Einer trage des anderen Last
von Frank Meyer
Überschuldung hier. Überschuldung da. Ein wildes Rudern in der Politik und ein Wasserfall der leichten Worten. Der im Jahr 2007 aus der Hose heraus geflutschte Gürtel hat den Hosenbund schnell weiter werden lassen. Und dann kam die Bux ins Rutschen...
Ach, was sind das für Nachrichten am Wochenende. Angeblich werden für den ins Spiel gebrachte Europäischen Währungsfonds (EWF) 200 Milliarden Euro benötigt. Deutschland soll 50 Milliarden Euro beisteuern, schreibt der Spiegel. 50 Milliarden entsprechen für jeden Deutschen 625 Euro neue Schulden. Ist es die Summe wert, um den Euro zu retten? Ich weiß es nicht, genauso wenig, woher das Geld kommen soll.
Alle regen sich zur Zeit über die Griechen auf. Ist eigentlich noch Tzatziki erlaubt oder schon politisch unkorrekt geworden?
Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Nebenkriegsschauplatz, wenn Griechenland für 2,85 Milliarden Euro U-Boote bestellte und die restlichen 500 Millionen Euro jetzt nicht bezahlen kann. Man kann sich aber öffentlich so schön darüber aufregen. Die Verantwortlichen sind nicht die Griechen an sich, sondern die, die sie geleitet und verleitet haben. Niemand muss sich dafür verantworten. Nun, die Sache mit dem Verteilen von Geld scheint einem Rotlichtviertel ähnlich zu sein, wo man sich untereinander kennt und sich gute Tipps gibt. Hat man erst einmal das Zimmer betreten, wird das Geschäft in allen erdenklichen Varianten erledigt, bevor man wieder abzieht. Der Nachfolger wundert sich dann über Juckreiz in der Leistengegend. Doch er überlebt es irgendwie, nachdem auch er noch seine Spuren hinterlassen hat.
So idiotisch die griechische Finanzpolitik ausgerichtet war, so clever war sie auch gestrickt. Die griechische Regierung scheint genau zu wissen, dass es zur Rettung kommen wird, auch wenn man erst gar kein Geld einfordert und kurze Zeit später es sich anders überlegt. Das Antibiotikum gegen diese griechische Krankheit wird gerade verpackt wird, um es vielleicht schon in der kommenden Woche zu verschicken. Das Bindeglied zwischen Griechenland und dem Rest Europas ist nicht nur der Euro, sondern vor allem die Banken mit ihren milliardenschweren Verbindlichkeiten, die bei einem Default ausgebucht werden müssen. Die ohnehin schon befleckten Beinkleider würden sonst noch weiter in Richtung Kniekehle rutschen. Und hübsch sieht das garantiert nicht aus.
Man müsste auch den Sparern mitteilen, dass es Verluste gegeben hat, käme es zu einem Staatsbankrott. Mea culpa. Und dann kommt die Finanzbranche schon wieder in Verruf. Einfacher ist es doch, die europäischen Regierungen werfen weiteres Geld in ein Fass ohne Boden. Es ist ja nur das der Steuerzahler. Auf dem Frankfurter Parkett tuschelt man, dass griechische Anleihen sechs Prozent Rendite bringen, viel mehr als eine deutsche Staatsanleihe und spekuliert auf die Rettung der Griechen. „Man kauft diese Anleihen wie blöde“, sagt mir seit Wochen ein Rentenhändler. Die Sache wird aufgehen, ist zu vermuten, auch wenn sich Deutschland noch sträubt, das Falsche zu tun. Dass Berlin bislang hart geblieben ist, war der einzige Hoffnungsschimmer in dieser Woche, wo man sich sonst auf die Politik der eingeschlafenen oder abgestorbenen Hand konzentriert.
Failure is no option
Unabhängig davon wie die Sache ausgeht, scheint sicher zu sein, dass keiner umkippen wird - weder Banken, Versicherungen noch Staaten. Scheitern ist keine Option. Bislang jedenfalls nicht. Alle anderen Vorschläge, den Dingen ihren Lauf zu lassen, bringen zwar Schlagzeilen, Aufmerksamkeit oder Pluspunkte für die Zukunft, frei nach dem Motto. „Ich hatte es ja gesagt und vorgeschlagen, aber...“ doch so logisch ein Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone auch sein mag, er wird nicht kommen - allein schon wegen der Banken und dem dann eintretenden Dominoeffekt auf andere Staaten. Dann ist es noch einfacher, das nächste schwächste Glied ausfindig zu machen und dagegen zu spekulieren.
Griechenland ist technisch pleite. Ja. Es geht jetzt darum, ein Perpetuum Mobile zu finden und auch einen, der die Pedale tritt. Dabei ist Griechenland fast überall. Vielleicht wird es demnächst auch Leipzig in die Schlagzeilen schaffen. Irrwitzige Cross Border Leasing Geschäfte führen jetzt zu Zahlungsaufforderungen in Höhe von 84 Millionen Euro. Es könnten auch 290 Millionen Euro werden, schreiben Zeitungen. Leipzig will nicht zahlen. Leipzig kann nicht zahlen. Mit der Angelegenheit beschäftigen sich nun Gerichte. Bill Bonner schrieb vor drei Jahren, er würde jungen Leuten empfehlen, den Beruf des Anwalts zu wählen. Dort gibt es genug zu tun. Ich glaube, er liegt richtig.
Dahinter ein Prinzip
Wie im Großen so im Kleinen. Und Leipzig ist nicht die einzige Kommune, die technisch gesehen pleite ist. Die Verantwortlichen sind längst wo anders. Nirgendwo wächst das Geld auf den Bäumen vor den Rathäusern. Entsprechende Druckereien sind mir nicht bekannt. Bis der Bund Geld überweist, versucht man es mit Innovationen. Die Stadt hat einen interaktiven Haushaltsplan (LINK) ins Internet gestellt. So modern man sich gibt, es macht die Lage nicht besser. Haushaltspläne sind heute dazu da, um Nachtragshaushalte zu gebären. Eine echte Innovation wäre doch, weniger auszugeben als man einnimmt. Doch Studiengänge, die dieses Handwerkzeug den Leuten mit Verantwortung mitgeben, werden schon lange nicht mehr angeboten. Sie kämen wohl zu spät, wiegen die Altlasten aus guten finanziellen Zeiten schwerer als ein Zoo voller Elefanten.
Leipzig ist mit seinen acht verschiedenen CBL-Verträgen nicht allein. CBL-Geschäfte waren gut versteckter Betrug an Leuten, die mehr Geld brauchten als sie Ahnung hatten. Doch es spielt keine Rolle. Leipzig wird nicht untergehen. Solange der Bürger sich nicht darüber aufregt, ist das doch in Ordnung. Niemand wird untergehen. Für jeden gibt es einen BailOut, egal ob er Griechenland, PIGSI, Leipzig oder HRE heißt. Es ist genug Suppe da. Noch.
...and the winner is... Keiner.
Solange ein Nachschuldner zu finden ist, der Altschulden absichert, garantiert, übernimmt und gewaltige neue Schulden machen kann, läuft die Sache vielleicht bisweilen etwas holprig, aber nicht gegen den Baum. Bislang jedenfalls gibt es noch den Staat und seine Steuerzahler als letzte Säule der Stabilität. Nachdem sich auf seine Schultern immer mehr Schuldner setzen, ja förmlich dazu eingeladen werden, stellt sich inzwischen die Frage, welcher Staat diese großen Lasten noch schultern kann. Und dorthin verschiebt man das Geld, bevor es Zeit wird, einen anderen Hafen anzulaufen wo die Wellen weniger stark gegen den Kai schlagen. Der Kompass für den Wellengang sind die Renditen der Staatsanleihen. Und hier kann man leicht tricksen, indem Notenbanken diese auf ihre Bücher nehmen und damit die Zinsen drücken. In Großbritannien und den USA ist das längst Alltag. Nur in Europa nicht.
Doch Moment...! Ich fresse einen Besen (aus Marzipan) wenn man nicht noch auf neue Ideen kommen würde. Schließlich bestünde doch die Möglichkeit, Schattenhaushalte einzurichten. Der EWF könnte dazu ermächtigt werden, am Kapitalmarkt selbst Geld für seine Rettungsaktionen aufzunehmen, heißt es, wodurch die Mitgliedsländer einen riesigen Schattenhaushalt schaffen könnten. Eine weitere Variante wäre, dass die Teilnehmerländer das Geld in den neuen Fonds einschössen. Wer denn bitteschön? Ach, ich auch?
10-jährige deutsche Staatsanleihen bringen im Moment 3,14 Prozent Rendite. Die deutsche Umlaufrendite sank in den letzten Tagen auf 2,75 Prozent.
Es wundert schon, dass der Bund-Future nicht längst schon auf dem Weg nach unten und die Renditen nach oben sind. Deutsche Staatsanleihen scheinen als noch sicher angesehen zu werden. Woher kam das Geld? Keine Ahnung, Vielleicht aus Häfen mit höherem Wellengang als in der deutschen Bucht. Wohin geht es? Ich weiß es nicht. Vermutlich dorthin, wo es sich sicherer glaubt. Und wenn es gar keinen Hafen mehr findet? Dann schlägt die Stunde der Edelmetalle. In einem finanziellen Sturm ist selbst ein Kohlkopf sicherer als ein Schuldversprechen, das unhaltbar geworden ist.
Man sollte in Krücken investieren, denn die werden gerade dringend benötigt. Und dann marschiert man gemeinsam umschlungen weiter, auf dem langen Weg immer größer werdenden Schulden. Oh! Und dann stolpert einer...
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Quelle: » Frank-Meyer.eu