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Bund gerät in Strudel der Bodenlosigkeit

von Dietmar Neuerer
Die Bundesregierung hat mit der Opel-Rettungsaktion die Büchse der Pandora geöffnet. Nun will auch der Handelskonzern Arcandor in den Genuss staatlicher Hilfe kommen. Dagegen gibt es vehementen Widerstand. Nicht nur Spitzenökonomen befürchten einen Dammbruch zu Lasten des deutschen Wirtschaftssystems. Auch Politiker von Koalition und Opposition warnen vor falschen Entscheidungen.

DÜSSELDORF. Politiker von Union und Opposition lehnen eine mögliche staatliche Bürgschaft für den angeschlagenen Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor strikt ab. Mit dem sogenannten Wirtschaftsfonds Deutschland dürfe „kein Füllhorn“ ausgeschüttet werden, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Steffen Kampeter, am Dienstag im Gespräch mit Handelsblatt.com. „Unternehmen, die nicht auf Grund der Konjunkturkrise, sondern aus anderen, selbstverschuldeten Gründen in Schieflage geraten sind, sollen sich nicht unter diesen Schirm flüchten können“, fügte der CDU-Politiker mit Blick auf Arcandor hinzu. Gravierende Managementfehler oder erfolglose Geschäftsmodelle, die mit Krise nichts zu tun hätten, könnten deshalb nicht als Argument vorgebracht werden, staatliche Bürgschaften und Kredite in Anspruch zu nehmen.
Zwar könne jedes Unternehmen, das einen Antrag auf staatliche Unterstützung stelle, eine objektive Prüfung seiner Wünsche erwarten, sagte der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs (CDU), am Dienstag im Gespräch mit Handelsblatt.com. „Freibier für alle darf es aber auch in Wahlkampfzeiten nicht geben.“
Fuchs äußerte die Sorge, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland ins Hintertreffen geraten könnte. „Wenn nun durch Gutmenschentum Managementfehler auf Kosten der Steuerzahler sozialisiert und Strukturanpassungen der Wirtschaft verschleppt werden, wird Deutschland nicht gestärkt, sondern geschwächt aus der Krise hervorgehen“, sagte der CDU-Politiker. Dass müsse „unter allen Umständen“ verhindert werden. Ordnungspolitik bewähre sich nicht bei Sonnenschein, sondern in Sturm und Unwetter, sagte Fuchs und fügte hinzu: „Das Kredit- und Bürgschaftsprogramm des Bundes ist als Brücke für Gesunde und nicht als Krücke für Kranke und Fußlahme konzipiert.“
Auch die FDP sieht Staatshilfen für Unternehmen kritisch. „Union und SPD schaufeln jetzt im Wahlkampf-Poker die Milliarden hin und her wie Onkel Dagobert – aber es ist nicht ihr Geld, sondern das der Steuerzahler“, sagte der Generalsekretär der Liberalen, Dirk Niebel, im Gespräch mit Handelsblatt.com. Sie seien dabei auch noch auf einem einen Auge blind, „denn beim Kampf um die große Marken werden die kleinen und mittleren Betriebe - das große Reservoir unserer Arbeitsplätze - mit ihren Sorgen völlig vernachlässigt“. Gleichwohl gestand Niebel Arcandor eines Prüfung seines Hilfegesuchs zu. Aber die Kaufhaus-Probleme seien älter als die heutige Krise, fügte er hinzu. „Und warum soll es hier keinen Eigentümerwechsel und - damit verbunden – eine Gesundung des Unternehmens geben? Warum verkauft Arcandor nicht beispielsweise die einträgliche Reisesparte, um sich selbst zu sanieren?“, fragte Niebel.
Harsche Kritik an staatlichen Rettungsaktionen für Unternehmen kommt auch von den Grünen. "Momentan wird die Regierung von ihrem eigenen Strudel der Bodenlosigkeit mitgerissen“, sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast im Gespräch mit Handelsblatt.com. Die Politik könne zwar nicht wegsehen, wenn es um Arbeitsplätze gehe. „Die notwendige Einzelfallprüfung braucht aber ein Fundament, sonst fällt alles zusammen“, mahnte die Grünen-Politikerin. Staatliche Bürgschaften und Kredite müssten mit einer doppelten Rendite Arbeitsplätze heute sichern und zukunftsfest für morgen machen, verlangte Künast. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) müssten daher „persönlich für den verantwortungsbewussten Umgang mit Steuergeldern geradestehen“. Künast kritisierte: „In diesen Zeiten verwechselt die Regierung offenbar den Bundeshaushalt mit dem Wahlkampfetat ihrer Parteien."
Auch Unions-Haushälter Kampeter warnte, ordnungspolitisch dürfe das Kredit- und Bürgschaftsprogramm der Bundesregierung nicht als „Dauerschutzzone“ missbraucht werden, um Wettbewerb und notwendigen Strukturwandel zu unterbinden oder „Beschäftigungs- und Industriepolitik durch die Hintertür“ zu betreiben. Zum Wettbewerb gehörten Chancen, aber auch Risiken, betonte der CDU-Politiker. Das schließe immer auch ein Scheitern von Marktteilnehmern mit ein. „In einer Sozialen Marktwirtschaft werden die damit verbundenen negativen Wirkungen für die Mitarbeiter im Rahmen unseres modernen Insolvenzrechts richtigerweise abgemildert“, erläuterte Kampeter. Aufgabe der Politik sei es daher, vorausschauend mit verbesserten Rahmenbedingungen die ökonomische Grundlage zu schaffen, so dass nach der konjunkturellen Schwächephase Wachstum und neue Arbeitsplätze entstehen können. „Wohlgemeinte, aber schädliche Unterstützungsorgien führen nur zu Verkrustungen und belasten unsere Bürger am Ende in viel stärkerem Umfang“, so Kampeter.
Unions-Wirtschaftspolitiker Fuchs regte zudem an, bei jedem staatlichen Engagement „eine klare Exit-Strategie der öffentlichen Hand“ vor Augen zu haben. „Das kommt mir in der derzeitigen Debatte – auch im Bereich der Banken – viel zu kurz“, sagte der CDU-Politiker.
Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte indessen den angeschlagenen Handelskonzern Arcandor vor zu großen Erwartungen an staatliche Hilfen. Arcandor sei kein zweiter Fall Opel, sagte Merkel. Beim Autohersteller gebe es eine besondere Situation, die Hilfen des Bundes rechtfertige. Für alle anderen Unternehmen gälten klare Verfahren. Die Kanzlerin verwies in diesem Zusammenhang auf den Deutschlandfonds. Dieser solle Firmen mit Bürgschaften des Staates unterstützen, die wegen der Wirtschaftskrise in finanzielle Schwierigkeiten geraten seien. Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick zeigt sich sicher, dass der Handels- und Touristikkonzern die Kriterien für staatliche Hilfen erfüllt. Arcandor benötigt einen Kredit über 200 Millionen Euro sowie Bürgschaften über 650 Millionen, um eine Pleite abzuwenden.
Selbst der CDU-Arbeitnehmerflügel (CDA) sieht eine mögliche Staatshilfe für Arcandor skeptisch. „Die Probleme von Arcandor sind deutlich älteren Datums als die Finanz- und Wirtschaftskrise“, sagte CDA-Bundesvize Gerald Weiß der Agentur dpa. Die Frage für staatliche Hilfe sei, ob die aktuellen Schwierigkeiten hauptsächlich durch die Finanzmarktkrise entstanden sind oder auf früheres Missmanagement und Fehlentscheidungen zurückgehen. „Dass Arcandor in einer schwierigen Lage ist, hat man auch schon vorher lesen können“, sagte Weiß.
Der CDU-Politiker warnte die SPD vor übereilten Versprechungen. „Wenn ich signalisiere, unter allen Umständen und in jedem Fall helfe ich, dann könnte doch ein Investor auf die Idee kommen: Warum nicht Ganz ohne Risiko und ganz ohne eigenes Kapital?“, sagte Weiß. Manche Äußerungen aus der SPD hätten deshalb die Verhandlungen über Opel erschwert. Der Rüsselsheimer Bundestagsabgeordnete verteidigte das Opel-Rettungskonzept und die Absage an eine Insolvenz. „Für die potenziellen Kunden ist Insolvenz die Pleite“, sagte Weiß. „In der Automobilwirtschaft ist es nachgerade das Todesurteil.“

Führende Ökonomen in Deutschland befürchten angesichts der Debatte um staatlichen Rettungsaktionen für Unternehmen großen Schaden für die Soziale Marktwirtschaft. "Ich habe die Befürchtung, dass wir uns gerade in großen Schritten von elementaren marktwirtschaftlichen Prinzipien verabschieden und weiß nicht, ob der nächsten Regierung nach der Bundestagswahl eine Kehrtwende gelingen wird", schreibt der Vorsitzende der Monopolkommission, Justus Haucap, in einem Gastbeitrag für Handelsblatt.com.
Der Vorsitzende des Wirtschafts-Sachverständigenrates der Bundesregierung, Wolfgang Franz, warf der Politik im Gespräch mit Handelsblatt.com vor, sie verdränge, dass konjunkturelle Schwächephasen auch den "Charakter von Reinigungskrisen" besäßen, in denen nicht mehr überlebensfähige den wettbewerbsfähigen Unternehmen Platz machen müssten, um dauerhaft Arbeitsplätze zu sichern. Wenn der Staat allerdings diese marktwirtschaftliche Regel missachte, dann sei das für die Effizienz des deutschen Wirtschaftssystems "verhängnisvoll, denn wir landen letztlich auf einem niedrigeren Wachstumspfad und Beschäftigungsniveau", warnte Franz, der auch Präsident des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ist.
Wie Haucap hält daher auch Franz die Rettung von Opel mit Bürgschaften und Krediten für einen großen Fehler. "Nach der staatlichen Rettungsmaßnahme für Opel ist die Gefahr eines Dammbruchs für weitere Interventionen sehr groß, allemal vor dem Hintergrund des aufziehenden Wahlkampfes", sagte Franz. Die Begehrlichkeiten anderer Unternehmen fänden bereits jetzt schon Unterstützung in Teilen der Bundesregierung, wie das Beispiel Karstadt zeige. "Dabei haben die Schwierigkeiten von Karstadt noch nicht einmal etwas mit der gegenwärtigen Rezession zu tun, sondern begannen bereits vor geraumer Zeit", betonte der Wirtschaftsweise.
Auch Haucap betonte, dass Opel und Arcandor "schon seit Jahren in der Krise" seien. Da stelle sich die Frage, ob es überhaupt irgendeinen Arbeitsplatz gebe, der nicht rettungswürdig sei. "Oder sind nur Arbeitsplätze bei kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht rettungswürdig?", fragte der Ökonom und fügte hinzu: "Es ist tragisch, dass wir uns in einem wichtigen Wahljahr befinden, an der Zeche für diesen Wahlkampf auf Kosten der Steuerzahler werden wir noch lange zahlen."
Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, warnte mit Blick auf Opel und Arcandor vor einer unkontrollierten Ausweitung staatlicher Hilfen. Zwar habe es zu allen Zeiten Unterstützungsmaßnahmen des Staates gegeben, sagte er der "Berliner Zeitung". Doch jetzt habe man das Gefühl, dass alle Dämme brächen. Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, carsten Schneider, kritisierte, manche Firmen verstünden den von der Regierung bereitgestellten Kredit- und Bürgschafts-Fonds offenbar als Einladung, sich Subventionen abzuholen. Dies sei verbunden mit einer Dreistigkeit im öffentlichen Auftreten, wie er sie selten erlebt habe, sagte er der "Rheinischen Post".

Dieser Bericht wurde nicht geprüft. Für Richtigkeit der Angaben übernimmt Silbernews.at keine Haftung.
Quelle: » Handelsblatt.com