Ein authentisches Beratungsgespräch mit offenem Ausgang
Neulich konnte ich endlich die Einladung eines seit vielen Jahren mit mir befreundeten kinderlosen Ehepaars wahrnehmen, beide gebildet, vermögend und demnächst im Rentenalter. Sie hatten mich schon zwei Mal dringend um ein Gespräch in puncto Finanzen gebeten. Umso erstaunter war ich, als ich dann hörte, dass sie ein Luxusproblem hatten: Wohin mit dem in Kürze zu erwartenden Geld aus einem größeren Immobilienverkauf, der bereits notariell beurkundet war? Die Bitte war so dringend, weil das viele Geld nicht minimal verzinst auf dem Konto bei ihrer Hausbank liegen sollte und weil deren für sie zuständiger sog. Berater ihnen den Kauf von Fonds und Zertifikaten empfahl, sobald das Geld verfügbar sein würde. Das kam den beiden wegen dessen Drängens auf einen baldigen Abschluss nicht geheuer vor. Ihr Ziel war, das Geld so sicher anzulegen, dass es bis ins hohe Alter und dann speziell auch für eventuelle Pflegedienste reichte.
Nach der kurzen Darstellung ihres finanziellen Gesamtstatus und ihrer Pläne stellten die Eheleute mir zunächst eine ganze Reihe von Fragen. Die erste, für mich überraschend: Sollen wir Griechenland-Anleihen kaufen, die verzinsen sich doch so hoch? Nein.Warum nicht? Was soll man da antworten, etwa dass die hohen Zinsen Ausdruck für das hohe Risiko sind? Oder dass Griechenland die Zinszahlungen später einstellen könnte? Alles viel zu kompliziert zu erklären, also lieber gleich den Holzhammer herausgeholt und mit der Antwort gekontert, alle Euroländer seien schon so hoch verschuldet, dass sie ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen können. Das saß, und ich konnte mir weitschweifige Erklärungen sparen, weil die beiden schon viel über die Schuldenkrise gelesen hatten.
Nächste Frage: Hätten wir unser Haus doch nicht verkaufen sollen? Habt ihr aber, wäre die etwas patzige, aber plausible Antwort gewesen. Als höflicher Mensch wies ich die Eheleute stattdessen darauf hin, dass ihr Luxusanwesen weitab von öffentlichen Verkehrsmitteln lag, aus insgesamt drei Etagen bestand und keinen Fahrstuhl hatte, also nicht barrierefrei, demnach fürs Alter ungeeignet war. Die nächste Frage lag förmlich in der Luft: Aber schützen Immobilien nicht vor Inflation? Noch bevor mir dazu die plausibelsten Thesen und Antithesen einfielen, drosch ich einfach einen bekannten Immobilienspruch herunter. Lage Lage Lage. Auch das saß, hatte aber unweigerlich zur Folge, dass ich nun weit ausholen musste, um den beiden klar zu machen: Der Schutz vor Inflation durch Immobilien hängt, außer von der Lage, auch von allen möglichen anderen, mit ihr mehr oder weniger verbundenen Faktoren ab, wie Infrastruktur, Verkehrsanbindung, Schulen und sonstige Bildungsstätten, Stadt oder Land, Wirtschaftskraft der Region und so weiter.
Die darauf folgende Frage lag ebenfalls in der Luft: Sollen wir ein entsprechendes Objekt, das allen entscheidenden Kriterien genügt, mieten oder kaufen? Schwer zu beantworten. Denn hier hinken alle Vergleichsrechnungen, auch wenn Immobilienmakler, Bausparkassen und Interessenverbände der Immobilienwirtschaft uns in diesem Punkt immer wieder etwas vorzumachen versuchen. Allein schon wegen der fünf großen Unbekannten: verbleibende eigene Lebenszeit, Höhe der späteren Inflation, Entwicklung des Mietrechts, kommende Baufertigstellungen, zukünftige Besteuerung von Immobilien. Als ich diese Themen nur anriss, war unser Ehepaar nicht mehr richtig bei der Sache – zu kompliziert.
Also ein weiterer Versuch: Angenommen, ihr lebt noch 20 Jahre und die Inflationsrate beträgt in dieser Zeit pro Jahr durchschnittlich fünf Prozent, dann solltet ihr den Kauf einer barrierefreien, gängigen und deshalb später problemlos liquidierbaren Eigentumswohnung in guter städtischer Lage erwägen. Für diesen Fall kann euch die Mietentwicklung ebenso schnuppe sein wie irgendein nörgelnder Vermieter. Nachteil: Ihr bindet jetzt relativ viel Kapital. Folglich müsst ihr für ausreichend Liquidität sorgen, um die laufenden Ausgaben bestreiten zu können, zu denen unter anderem die steigenden Nebenkosten der Eigentumswohnung gehören. Geht diesen Fall mit alternativen Lebenserwartungen und Inflationsraten, aber auch mit verschiedenen Annahmen zu den übrigen Unbekannten durch und entscheidet euch schließlich für Kauf oder Miete.
Beim Stichwort Liquidität blitzte es unseren Eheleuten aus den Augen, denn sie wollten von mir auch erfahren, wie sie es mit den vom Bankberater empfohlenen Fonds und Zertifikaten halten sollten und ob sich jetzt noch der Kauf von Aktien oder Edelmetallen lohne. Wieder so eine nicht generell zu beantwortende Frage, denn hier muss man zwangsläufig alle möglichen Nebenbedingungen beachten, von quantitativen - wie Einnahmen, Ausgaben und Vermögen – bis zu qualitativen – wie Sicherheitsbedürfnis, Konsumwünsche und sogar Spekulationslust. Um Fonds und Zertifikate machte ich einen Bogen, indem ich auf deren grundsätzliche Probleme hinwies (bei Fonds überwiegend zu starke Spezialisierung und extern kaum mögliche Managementbewertung, bei Zertifikaten mangelnde Transparenz und Spekulation auf eine unbekannte kommende Entwicklung).
Beim Thema Aktien fiel mir Gott sei Dank rechtzeitig die alte Anlageregel ein: Aktienanteil in Prozent gleich 100 minus Lebensalter. Dazu der Hinweis auf die richtige Aktienauswahl und das wichtige Timing. Außerdem der Rat, im Fall von wenig Erfahrung mit Aktien erst einmal das Börsengeschehen nur zu beobachten und dann mit kleinen Einsätzen zu beginnen. Das alles leuchtete unserem Ehepaar zwar ein, aber es vermisste noch einen heißen Tipp. Den musste ich ihm schuldig bleiben, weil heiße Tipps für Leute kurz vor dem Rentenalter bei denen schnell zu einem Herzinfarkt führen können, falls ein Tipp zum Flop wird.
Als wir auf Edelmetalle zu sprechen kamen, schlugen mir zunächst einige Vorurteile entgegen: zinslos, spekulativ, starke Preisschwankungen, die Hausbank rät ab, schon zu teuer. Also ran an die Vorurteile: Zinslos stimmt, hat aber nichts zu bedeuten, solange die Preise steigen. Spekulativ sind höchstens die Menschen, aber weder Edelmetalle noch Aktien oder sonstige Anlagen. Preisschwankungen im Vergleich zum Euro oder zum Dollar schön und gut, doch so stark sind sie nun auch wieder nicht; man kann sich durchaus auf den Standpunkt stellen, dass Papierwährungen im Verhältnis zu den Edelmetallen schwanken und nicht umgekehrt. Wenn die Hausbank abrät, bedeutet das vor allem, dass sie mit Edelmetallen kaum Geld verdienen kann. Und dem Argument, sie seien schon zu teuer, lässt sich einfach mit der These begegnen, dass Preise nicht schon deshalb zu fallen drohen, nur weil sie vorher gestiegen sind.
Am Ende waren unsere Eheleute zwar dankbar für die Aufklärung, aber unentschlossen. Oder treffender formuliert: Sie entschlossen sich, den in Kürze auf ihrem Konto landenden hohen Betrag zunächst niedrig verzinst dort zu lassen. Hoffentlich macht ihr Bankberater ihnen nicht mit Verkaufstricks die Hölle heiß. Wahrscheinlich werde ich sie bald anrufen und ihnen wenigstens für einen gewissen Teil ihres Geldes die Umschichtung in physische Edelmetalle empfehlen. Als zugkräftiges, wenngleich nicht unbedingt entscheidendes Argument werde ich mir einfallen lassen, dass der Gewinn aus Edelmetallen nach einem Jahr nicht der Abgeltungsteuer unterliegt und dass Goldbarren und -anlagemünzen sogar von der Umsatzsteuer befreit sind. Das Thema Steuern zieht in Deutschland halt immer noch am meisten.
Manfred Gburek, 23. April 2010
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Quelle: » gburek.eu