Bernanke hat die Lösung – für die Zukunft
US-Notenbankchef Ben Bernanke sieht in der Machtfülle der großen Finanzinstitutionen die Ursache für die globale Wirtschaftskrise. Es sei ein „enormes Problem“, dass ihr Kollaps das gesamte Finanzsystem mit in den Abgrund reißen könne. Als Konsequenz verlangt er eine Verschärfung der Finanzaufsicht, um eine Wiederholung auszuschließen. Auch IWF-Chef Strauss-Kahn sieht die Politik unter Zugzwang.
HB WASHINGTON. Eine verstärkte Überwachung solle verhindern, dass Zusammenbrüche großer Finanzinstitute das gesamte System bedrohen, sagte Bernanke am Dienstag in Washington. Zudem müssten die Regularien für die gesamte Finanzinfrastruktur so gestärkt werden, damit sie auch Krisensituationen überstehen kann. Die Vorgaben für die Geldbranche dürften zudem nicht Auf- oder Abschwünge der Wirtschaft künstlich verschärfen, forderte Bernanke. Die führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20) sollten sich daher beim Finanzgipfel in London Anfang April auf den internationalen Aspekt der Finanzkrise konzentrieren.
Hätte es die Krise schon vor zwei oder drei Jahren gegeben, „würden wir heute besser dastehen“, sagte der Zentralbankchef. Das Risikomanagement des Privatsektors und der Behörden in den USA und anderen Industrieländern habe nicht dafür gesorgt, dass hereinströmendes Kapital umsichtig investiert werde. Dies sei „ein Versagen gewesen, das zu einer mächtigen Umkehr der Stimmung unter Investoren und zum Einfrieren der Kreditmärkte führte“.
Bernanke unterstrich seine Einschätzung, nach der eine baldige Gesundung der Wirtschaft von der Erholung des Finanzsektors abhänge. Funktioniere das Bankenwesen bald wieder normal, gebe es eine gute Chance, dass die Rezession noch in diesem Jahr Ende und die amerikanische Wirtschaft 2010 wieder wachse.
Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn. Erst im ersten Halbjahr 2010 und damit später als von vielen Regierungen erhofft rechne er mit einem Aufschwung, sagte Strauss-Kahn der „Süddeutschen Zeitung“. Für Europa allein erwarte er ein BIP-Minus von bis zu 2,5 Prozent in 2008. Strauss-Kahn sprach sich für großzügigere Konjunkturprogramme aus. Zudem komme die Stabilisierung der Banken nicht schnell genug voran. In Hinblick auf Deutschland hält er das hiesige Konjunkturprogramm für „in Ordnung“. „Aber bei der Bankenrettung muss Deutschland, wie andere Länder auch, viel aggressiver vorgehen.“
Auch Großbritannien fordert angesichts immer düsterer Konjunkturprognosen ein verstärktes Engagement Europas im Kampf gegen die Rezession. „Im Angesicht des schärfsten weltweiten Abschwungs seit Generationen müssen die Regierungen bereit sein, mehr zu tun“, schreibt der britische Finanzminister Alistair Darling in einem Gastbeitrag für den „Guardian“. Nach Einschätzung der EU-Kommission wird die Krise bis 2010 andauern. Dennoch schloss die Eurogruppe weitere Konjunkturpakete vorerst aus.
Er glaube, „dass eine allmähliche Erholung erst 2010 eintreten wird“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Joaquín Almunia am Montagabend. Noch im Januar hatte die Kommission prognostiziert, der Konjunkturmotor werde Mitte dieses Jahres wieder anspringen. Die Staaten der Währungsunion lehnten weitere Konjunkturpakete dennoch ab. „Wir meinen nicht, dass wir jetzt Defizit auf Defizit häufen sollten“, erklärte der Eurogruppen-Vorsitzende, der luxemburgische Finanzminister und Regierungschef Jean-Claude Juncker, mit Blick auf die steigende Staatsverschuldung in Europa. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommen auch führende Ökonomen in Deutschland.
IWF-Chef Strauss-Kahn warnte zudem vor den Folgen der ersten weltweiten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg für Afrika. Auch wenn die Finanzkrise den Kontinent nur langsam erreicht habe, seien die Auswirkungen schlimm, erklärte er. Die reichen Länder dürfen angesichts der eigenen wirtschaftlichen Probleme Afrika nicht vergessen. Mio. Menschen würden dort durch die Krise in die Armut zurückgeworfen, die fragilen politischen Systeme seien bedroht. „Es geht nicht nur darum, Wirtschaftswachstum und Haushaltseinkommen zu sichern. Es geht auch um die Gefahren sozialer Unruhen, vielleicht sogar um Krieg“, sagte Strauss-Kahn auf einer Konferenz in Tansania. Das Wachstum in der Region wird 2009 Schätzungen zufolge auf drei Prozent sinken, nur halb so viel wie in den letzten fünf Jahren. Selbst diese Prognose sei vielleicht zu optimistisch, warnte der IWF-Chef. Am Sonntag hatte die Weltbank erklärt, die Entwicklungsländer benötigten zur Bewältigung der Wirtschaftskrise bis zu 700 Mrd. Dollar.
Strauss-Kahn hält überdies weitere Verluste im Finanzbereich für möglich. Ein Teil der Risiken sei noch immer nicht aufgedeckt. Das schaffe erhebliche Verunsicherung. Fest steht nach seinen Worten bislang nur, „es wird eine große Summe werden“. Im Bankenbereich sei das Kernproblem, die Bilanzen der Institute zu säubern. Dazu gebe es verschiedene Wege. Für bestimmte Banken in bestimmten Ländern könne das die Verstaatlichung sein. Den Europäern warf der IWF-Chef schwere Mängel bei den Rettungsbemühungen für die Kreditinstitute vor. Wenn die EU-Finanzminister zusammensäßen, sei man sich immer sehr schnell einig, dass man schnell handeln wolle. Sei man aber dann zu Hause, werde dieser Prozess plötzlich langsam. Die Koordination auf europäischer Ebene sei „richtig schlecht“.
Der Fed-Chef Bernanke nannte es ein „enormes Problem“, dass manche Finanzinstitutionen so groß und mächtig geworden seien, dass ihr Zusammenbruch das gesamte Finanzsystem mit in den Abgrund reißen könnte. Solche Institute müssten in Zukunft besser überwacht werden.
Die vorgeschlagenen Schritte könnten Finanzkrisen in Zukunft nicht völlig verhindern, räumte Bernanke ein. Sie seien aber ein Beitrag, damit Turbulenzen seltener auftreten und weniger heftig ausfielen. Dies werde helfen, dass die nationale wie auch die internationale Wirtschaft in Zukunft besser funktionierten.
Im November hatte der Welt-Finanzgipfel in Washington wenige Wochen nach Ausbruch der Krise einen Aktionsplan entworfen, der nun ausgestaltet werden soll. Die europäischen Mitglieder der G20-Gruppe haben sich im Februar auf konkrete Vorschläge für eine Runderneuerung der globalen Finanzordnung verständigt. Demnach sollen unter anderem Hedgefonds und Rating-Agenturen einer direkten Aufsicht unterstellt werden. Darüber hinaus sollen für die großen weltweit operierenden Finanzunternehmen internationale Aufsichtsgruppen gebildet werden.
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Quelle: » Handelsblatt.com