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Konsequenzen eines Staatsbankrotts in der Euro-Zone

Austritt des insolventen Landes aus der Währungsunion als beste aller schlechten Lösungen?

Im Zuge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftsprobleme drohe selbst gewissen Euro-Ländern der Staatsbankrott, wird allenthalben spekuliert. Der Autor des nachfolgenden Beitrags befasst sich mit der Frage der «angemessenen» Reaktion der EU- bzw. Euro-Partnerstaaten, falls ein Mitglied der Währungsunion tatsächlich insolvent werden sollte. (Red.)

Von Dirk Meyer*
Staatsbankrotte und Währungskrisen haben eine lange Tradition. Verlässliche Aufzeichnungen seit 1750 in 64 Staaten belegen über 70 Fälle von Zahlungsunfähigkeit. Was bis anhin als unmöglich galt, gerät durch die andauernde Weltwirtschaftskrise auch in der Euro-Zone in den Bereich des Wahrscheinlichen. Dabei können die Ursachen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit durchaus unterschiedlich sein. In Irland führt ein zusammenbrechender Immobilienmarkt zur Bankenkrise, österreichische Banken sind durch Klumpenrisiken osteuropäischer Kreditvergaben in ihrer Existenz gefährdet, und in Griechenland erschweren strukturelle Probleme die Kreditnahme des Staates. Da der Staatsbankrott eines Euro-Landes aufgrund der Währungsunion kein «privates» Ereignis wäre, stellt sich die Frage, wie die Gemeinschaft angemessen reagieren könnte.

Verschiedene Insolvenz-Kandidaten

Zahlungsstörung, Illiquidität, Staatsbankrott – die Begriffe sind in diesem Zusammenhang eher ungenauen Inhalts. Im Gegensatz zu Privaten kann der Staat nämlich Zwangsmittel gegenüber seinen Bürgern anwenden. So lässt sich über zusätzliche Steuern, eine Vermögensabgabe oder eine drastische Senkung der Ausgaben der staatliche Finanzierungssaldo verbessern. Von daher ist der Begriff einer relativen Zahlungsunfähigkeit zur Kennzeichnung dieses Sachverhaltes angemessen. Erst wenn ein bürgerlicher Ungehorsam die erforderliche Durchsetzung obrigkeitlicher Zwangsmittel verhindert, wäre ein Staat absolut zahlungsunfähig.
Der Staatsbankrott wird neben einfachen EU-Mitgliedern wie den baltischen Staaten, Rumänien und Ungarn vor allem für einzelne Mitglieder der Euro-Zone diskutiert. Zum Kreis der «Verdächtigen» gehören Irland, Griechenland, Spanien, Österreich und Italien. Die gemeinschaftliche Reaktion ist vertraglich durch die No-bail-out-Klausel (Art. 103 EGV) geregelt und formal eindeutig. Als scheinbar unverrückbare institutionelle Notbremse dürfen hiernach weder die Gemeinschaft noch einzelne Mitgliedstaaten eine Haftungszusage im Vorhinein geben. Zudem dürfen sie bei akuten Zahlungsschwierigkeiten eines Mitgliedlandes nicht für dessen Verbindlichkeiten einstehen. Dies kann als Appell an die Marktteilnehmer angesehen werden, die mit der Kreditgewährung an einen Staat verbundenen Risiken richtig einzuschätzen und mögliche Konditionen oder gar Kreditverweigerungen entsprechend auszurichten. Umgekehrt soll sich keine Regierung Hoffnung machen können, durch Hilfen der Gemeinschaft «herausgehauen» zu werden.

Ein Glaubwürdigkeitsproblem

Die Wirksamkeit dieser marktkonformen Regel scheitert jedoch an einem Glaubwürdigkeitsproblem. Zum einen riefe die Hinnahme eines offensichtlichen Staatsbankrotts eines Euro-Landes erhebliche Kosten für die anderen Mitglieder der europäischen Währungsunion hervor. Der Euro würde vermutlich dauerhaft geschwächt. Die Risikoaufschläge für weitere, punkto Bonität ebenfalls als schwach eingestufte Euro-Länder stiegen drastisch. Eine Welle von Liquiditätsstörungen wäre die Folge. Zum andern käme ein Staatsbankrott dem politischen Eingeständnis eines Scheiterns der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion gleich.
Die Konsequenz dieser ökonomischen Logik ist eine de facto bestehende kollektive Haftung. Bei realistischer Einschätzung sind Umgehungsstrategien zur Abwendung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit durch die Gemeinschaft wahrscheinlich, was faktisch einer Kostenüberwälzung zulasten solider Mitglieder gleichkäme. Folgende Handlungsalternativen wären im Rahmen dieser Hilfestrategie diskutabel: –Überziehungs- und Kreditfazilitäten bei der Europäischen Zentralbank (EZB) oder den nationalen Notenbanken. Solche Operationen sind jedoch gemäss Art. 101 EGV grundsätzlich verboten.–Ebenfalls ausgeschlossen sind finanzielle Hilfen «aufgrund von Naturkatastrophen oder aussergewöhnlichen Ereignissen» (Art. 100 Abs. 2 EGV), zu denen die Finanzmarktkrise schwerlich zu rechnen ist.–Art. 119 EGV sieht «einen gegenseitigen Beistand» bei gravierenden Zahlungsbilanzproblemen vor. Entsprechende Hilfen in Form von Krediten, wie sie Ungarn, Lettland und Rumänien von der EU erhalten haben, bleiben Euro-Ländern jedoch verschlossen.–Ebenfalls dürfte eine Kreditvergabe durch die Europäische Investitionsbank (EIB) ausscheiden. Ihre Aufgabe besteht in der Finanzierung konkreter Projekte, nicht aber in der Alimentierung unsolider Staatshaushalte. Hinzu kommt, dass die Mitgliedstaaten Kapitaleigner der EIB sind und deshalb ein Verstoss gegen das Bail-out-Verbot vorläge.–Eine Gemeinschaftsanleihe, wie sie seitens des Internationalen Währungsfonds und Italiens ins Gespräch gebracht wurde, wäre eine vertragskonforme Problemlösung. Bei einer gesamtschuldnerischen Haftung wäre die Risikoprämie für die solvenzgefährdeten Staaten wesentlich geringer, jedoch erheblich höher als die einer deutschen Bundesanleihe. Bei einer Zinserhöhung um 100 Basispunkte bzw. 1 Prozentpunkt errechnete das Finanzministerium eine Mehrbelastung der öffentlichen Haushalte in Deutschland von rund 3 Mrd. € jährlich.–Schliesslich bliebe die bilaterale Kredithilfe. Im Rahmen eines notwendigen Umschuldungsprogramms zugunsten eines Landes würde die EU-Kommission die Koordination für die bilateral von einzelnen Mitgliedstaaten zu tragenden Kredite übernehmen. Dass Deutschland hierbei eine Schlüsselrolle spielen würde, dürfte ausser Frage stehen.

Bail-out-Verbot nicht praktikabel

Folgendes Ergebnis bleibt festzuhalten: Das «Bail-out»-Verbot ist wegen hoher Folgekosten für die restlichen Euro-Länder nicht praktikabel. Allerdings würde auch die Hilfestrategie insbesondere den solideren Euro-Staaten Kosten aufbürden. Diese Kosten bestünden nicht nur in den aufgezeigten Massnahmen, deren Einmaligkeit zu bezweifeln wäre. Kapitalmarkt-Anspannungen und damit einhergehende Zinssteigerungen verteuerten den öffentlichen Schuldendienst dieser Länder trotz Haushaltsdisziplin. Sie lenkten Kapital vermehrt in das insolvente Land und verdrängten beispielsweise in Deutschland private Investitionen.
Da die Zahlungsstörungen mit ihren gemeinschaftsweiten Folgekosten einen gravierenden Verstoss gegen den Wachstums- und Stabilitätspakt darstellen würden, wäre ein Ausschluss des insolventen Mitglieds aus der Euro-Zone überlegenswert. Nur so könnten sich die vertragskonformen Mitglieder der Währungsunion vor dauerhaften Fehlanreizen und finanziellen Hilfen schützen. Der Austritt eines insolventen Euro-Landes könnte die Restwährungsunion zudem konvergenter machen und durch den Abbau von Spannungen zur mittelfristigen Stabilisierung der Rest-Union beitragen.

Neue Handlungsspielräume

Weil die realwirtschaftliche Krise die strukturellen Wettbewerbsprobleme infolge starrer Arbeitsmärkte mit geringer Lohnflexibilität bei fehlendem nationalem Wechselkursmechanismus verschärft, könnte auch das austretende Mitgliedland gewinnen. Die in erster Linie langfristig negativen Perspektiven eines Verbleibs in der Euro-Zone müssten im betreffenden Land zum Entschluss eines währungspolitischen Neubeginns führen. Die Einführung eines «Neä Drachmä» in Griechenland oder einer «Nuova Lira» in Italien könnte die jeweilige Regierung gleichzeitig für eine Entwertung ihrer Staatsschulden nutzen. Neben degressiv gestaffelten Umtauschsätzen würde eine Ungleichbehandlung nach Art der Euro-Forderung vorgenommen werden. So könnten beispielsweise staatliche Schuldtitel gegenüber Bargeld und Giralgeld besonders niedrige Umtauschkurse erhalten, um der Regierung neue Handlungsspielräume zu verschaffen.
Soweit sich die Inhaber von Euro-Forderungen einer Enteignung entziehen können, werden sie keinen Umtausch in die neue Währung vornehmen. Wegen der mutmasslich geringen Rückführung von Euro-Beständen an die Zentralbank des Austrittslandes kann diese keine vollständige Schuldentilgung gegenüber dem Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) vornehmen. Als Pfand behält das ESZB unter Umständen den Kapitalanteil an der EZB ein. Als weitere Konsequenz der geringen Euro-Rückgabe an das ESZB entsteht in der Rest-Union ein Inflationspotenzial. Es errechnet sich aus der Differenz der Änderungsrate des durch den Austritt verringerten Sozialprodukts der Union und der Rate des (geringeren) Rückgangs der Euro-Geldmenge. Bedingt durch die relative Grösse Griechenlands im Vergleich zur Rest-Union, wäre die Gefahr einer Desintegrations-Inflation zwar gering – im Falle Italiens jedoch nicht unerheblich.

Zwei gravierende Probleme

Zwei gravierende Probleme dürften jedoch den Schritt hin zur Wiedereinführung einer nationalen Währung erschweren: Bereits die Aussicht auf einen Austritt würde einen Verkaufsdruck auf griechische bzw. italienische (Staats-)Anleihen auslösen und einen weiteren Kursverfall bzw. Zinsanstieg für diese Papiere bewirken. Die Finanzmärkte würden die Gefahr eines Staatsbankrotts sofort höher einschätzen und eine zukünftige staatliche Kreditfinanzierung erschweren. Zudem kann ein Währungsgesetz den Euro allenfalls in Verträgen zwischen Inländern durch die neue Währung verbindlich ablösen. Demgegenüber würden Verträge mit dem Ausland zu offenen Euro-Währungspositionen mit hohem Wechselkursrisiko für das Austrittsland. Durch hohe Leistungsbilanzdefizite aufgebaute Netto-Auslandschulden machen das Risiko deutlich: Eine Abwertung der neuen Währung könnte heimische Banken und Importeure als Euro-Schuldner in unvorhergesehene Schwierigkeiten mit hohen Verlusten und grossen Liquiditätsproblemen führen.
Welche Auswirkungen ergäben sich für den europäischen Binnenmarkt und die politische Integration? Die Gefahren einer DesintegrationsInflation durch eine unvollständige Rückführung der eingetauschten Euro-Geldbestände an die EZB würden Kapitalverkehrskontrollen zum Schutz gegen den (illegalen) Zustrom von Euro-Geld sowie Einschränkungen des Warenexports zur Verhinderung eines unkontrollierten Ressourcenabflusses aus der Rest-Union notwendig machen. Eine Aufweichung des Subventionsverbotes im Rahmen der Finanzmarktkrise untergrübe zudem die Grundprinzipien des EU-Binnenmarktes. Unterlassene Schuldentilgungen des Austrittslandes einerseits und mögliche Schadenersatzforderungen der verbleibenden Mitglieder anderseits könnten das politische Verhältnis zusätzlich belasten. Damit wird deutlich, dass der Ausstieg eines Landes nicht nur die Währungsunion, sondern darüber hinaus auch die realwirtschaftliche Integration und die politische Verständigung innerhalb der EU gefährden müsste.

* Der Autor ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg.

Dieser Bericht wurde nicht geprüft. Für Richtigkeit der Angaben übernimmt Silbernews.at keine Haftung.
Quelle: » http://www.nzz.ch