Was bringen eigentlich Umfragen?
von Frank Meyer
Umfragen können Orientierungen bieten, müssen es aber nicht. Oft stecken Werbebotschaften dahinter, zumindest aber Interessen. Bei Umfragen zu wirtschaftlichen Belangen erfährt man sogar manchmal ein Quantum an Heiterkeit, bevor man die Stirn runzelt und nach einem Papierkorb sucht. Als Glaskugel taugen sie jedenfalls selten. Hui und Pfui liegen so oft so dicht beieinander…
Die Stimmung im deutschen Mittelstand hat sich auch im Juni aufgehellt, meldet das KfW-Ifo-Mittelstandsbarometer. Dabei ist die Lage weiter schlecht, nur die Hoffnung auf bessere Zeiten speist den Gesamtindex. Nach einer Faustregel deuten drei Anstiege des Barometers in Folge auf eine Konjunkturwende hin. Doch was sind heute noch Faustregeln wert? Kein Wunder, dass der Chefvolkswirt der KfW Norbert Irsch von positiven Signalen spricht, zugleich aber vor zuviel Euphorie:
"Solange die Lageurteile nicht nachziehen, ist die Gefahr einer Erwartungsblase - wie schon 2002 und 2003 - ausgesprochen hoch. Die Hoffnung auf einen baldigen und durchgreifenden Aufschwung rechtfertigen sie aber nicht, zumal die massiven Belastungen der Krise für den Arbeitsmarkt und die Staatsfinanzen noch vor uns liegen."
Der Mittelstand hat die Krise vorerst glimpflich überstanden, meldet der Bundesverband mittelständische Wirtschaft. Fast drei Viertel der Firmen bewerten ihre gegenwärtige Geschäftslage als befriedigend oder besser. 83 Prozent der Unternehmen rechnen sogar mit einer weiteren Verbesserung binnen Jahresfrist. (Umfrage unter 1503 Firmen zwischen Mitte Juni und Anfang Juli). Bei knapp der Hälfte der befragten Unternehmen habe sich aber die Liquiditätssituation im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert. 38% klagen über ungünstigere Kreditkonditionen in letzten vier Monaten.
Da kann es ja nur noch besser werden…
Und wo sind die Konjunkturpakete? Vielleicht haben Sie ja eins gesehen? Damit gehörten Sie zu den sieben Prozent der Glücklichen, die eine Wirkung sehen. 93 Prozent der Mittelständler gaben an, davon noch nicht profitiert zu haben.
Der Zugang mittelständischer Unternehmen zu Krediten hat sich in den vergangenen Wochen offenbar deutlich verschlechtert. In einer Umfrage des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) unter 1.600 Mitgliedsunternehmen sagten im Juni 57 Prozent, dass sie derzeit eine Kreditklemme spürten, schrieb die „Wirtschaftswoche". Zudem gaben zwei Drittel der Unternehmen an, dass sich ihr Zugang zu Kreditversicherungen erschwert habe. "Wenn sich das nicht schnell bessert, ist mit einer Insolvenzwelle zu rechnen", warnte ZVEI-Präsident Friedhelm Loh.
Die Rezession im Baugewerbe in Deutschland hat sich im Juni trotz des milliardenschweren Konjunkturpakets deutlich verschärft. Die Firmen verbuchten die stärksten Geschäftsrückgänge seit vier Monaten und blicken zudem wieder pessimistischer auf die kommenden zwölf Monate, wie aus einer Markit-Umfrage unter etwa 200 Unternehmen hervorgeht...
"Die Baufirmen fürchten, dass sich die geringe Ausschreibungstätigkeit sowie die Zurückhaltung der Auftraggeber bei der Projektvergabe negativ auf ihre Geschäfte auswirken könnte"
Wegen der größten Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik schauen die Deutschen auf einmal wieder pessimistischer in die Zukunft. In einer Umfrage für das Hamburger Magazin «Stern» und den Fernsehsender RTL erwarten nur noch 33 Prozent der Bundesbürger, dass es wirtschaftlich aufwärts geht. 43 Prozent gehen von einer Verschlechterung aus. Noch vor zwei Wochen hatten sich 39 Prozent der Bürger optimistisch geäußert.
Der Markit-Einkaufsmanagerindex sank von 44,8 Punkten auf 41,0 Zähler und entfernte sich damit weiter von der Wachstumsmarke von 50 Punkten. Das Barometer signalisierte damit den 16. Monat in Folge Geschäftseinbußen. Die Firmen litten unter rückläufiger Nachfrage, und einem dadurch ausgelösten verschärften Wettbewerb bei Ausschreibungen.
Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn sagte der "Wirtschaftswoche", die Kreditklemme könne sich zum Hauptproblem für die deutsche Konjunktur entwickeln, weil die Banken sich gesundschrumpften, um ihr Bilanzvolumen an das geschrumpfte Eigenkapital anzupassen.
"Aber wenn die Banken sich gesund schrumpfen, schrumpfen sie die Wirtschaft vielleicht kaputt."
Es ist eine Crux mit den Umfragen. Man bekommt auf den ersten Blick selten mit, welche Interessen hinter den Fragern stehen. Schnell konsumierte Zahlen lassen dann einen Eindruck zurück, der mit der Wirklichkeit weniger zu tun hat, als mit den Interessen derjenigen, die sie veröffentlichen. Dabei widersprechen sich Umfragen und Ergebnisse. Zum Schluss ist man dümmer als zuvor.
Apropos dumm...
Umfragen beziehen sich auch auf ganz alltäglichen Dinge. Besonders beliebt - die Gruppe der Autofahrer. Der Hightech Branchenverband Bitkom gelangt zu einem verblüffenden Ergebnis: Wer sich auf einer Autofahrt von einem Navigationssystem leiten lässt, ist nicht nur schneller am Ziel, sondern auch entspannter. Der Umfrage zufolge streiten sich 53,5 Prozent der Autofahrer dank des elektronischen Lotsen seltener mit ihren Mitfahrern. 91 Prozent erreichen ihr Ziel dank Navi schneller und 88 Prozent gaben an, sich seltener zu verfahren und sicherer zu fühlen.
Das würde bedeuten, dass immerhin 12 Prozent zu doof sind, sich von einem Navi leiten zu lassen.
Doch die elektronischen Helferchen können noch mehr: Sie sind sogar Friedensstifter und bringen manchen Paartherapeut und Scheidungsanwalt um seinen Klienten. Genauere Daten gab es hierzu leider nicht.
Nun, unsere Experten sind auch mit Navigationssystemen der ökonomischen Art unterwegs. Dumm ist nur, dass diese mit oft falschen und verzerrten Daten gefüttert und mit eigenen Wünschen verrührt werden. Wundert sich jemand, dass die Ökonomen öfters auf Irrwegen unterwegs sind als die 12% der Navigationsnutzer? Für den Otto Normalbürger ist es dagegen recht einfach, sich im wirtschaftlichen Umfeld zu orientieren, und zwar mit gesundem Menschenverstand und dem Bauchgefühl. Schließlich ist der Bauch der älteste Navigator der Menschen – und zudem auch noch der Treffsicherste.
Mit Umfragen ist es wie mit Parfum. Es ist angenehm, daran zu riechen. Aber man sollte es nicht trinken. (Alfred Gusenbauer)
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Quelle: » Frank-Meyer.eu