss es mal gesagt sein: Charttechnik ist eigentlich nichts anderes als Kaffeesatz-leserei. Ja, auch ROSS; Elliot Wave und alle anderen. Zumeist wird einfaches Monitorieren völlig überfrachtet als Analytik verkauft. Da aber die meisten Börsianer sich mittlerweile dieser Methode bedienen, kann sie auch einfach instrumentalisiert werden. Nur gerade deshalb ist die Charttechnik heutzutage sehr gefährlich und m. E. fast gänzlich unbrauchbar geworden, weil sie nämlich mittlerweile genauso häufig daneben liegt und für eigene Zwecke missbraucht werden kann.
Ich kenne wirklich viele Charttechniker und ich bin immer wieder aufs Neue fasziniert, wie man es auf kreative Weise versteht, im Nachhinein einen Fehlausbruch, also genau das Gegenteil der vorhergesagten Prognose, erklärlich zu machen. Also vergessen Sie den Unsinn. Keiner kann anhand von Kurven vorhersehen was und wie es kommt. Leute die das Gegenteil behaupten sind mit Vorsicht zu begegnen. Ich habe übrigens anfänglich die größten Verluste dank der Empfehlung von Charttechnikern erlitten. Das ist Fakt! Und wenn sie so erfolgreich wären, dann würden sie sich nicht auf irgendwelchen Foren um Kopf und Kragen schreiben, nur um auf sich aufmerksam zu machen.
Falls Sie selbst Trader sind, dürften Sie schon Ihre einschlägigen Erfahrungen mit Kursmaklern und Emittenten gemacht haben. Ich habe manchmal bis zu 300 Trades im Monat und mehr getätigt und es verging keine Woche in der ich mich nicht immer wieder gefragt habe, ob man mit seinen Kindern eine Kneipe betreten würde, von der man weiß dass es in ihr jeden Abend eine zünftige Schlägerei gibt. Nein man würde sich und andere wohl kaum in derartige Gefahr begeben. An der Börse schon. Und daher musste ich unzählige Male miterleben und tatenlos zusehen, wie Kurse gar nicht, verspätet oder unfair gepreist wurden. Ich habe zigtausende von Euros verloren, weil Makler erst für sich und dann teurer weiterverkauft haben. Teilweise ist es mir gelungen, im Falle von fragwürdigen Ausführungen mich bei den jeweiligen Börsenbetreibern oder deren Aufsicht zu beschweren. Aber das gleicht einer Beschwerde bei einem großen Telekom-unternehmen. Ein nahezu aussichtsloses Unterfangen.
Leerverkäufer. Das wohl interessanteste oder besser gesagt aufregendste Thema überhaupt. Im Jahr 2002 habe ich seinerzeit das Finanzministerium angeschrieben und vorgeschlagen, man möge doch zumindest öffentlich in die Debatte über Leerverkäufer bzw. Hegde-Fonds einsteigen. Damals, so wie heute versuchte man ebenfalls der Finanzkrise Herr zu werden, ohne jedoch einige strukturelle Systemfehler bei der Wurzel zu packen. Herr Steinbrück erhielt von mir kürzlich den gleichen Brief, zumal man heute davon ausgehen sollte, dass mittlerweile auch noch weitere Politiker, außer dem klugen Altkanzler Helmut Schmidt, mit dem Begriff Leerverkäufer etwas anfangen können.
Zur Definition: Leerverkäufer sind Spekulanten, die etwas verkaufen, das sie gar nicht besitzen. Vereinfacht erklärt, leiht man sich Aktien bei einer Bank, um diese dann im großen Stil zu verkaufen. Wenn dann die Kurse wegen des großen Verkaufsdrucks weit genug gefallen sind, kauft man die Aktien billiger zurück, um sie der Bank wieder zurück-zugeben. So kann es durchaus passieren, dass selbst gesunde Konzerne ohne triftigen Grund in Schieflage geraten. Pikanterweise verdienen die Banken am Verleih der Aktien auch noch Geld (Leihgebühr). Hier bedarf es dringend gesetzlicher Änderungen. Bspw. sollten Aktieninhaber nach ausdrücklicher Aufklärung, schriftlich um Einwilligung ersucht werden, ob ihre Aktien an Dritte verliehen werden dürfen. Ich glaube keine Privatperson würde zustimmen, dass eigene Aktien verliehen werden, nur mit dem Zweck der Kursminderung, und schon gar nicht ohne einen geldwerten Vorteil. In einigen Ländern sind Leerverkäufer übrigens grundsätzlich verboten.
Die Finanzwelt ist zu einem weltweiten Kettenbrief mutiert. In fast allem wird spekuliert, wie es verharmlosend immer wieder bezeichnet wird. Ob in Lebensmittel, Rohstoffe aller Art, neuster Trends und Technologien. Wenn man Glück hat, kann man vielleicht eine Zeit lang auf der ein oder anderen Welle mitschwimmen. Das Problem ist nur, dass wir alle unter derselben Krankheit leiden. Der Halskrankheit - denn wenn es läuft kriegen wir alle den Hals nicht voll. Ich habe mehr Zeit mit und an der Börse verbracht, wie ein Beamter in 20 Dienstjahren. Ich habe mehr Finanzlektüre gelesen als der gesamte Brockhaus umfasst.
Das Verhältnis von kurzzeitigem Erfolg gegenüber Frustration und Sorgen war stets negativ und in der Summe habe ich monatelange schlaflose Nächte gehabt. Ich habe unzählige Erfahrungen gesammelt und ebenso unzählige Fehler gemacht. Für mein Tun und Handeln war und bin ausschließlich nur ich verantwortlich gewesen. Wenngleich es oftmals größter Anstrengungen bedurfte, sich der Meinung Anderer zu entziehen, die von sich in Anspruch nehmen irgendetwas zu wissen, was nur sie zu kennen scheinen. Ich kenne auch niemanden der in den letzten Jahren an der Börse auf Dauer bzw. nachhaltig Geld verdient hat, aber ich kenne viele die vorgeben es zu können. Natürlich bin ich nicht so naiv zu glauben, dass eine Wirtschaft auch ohne Aktien und Börse funktioniert. Nur der entscheidende Punkt ist inwieweit man als Privatperson glaubt, aktiv Einfluss nehmen zu können und erfolgreich davon partizipieren zu können.
Ich wünsche mir, dass all diejenigen, die meine Zeilen gelesen haben, sich objektiv prüfen und sich mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit das Vorgetragene mit den eigenen Erfahrungen übereinstimmt. Ich habe verloren. Zu viel. Lassen Sie nicht zu, dass es Ihnen eines Tages genauso ergeht. Lassen Sie die anderen ihr Spiel spielen. Sie, als Privatperson können auf Dauer nur verlieren. Glauben Sie mir. Das ist so!
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Quelle: » Frank-Meyer.eu
» 06.03.09 US-Abgeordneter: "Bei AIG-Pleite Finanzko