Rückkehr zum Goldstandard?
Von Philip Plickert
12. Mai 2009 Die Finanz- und Wirtschaftskrise wirft fundamentale Fragen auf - auch zur Geld- und Währungsordnung. Bange Blicke richten sich auf den Dollar, die Leitwährung der Welt. Die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) unter der Führung von Ben Bernanke hat die Druckerpresse angeworfen, um die Rezession zu bekämpfen.
Sie finanziert die Verschuldung der taumelnden ökonomischen Supermacht, indem sie Anleihen kauft. Am Ende könnte dies eine starke Inflation und eine drastische Abwertung des Dollar bewirken, unken Skeptiker (vgl. auch Wie sich hohe Staatsdefizite finanzieren lassen.)
„Seltener Sonderfall in der Geschichte“
Angst davor haben besonders die Chinesen. Sie sitzen auf einem riesigen Devisenschatz von insgesamt fast 2 Billionen Dollar. Sollte der Dollarkurs abstürzen, wäre die Volksrepublik um den Ertrag jahrelanger Arbeit gebracht. Die „Akzeptanz einer kreditbasierten nationalen Währung als großer internationaler Reservewährung“ sei doch ein „seltener Sonderfall in der Geschichte“, merkte der chinesische Zentralbankchef Zhou Xiaochuan kürzlich in einem brisanten Aufsatz an.
Darin weist Zhou auf einen inneren Widerspruch der Weltwährungsordnung hin: Amerika könne nicht die Rolle der internationalen Reservewährung beanspruchen und gleichzeitig eine auf nationale Ziele ausgerichtete Geldpolitik betreiben.
China hält seine eigene Währung künstlich unterbewertet
Hintergrund ist das prekäre Verhältnis von Asien und Amerika. Um seinen Export zu fördern, hält China seine eigene Währung, den Yuan, seit Jahren durch permanente Dollar-Ankäufe künstlich unterbewertet. Die angekauften Dollar schleusten die Chinesen ins Weltreserveland Amerika zurück. Das drückte dort die langfristigen Zinsen - und konterkarierte damit zeitweise die Politik der Fed, die - nach einer Phase niedriger Zinsen zu Beginn des Jahrzehnts - den kurzfristigen Leitzins zur Dämpfung der Konjunktur kräftig erhöht hatte.
Die Kapitalzuflüsse aus dem Ausland trugen somit, neben der zeitweiligen Niedrigzinspolitik der Fed, dazu bei, die Immobilienpreisblase aufzupumpen. So gesehen hat die Schieflage der Weltwährungsordnung mit zum Ausbruch der Krise beigetragen.
Politische Probleme bleiben ungelöst
Als kurzfristige Reform regt der chinesische Zentralbankchef an, eine neue supranationale Weltreservewährung zu schaffen und dafür die Sonderziehungsrechte beim Internationalen Währungsfonds (IWF) zu nutzen. Das würde die Vorherrschaft des Dollar brechen, die seit der Konferenz von Bretton Woods im Jahre 1944 besteht.
Der britische Ökonom John Maynard Keynes scheiterte damals mit seinem Vorschlag einer internationalen Verrechnungseinheit namens „Bancor“. Die heutigen IWF-Sonderziehungsrechte sind eine kreditbasierte Korbwährung, bestehend zum größten Teil aus Dollar, zu kleinen Teilen aus Euro, Yen und Pfund (und China möchte noch den Yuan beimischen).
Unklar ist, ob eine solche Kunstwährung akzeptiert würde und mehr Stabilität brächte - zumal wenn sie von einer zentralen Institution wie dem IWF gemanagt werden sollte. Das von Zhou angesprochene Problem des politisierten Geldangebots würde damit nicht gelöst.
Der Saulus, der ein Paulus war
Ausgerechnet der langjährige Fed-Vorsitzende Alan Greenspan hat 1966 in einem Aufsatz über „Gold und wirtschaftliche Freiheit“ die fatale Wirkung einer zu laxen Geldpolitik analysiert, die er später selbst betrieb. Vor dem Ersten Weltkrieg, in der Zeit des Goldstandards, als der Kreditexpansion enge Grenzen gesetzt waren, gab es nur relativ milde Rezessionen.
1913 wurde die Fed gegründet. Mit ihrer expansiven Geldpolitik in den zwanziger Jahren habe die Fed erst einen Boom angeheizt, analysierte Greenspan, und mit der verspäteten Bremsung 1929 den Absturz eingeleitet. Die aktuelle Krise weist erschreckende Parallelen dazu auf. Zu viel billiges Geld hat Finanzströme entstehen lassen, die letztlich nicht mehr beherrschbar waren.
Die Vorteile des Goldstandards
Nach Ansicht Greenspans war ein entscheidender Vorteil des Goldstandards, dass er keine uferlose Staatsverschuldung zuließ. „Die Abschaffung des Goldstandards ermöglichte es den Verfechtern des Wohlfahrtsstaates, das Bankensystem für eine unbegrenzte Kreditexpansion zu missbrauchen“, kritisierte er.
Chronische Haushaltsdefizite seien das Wahrzeichen des modernen Staates. Dessen Geldmengenausweitung führe aber über kurz oder lang zu Inflation. „Ohne Goldstandard gibt es keine Möglichkeit, Ersparnisse vor der Enteignung durch Inflation zu schützen“, schrieb Greenspan in seinem Aufsatz - rührte aber als Fed-Vorsitzender nie wieder an das Thema.
Der Mythos von den Hütern des Geldes
Während Zentralbanken den Eindruck erwecken, ihre Geldpolitik trage zur Stabilisierung der Volkswirtschaften bei, haben sie oft das Gegenteil, eine Destabilisierung, bewirkt. Das Auf und Ab der Konjunktur wurde verschärft. Der amerikanische Ökonom George Selgin spricht daher von einem Wesen wie „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“.
Historisch gesehen sei es ein Mythos, dass die Zentralbanken geschaffen wurden, um die Konjunktur zu glätten oder Wachstum zu fördern. „Sie dienten in ihren Anfängen primär den Fiskalbedürfnissen der Regierungen“, sagte Selgin, der an der Universität von West Virginia lehrt, kürzlich auf einer Konferenz der Friedrich-Naumann-Stiftung zur „Zukunft des Geldes“.
Praktische Probleme eines neuen Goldstandards
Es ist eine kleine, aber wachsende Minderheit von Ökonomen, die heute für eine Abschaffung der nationalen Geldmonopole und einen Währungswettbewerb plädiert, wie das einst der Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek anregte. Selgin ist überzeugt, dass dies zu einer Rückkehr zu einem Geld führen würde, das mit Gold gedeckt ist.
Allerdings zeigte schon die Diskussion auf der Konferenz, dass ein solcher Schritt enorme Schwierigkeiten aufwerfen würde. Die Menge des verfügbaren Goldes ist zu klein für die heutige Weltwirtschaft. Der Goldpreis müsste sich, wenn es zu einer vollen Deckung käme, etwa vervierzigfachen. Deshalb wäre wohl ein Teilreservesystem vorzuziehen, meint der Wirtschaftsprofessor Lawrence White von der Universität von Missouri.
Überraschenderweise hat die Bank of China ihre Kritik am ungedeckten Dollar mit dem Hinweis auf Keynes' Sympathie für eine internationale Warenreservewährung verbunden. Dabei wäre das Geld mit einem Korb aus Metallen und anderen Rohstoffen gedeckt, also nicht nur mit Gold. Befürworter - darunter Keynes und Hayek - hofften, dies würde die Geldschöpfung bremsen und Konjunkturausschläge dämpfen.
Kritiker sagten, die Kosten einer Warenreservewährung seien zu hoch. Chinas Zentralbank ist offenbar zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kosten eines krisenanfälligen ungedeckten Geldes auf Dauer höher sein könnten.
Text: F.A.Z.
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