Sind die Banken noch zu retten?
Von Christian Siedenbiedel
Es ist die größte Rettungsaktion in der Geschichte der Weltwirtschaft: Seit mehr als zwölf Monaten kämpfen die Regierungen rund um den Globus mit unvorstellbar großen Summen gegen den Kollaps ihrer Banken. Aus Milliarden sind längst Billionen geworden. Ein Hilfsprogramm jagt das nächste. Bislang mit wenig Erfolg.
Die ersten Rettungstöpfe sind jetzt aufgebraucht. Der amerikanische Fonds, ursprünglich mit 700 Milliarden Dollar ausgestattet, sei so gut wie leer, meldete Finanzminister Tim Geithner in der vergangenen Woche. Und in Deutschland hat der Rettungsfonds Soffin immerhin rund 150 Milliarden Euro für Kapitalspritzen und Garantien an Banken verteilt.
Je länger die Rettungsaktion dauert, desto lauter werden Stimmen der Kritiker: Sind die Banken überhaupt zu retten? Und: Wer soll das alles einmal bezahlen? Woche für Woche notiert etwa der Bund der Steuerzahler akribisch die immer gewaltigeren Geld-Wünsche auf einer Liste. Eine abgeschlossene Rettungsaktion kann er noch nicht verzeichnen. Die einen Banken hängen am Tropf des Staates, die anderen fahren ihre Kredite auf ein Minimum zurück. Eine Branche, die über den Berg ist, sieht anders aus.
„Wir sind noch nicht durch“, klagt Steinbrück
Selbst Finanzminister Peer Steinbrück zog am vergangenen Dienstag auf dem Rettungsgipfel in Berlin ein eher ernüchterndes Fazit. "Wir sind noch nicht durch", sagt er. Die Rettungsbilanz seines amerikanischen Kollegen Geithner fiel nicht viel besser aus. Zwar bietet Goldman Sachs als erste Wall-Street-Bank an, nach einem Milliardengewinn ihr Staatsgeld zurückzuzahlen. Zugleich aber ist das Misstrauen der Banken untereinander weiter extrem groß, genau wie das der Investoren.
Kein Zweifel: Ausgerettet ist noch nicht. "Der Patient darf jetzt aus dem Operationssaal heraus, muss aber auf der Intensivstation bleiben", sagt der Darmstädter Bankenprofessor Dirk Schiereck: "Und ich fürchte, das wird auch noch eine Weile so bleiben."
Die beste Voraussetzung für eine Genesung der Banken wäre eine Erholung des Immobilienmarktes in Amerika - dort, wo die Krise begann. Gewisse Zeichen, dass die Lage sich entspannt, gibt es. "Die meisten Prognosen sehen eine Stabilisierung der Preise Ende dieses Jahres oder Anfang nächstes Jahr vor", sagt Deutsche-Bank-Volkswirt Thomas Mayer. Allerdings mussten mehrfach zu optimistische Prognosen im Nachhinein korrigiert werden: "Die Unsicherheit ist weiterhin groß."
Die Politiker doktern an Symptomen herum
Solange es nicht gelingt, die Ursachen der Krise zu bekämpfen, müssen die Politiker an Symptomen herumdoktern. Die ersten Schritte der Bankenrettung waren Nothilfe pur. Nach dem Schock der Lehman-Pleite garantierte Kanzlerin Angela Merkel die Sparguthaben aller Deutschen. Keiner wusste, wie das funktionieren sollte. Trotzdem war es ein Erfolg: "Immerhin hat es keinen Sturm auf die Bankschalter gegeben wie in England bei Northern Rock", sagt Bankenprofessor Schiereck.
In der zweiten Stufe der Bankenrettung gab es Geld. Der staatliche Rettungsfonds Soffin unterstützt seit Ende vorigen Jahres Banken mit Garantien und Geldspritzen. Später stieg er bei Commerzbank und HRE als Aktionär ein. Trauriger Höhepunkt dürfte die Enteignung der HRE-Aktionäre werden. Zu rechtfertigen waren diese Schritte nur mit dem Argument des "systemischen Risikos": Wenn eine Bank pleitegeht, kippen alle, behaupten die Politiker. Zumindest das haben sie verhindert.
Jetzt kommt Stufe drei der Bankenrettung. Und viele Wissenschaftler schlagen Alarm. "Wir stehen an einem Scheideweg", sagt der Frankfurter Wirtschaftsprofessor Jan-Pieter Krahnen. Auch seine Kollegen, vom Münsteraner Ulrich van Suntum bis zur Wirtschaftsweisen Beatrice Weder di Mauro, warnen, Berlin könne jetzt große Fehler machen.
Den Finanzschrott in Bad Banks entsorgen
Weil alle Rettungsversuche nicht die gewünschte Wirkung hatten, will die Bundesregierung nämlich zu härteren Mitteln greifen. Die Banken sollen ihren Finanzschrott, der trotz aller Rettungsprogramme noch in ihren Bilanzen steckt, in sogenannte Bad Banks entsorgen. Diese eigens dafür gegründeten Institutionen sollen die ganzen gefährlichen Wertpapiere übernehmen - und sie möglichst professionell abwickeln. Der Vorteil für die Bank: Sie kann sich wieder auf das relativ gesunde Geschäft konzentrieren. "Die Grundidee ist nicht schlecht", sagt Ökonom van Suntum. Das Verfahren ist erprobt, so ähnlich machte man es in Schweden 1992.
Der heikle Punkt: Der Steuerzahler soll nach den Plänen der Regierung eine Garantie für unerwartet hohe Verluste aus den Schrottpapieren übernehmen. Abgerechnet wird erst am Ende der Laufzeit, also in 15 oder 20 Jahren. Damit schließt man die kritischen Papiere gleichsam für einige Jahre weg. Und verschiebt die Lösung der Probleme in die Zukunft. Ein äußerst umstrittener Weg: Kritiker wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) fordern: Der Staat solle den Banken die Schrottpapiere in irgendeiner Form abkaufen - dann wüssten beide Seiten wenigstens, was auf sie zukommt.
„Natürlich muss der Steuerzahler das Risiko tragen“
Zwar versichert Finanzminister Steinbrück, anders als ein Aufkauf der Schrottpapiere koste eine Garantie den Steuerzahler kein Geld. Er meint aber wohl: Es kostet heute noch kein Geld, aber vielleicht bald. "Natürlich muss letztendlich der Steuerzahler das Risiko tragen, dass die Garantie gezogen wird - das ist der Sinn einer solchen Garantie", sagt Bankenfachmann Krahnen. Das kann teuer werden: Auf immerhin rund 853 Milliarden Euro schätzt die Bankenaufsicht den Wertpapier-Schrott.
Vor allem aber bringt die neue Art der Bankenrettung eine große Gefahr mit sich: Banken, die eigentlich kein Geschäftsmodell haben, bekommen eine kräftige Finanzspritze. Sie können sich mit staatlicher Garantie Geld beschaffen - ohne dass sie höhere Zinsen zahlen müssen, wenn sie es riskant einsetzen. Das schafft einen Anreiz, wild damit zu spekulieren. Ökonomen wie Krahnen meinen deshalb: "Wenn das durchkommt, ist nach der Krise vor der Krise."
Text: F.A.S.
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Quelle: » http://www.faz.net
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