Umverteilung auf Umwegen
Jean-Claude Trichet, der Präsident der Europäischen Zentralbank, hat offenbar ein besonderes Gespür für das richtige Timing, jedenfalls von seiner Warte aus betrachtet: Er lud unseren Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten zum 13. Dezember ein. Es wurde ein richtig netter Abend - bis auf die Tatsache, dass Trichet uns die eigentliche Sensation vorenthielt und sich dadurch vor unliebsamen Fragen schützte: die EZB-Kapitalerhöhung.
Deren Einzelheiten gelangten dann in den darauf folgenden Tagen auf wundersame Weise über verschlungene Medienpfade ans Licht der Öffentlichkeit. Lesen Sie zu deren Hintergründen am besten meine letzte Kolumne bei wiwo.de. Deren Quintessenz: Auf dem Umweg über die EZB-Kapitalerhöhung wird Deutschland wieder einmal etwas ärmer gemacht. Dass auch die anderen Länder des Euroraums Opfer bringen müssen, steht zwar außer Frage, aber das deutsche Opfer ist am größten.
Die Medien, denen das Attribut „Mainstream“ anhaftet, behandelten das brisante Thema bezeichnenderweise eher am Rande. Stattdessen konzentrierten sie sich auf das Blabla vom Gipfel der Staats- und Regierungschefs, das man in einem einzigen Satz hätte zusammenfassen können: Das Fortbestehen des Euro wird mit allen Mitteln verteidigt, koste es, was es wolle. Wenn allerdings ein Euroland nach dem anderen auf offener internationaler Bühne regelrecht vorgeführt wird, kostet die Verteidigung immer mehr Geld – primär deutsches Geld.
Während in Deutschland die Leute wegen des Bahnprojekts Stuttgart 21 oder aus Anlass des Castor-Transports vergleichsweise friedlich demonstrieren, gehen Griechen, Italiener und bald sicher auch wieder Franzosen viel rabiater vor. Dann fliegen schon mal Steine und Molotowcocktails. So etwas kann indes auch in Deutschland passieren, wie sich am Vandalismus im Berliner In-Viertel Prenzlauer Berg oder in Hamburg gezeigt hat.
Die Motive der Streikenden und der Randalierer mögen noch so unterschiedlich sein, einen gemeinsamen Nenner gibt es doch: Es ist der Unterschied zwischen Arm und Reich, zwischen dem Establishment (klassischer Fall: Politiker) und allen, die vom Establishment bevormundet werden. Arm und Reich, das bedeutet nicht nur: hier Arbeiter und Angestellte, da Unternehmer, Manager und Banker. Das bedeutet auch: hier Griechen, Iren, Portugiesen, Spanier u.a., da Deutsche.
Aus dieser Konstellation ergibt sich unausweichlich eine Folge, mit der Sie auf jeden Fall rechnen müssen: Umverteilung. Dazu benutzen Politiker – aus Anlass der EZB-Kapitalerhöhung im Verbund mit Notenbankern – gern Umwege. Als Rot-Grün an der Macht war, fand die Umverteilung unter dem Schlagwort „soziale Gerechtigkeit“ statt. Das war geradezu harmlos im Vergleich zur aktuellen Euro-Umverteilung. Seinerzeit, als der Euro noch in den Kinderschuhen steckte, war die Umverteilung vor allem national, dagegen ist sie heute in erster Linie international: Deutschland und Frankreich gegen den Rest der Euroländer (was sich aber schnell ändern kann), Industrieländer (vulgo Steuerwüsten) gegen Steueroasen, USA gegen China, Ratingagenturen gegen Länder, die - wirklich oder nur angeblich – ihre Finanzen nicht im Griff haben, US-Banken gegen Gold usw.
Irgendwie treffen sich nationale und internationale Umverteilung immer wieder, was aus Anlass der verschiedenen Rettungsversuche zugunsten des Euro besonders deutlich zu erkennen ist: Wenn Kanzlerin Angela Merkel die Parole ausgibt, mit dem Euro-Fall falle auch Europa, hört sich das zunächst nur wie eine Floskel an. In Wahrheit ist es aber schon der Vorgriff auf die nächsten Transferzahlungen in Richtung der finanziell schwachen Euroländer, nur dass nicht allein die Kanzlerin, sondern auch so gut wie alle anderen Politiker das Wort „Transfer“ meiden wie der Teufel das Weihwasser.
Das Thema Euro hat in letzter Zeit – über das ganze Gerede zur Rettung der Gemeinschaftswährung hinaus – einen seltsamen Dreh ins Surreale bekommen. Da werden Passanten auf der Straße gefragt, ob sie die Mark zurück haben wollen, Euro-Befürworter und -Gegner diskutieren sich im Fernsehen die Köpfe heiß, Professoren und Kommentatoren machen Vorschläge zur Euro-Rettung, die auf theoretischen Hirngespinsten beruhen – und US-Medien machen dort weiter, wo sie mit Österreich (erfolglos) und mit Griechenland (erfolgreich) angefangen haben: Indem sie den Euro nach Strich und Faden schlecht reden, was natürlich dem Dollar zugute kommt.
Falls Sie Gold und Silber besitzen, brauchen Sie sich darüber allerdings keine Sorgen zu machen. Denn als – hoffentlich ständiger – Beobachter der Märkte stellen Sie ja fest, dass jeder Euro-Rückgang gegen den Dollar bei stagnierendem Gold- und Silberpreis in Dollar Ihnen einen Gewinn in Euro beschert, folglich Ihre Kaufkraft innerhalb des Euroraums erhöht. Diese Phase hält seit geraumer Zeit an. Das heißt, die frühere Regel (schwacher Dollar = starkes Gold und Silber in Dollar) ist fürs Erste außer Kraft gesetzt.
Geht man den Ursachen dieses Phänomens auf den Grund, stellt sich heraus, dass die aktuelle Dollar-Stärke im Vergleich zum Euro nicht allein auf dem Mist der US-Medien und -Ratingagenturen gewachsen ist, sondern dass die amerikanische Konjunktur anspringt. Die Renditen der US-Staatsanleihen sind ja schon gestiegen, die meisten Wirtschaftsindikatoren ebenfalls. Sogar der Immobiliensektor vermeldet hier und da etwas Positives, was allerdings noch kein Anlass zum Jubeln sein sollte.
Angenommen, die Renditen der Anleihen steigen weiter, und zwar nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland (in den anderen Euroländern sowieso) und weltweit (vor allem in China), dann wäre das ein Spiegelbild fallender Anleihenkurse. Eine solche Entwicklung lässt sich in der Regel als Anstieg der Inflationserwartungen interpretieren. Kommt sie erst einmal in Gang, ist sie nicht so schnell zu stoppen. Von ihr profitieren die Edelmetallpreise. Grund genug, zu Weihnachten das eine oder andere Gold- oder Silberstück auf den Gabentisch zu legen. In diesem Sinn: Besinnliche, vor allem aber auch frohe Weihnachten!
Manfred Gburek, 17. Dezember 2010
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Quelle: » gburek.eu