Achtung, Zeitbomben!
Wir werden in letzter Zeit von verschiedenen Seiten mit unerträglichen, weil unverständlichen Zahlen sowie mit Aussagen von Zentralbankern, Politikern und Konzernchefs überschüttet. Dahinter steckt Methode - Anlass genug, den Dingen auf den Grund zu gehen. Was, bitteschön, hat die Senkung des EZB-Leitzinses um einen viertel Punkt auf 1 Prozent zu bedeuten, obwohl die meisten sog. Experten mit einem halben Punkt gerechnet haben? Welche Aussagekraft hat die Hochrechnung des Defizits der Bundesanstalt für Arbeit (BA) auf 55 Mrd. Euro bis 2013? Was sagt uns der Stresstest der US-Banken, von denen 10 aus 19 ihn nicht bestanden haben. Welcher Teufel reitet Finanzminister Steinbrück, auf die aussterbende Spezies der Steuerhinterzieher einzudreschen, unseren Nachbarn Schweiz zu beleidigen und die Wiedereinführung der fast bedeutungslosen Börsenumsatzsteuer zu fordern? Und warum fällt Allianz-Chef Diekmann als Trost für die Aktionäre zum fehlgeschlagenen Einstieg seines Vorgängers ins Bankgeschäft bestenfalls ein so schlapper Satz ein wie "Ich bedaure, dass wir unseren strategischen Plan mit der Dresdner Bank nicht verwirklichen konnten"?
Die Analyse all dessen führt zu einem ernüchternden Fazit. Der viertel Punkt der EZB sagt weniger aus als die Konjunkturhoffnung signalisierende Miene ihres Chefs Trichet. Das BA-Defizit in vier Jahren könnte je nach Arbeitslosenzahl auch doppelt oder halb so hoch sein. Die Pleiten der Banken in den USA werden, nachdem 25 von ihnen im Zuge der Finanzkrise bereits bankrott gegangen sind, auch ohne den Stresstest zunehmen. Steinbrück könnte sich, was aus SPD- und Gewerkschaftskreisen ja schon längst gefordert wird, ebenso für die drastische Beschneidung von Managergehältern, für den Lohnsteuerbonus und für eine Reichen-Zwangsanleihe einsetzen, dennoch würden die Bundesbürger ihm das vor allem als Wahlkampfgetöse abnehmen. Und Diekmann hätte den Allianz-Aktionären sein Bedauern noch so sehr zum Ausdruck bringen können, den vermeintlichen Anlegerschützern unter den Opponenten wäre in der Hauptversammlung so oder so nichts Besseres eingefallen, als Phrasen zu dreschen.
Das Ganze spielt sich in einer Konstellation ab, die so bedenklich ist, dass Sie die Folgen auch für Ihre Finanzen spüren werden, falls Sie nicht höllisch aufpassen. Diese Konstellation bedeutet: Politiker, die Chefs internationaler Organisationen, Banker aller Art, Konzernvorstände, Verbandsvertreter usw. sind zurzeit primär mit krisenbedingten Aufräumarbeiten beschäftigt. Sie haben kaum Zeit, sich auch noch um den Aufbruch zu neuen Ufern zu kümmern, geschweige denn Visionen zu realisieren. Dabei wird es noch viel länger bleiben, als uns allen lieb sein kann, weil durchgreifende Entscheidungen auf sich warten lassen. Ein Beispiel: Der frühere US-Präsident Nixon machte dem Weltfinanzsystem am 15. August 1971 endgültig den Garaus, nachdem es bereits seit 1968 angeschlagen war. Wir leben also rund vier Jahrzehnte ohne geordnete internationale Finanzen. Noch ein Beispiel: Die globale Geldmenge hat sich von 1980 bis 2008 fast verzehnfacht, das globale Bruttoinlandsprodukt dagegen nur versechsfacht. Kein Wunder also, dass Geld immer wieder in unproduktive Bereiche floss, wie in einen Großteil der öffentlichen Haushalte, der Banken, Lebensversicherungen, Fonds, Derivate, Asset Backed Securities, Immobilien usw.
In all diesen und in manch anderen Bereichen ticken Zeitbomben, von denen sich heute nicht sagen lässt, in welcher Reihenfolge sie wann und mit welcher Sprengkraft explodieren werden. Beispiel öffentlicher Haushalt: Zur kommenden Verschuldung des Bundes aus Anlass der Finanzkrise fliegen uns zwar ständig neue Horrorzahlen um die Ohren; aber dass sene einzulösenden Bürgschaften in den nächsten Jahren noch obendrauf kommen, wird kaum beachtet. Beispiel Lebensversicherungen: Der Branchendienst Map-Report hat die Beschwerden unzufriedener Kunden bei der Finanzaufsicht BaFin aufs Korn genommen und ermittelt, dass - in dieser Reihenfolge - demzufolge HDI Gerling, WWK, Nürnberger, Victoria und Zürich Deutscher Herold besonders schlampig gearbeitet haben. Wenn es doch nur dabei bliebe. Indes, die Kunden der ganzen Branche werden in den nächsten Jahren noch so manche Zeitbombenexplosion erleben, denn die über eine sehr lange Periode niedrigen Zinsen und obendrein Fehlspekulationen mit Aktien werden die Ablaufleistungen kräftig sinken lassen. Das dürfte dann auch Löcher in die Finanzierung so mancher Immobilie reißen. Dennoch werben Versicherer weiter mit geschönten Hochrechnungen um neue Kunden.
Im Übrigen waren zuletzt sogar Fehlspekulationen bei der Riester-Rente zu beobachten. Nachdem die Anbieter kräftig Gebühren kassiert haben, schicken sie ihre Kunden also in die Altersarmut, und die Politiker schauen erst einmal einfach weg. Kein Wunder, dass sich da der eine oder andere von ihnen zur Ablenkung und aus wahltaktischen Gründen gegen jegliche Kürzung der gesetzlichen Rente ausspricht. Noch ein Beispiel: Geldmarktfonds. Von ihnen nahmen Anleger aufgrund der unseriösen Bankenwerbung lange an, es handle sich um eine so sichere Anlage wie auf dem Sparbuch. Das galt zwar für einen Teil dieser Fonds, aber viele von ihnen gerieten ganz schlimm in die Miesen. Schlusslichter waren nach einer Auswertung von Feri Eurorating im Jahresvergleich per Ende März ausgerechnet zwei Fonds von großen Investmentgesellschaften, Pioneer und Union, mit minus 29,6% und minus 36,7%.
Wie können Sie vermeiden, dass Sie zum Opfer von finanziellen Zeitbomben werden? Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Indem Sie Ihr ganzes Finanzmanagement selbst in die Hand nehmen, kollektive Geldanlagen wie Lebensversicherungen (außer reinen Risikoversicherungen), Riester-Rente und Fonds weitgehend links liegen lassen, stattdessen Tagesgeld bei einlagengesicherten Banken anlegen (mag es sich noch so mager verzinsen), für den Fall des Falles Liquidität (auch in Form von Bargeld) vorhalten, zurzeit am besten ganz ohne Kredite auskommen, Direktanlagen in physischem Gold, bei gutem Gespür fürs Timing auch in Aktien und Anleihen anstelle kollektiver Anlagen bevorzugen, eine Immobilie zur Selbstnutzung kaufen oder zumindest für sie ansparen und über die Medien Ihrer Wahl penibel verfolgen, was täglich von außen auf Sie zukommt. So dürften Sie weitgehend vor den Zeitbomben in Deckung gegangen sein
Manfred Gburek, 8. Mai 2009
Dieser Bericht wurde nicht geprüft. Für Richtigkeit der Angaben übernimmt Silbernews.at keine Haftung.
Quelle: » http://www.gburek.eu/