Schonzeit für den Silberadler
HANDELSBLATT, Mittwoch, 11. Juni 2008, 19:12 Uhr
Von Ianthe Jeanne Dugan
Während des Zweiten Weltkriegs rationierte die US-Regierung Nahrungsmittel, in den 70er-Jahren während der Ölkrise war es Benzin. Nun gibt es seit kurzem wieder Beschränkungen: Dollar-Münzen aus dem Jahr 2008, auch als „Silberadler“ bekannt, sind Mangelware geworden. Händler und Anleger sind verärgert.
BRIDGEWATER. Der Grund: Die Münzen enthalten jeweils eine Unze (rund 31 Gramm) Silber. Das macht sie so beliebt bei US-Anlegern, die nach Alternativen zu Aktien und Immobilien suchen. Die US-Münzanstalt kommt mit der Herstellung der begehrten Geldstücke gar nicht mehr hinterher. Im März wurden deshalb plötzlich keine Bestellungen mehr angenommen. Seit Ende April gibt die Münzanstalt die Silberlinge nur noch in begrenzter Menge an die Kunden ab.
„Das ging praktisch über Nacht los“, sagt Mark Oliari, Inhaber der Firma Coins ’N Things Inc. in Bridgewater im Bundesstaat Massachusetts. Das Unternehmen ist einer der größten Aufkäufer der Silberadler. Die Nachfrage seiner Kunden hat sich seit dem vergangenen Jahr verdoppelt. Oliari würde deshalb gerne 500 000 Münzen pro Woche kaufen. Aber die Münzprägeanstalt verkauft ihm lediglich um die 100 000.
Die Münzen haben einen Nennwert von einem Dollar. Aber der Wert, zu dem die Münzprägeanstalt sie abgibt, richtet sich nach dem aktuellen Silberpreis. Hinzu kommt noch ein Aufschlag. Nur insgesamt 13 Aufkäufer, darunter Großhändler, Edelmetallhändler, Maklerfirmen, Münzhändler und Banken, sind berechtigt, die Geldstücke direkt von der Münzanstalt zu beziehen. Die Händler schlagen dann ihre Spanne auf, bevor sie die Münzen an ihre Kunden weiter verkaufen. Derzeit erzielen die Silbermünzen 19 Dollar das Stück, bisweilen überschreitet der Preis sogar 20 Dollar.
Allein Coins ’N Things verliert durch den Engpass bei den Silbermünzen mehrere Hunderttausend Dollar an Einnahmen. Die Firma verkauft jährlich Edelmetall im Wert von einer Milliarde Dollar, darunter Silber-, Gold- und Platinmünzen. Oliari, ein 50-jähriger Numismatiker, der seit 1973 mit Münzen handelt, ist wütend: „Das, was ich über die Münzanstalt zu sagen hätte, ist nicht druckreif“, schnaubt er.
Die Münzanstalt, die dem Finanzministerium unterstellt ist, hat bislang nicht wirklich erklären können, warum sie die Silberadler rationieren muss. Mitte Mai teilte sie den Händlern mit, die unvorhersehbar große Nachfrage nach den „Silver Eagles“ mache es notwendig, jedem Händler wöchentlich ein Kontingent an Münzen zuzuweisen, bis man in der Lage sei, die Nachfrage wieder zu decken. Über die Gründe für die Münzknappheit wollte sich die Behörde nicht näher äußern.
Der seltene Engpass bei den Münzen ist die Folge eines rasanten Anstiegs bei der Nachfrage nach Silber. Einst als „Gold des armen Mannes“ bekannt, wurde Silber traditionell in größeren Mengen gefördert als Gold und war deshalb auch immer sehr viel billiger. Derzeit erzielt das Metall weniger als zwei Prozent des Goldwertes.
Aber Silber wird dennoch immer beliebter. Einige Investoren setzen darauf, dass sein Wert in die Höhe schießt, wenn die Bestände zurückgehen. Große Investoren decken sich daher mit den Silberadlern ein, denn dies sind die einzigen US-Silbermünzen, die für private Altersvorsorgepläne zugelassen sind. Für kleinere Investoren sind die Silbertaler ein erschwinglicher Weg, um sich ihren Anteil am Metallboom zu sichern.
„Im Gegensatz zu Gold kann sich auch der Normalbürger diese Münzen leisten“, sagt J.R. Roland, ein Richter aus Brownsville im Bundesstaat Tennessee, der seit kurzem Silbermünzen kauft und auch bei Ebay damit handelt. „In diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind Silbermünzen eine hervorragende Möglichkeit zu investieren“, sagt Roland.
Im März stieg der Verkauf der Silberadler um das Neunfache im Vergleich zum Vormonat auf 1,85 Millionen. Bislang hat die Münzanstalt in diesem Jahr 6,8 Millionen Silbermünzen verkauft, etwa doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Wenn es nach den Münzhändlern ginge, wären es noch einige Millionen mehr. Grund ist der steigende Silberpreis, der sich in den vergangenen drei Jahren mehr als verdoppelt hat und nun bei 17 Dollar pro Feinunze liegt.
Linda Wood stöbert deshalb auf der Suche nach den Silberadlern systematisch in Münzläden, auf Flohmärkten und auch bei Ebay. Nach und nach hat die 57-jährige Buchhalterin auf diese Weise in den vergangenen fünf Monaten 300 der Silbermünzen aufgekauft. Die bewahrt sie sorgsam in einem Banksafe auf.
Traditionelle Münzsammler mag die Schönheit des Silberadlers beeindrucken, den eine von der Regierung herausgegebene Broschüre als „eine der schönsten Münzen, die je geprägt wurden“, preist. Doch Linda Wood interessiert sich wenig für die Ästhetik der Geldstücke. „Es wäre mir völlig egal, wenn sie hässlich wären“, sagt sie. „Ich will nur das Silber.“ Wood wurde zur Silbersammlerin, nachdem sie und ihr Mann feststellten, dass der Wert ihrer privaten Altersvorsorgekonten um 2 500 Dollar geschrumpft war.
Auch zweifelhafte Geschäftemacher versuchen, Profit aus der Knappheit der Münzen zu schlagen. Manche verlangen 25 Euro und mehr für einen Silberadler. Richter Roland musste kürzlich einen Monat lang auf eine Lieferung von Münzen warten, die er bei einem Ebay-Händler bestellt hatte. Der Grund: Der Verkäufer hatte die Ware selbst noch gar nicht bekommen. „Ich kann nicht so lange warten, denn man weiß nie, wohin der Preis geht“, sagt Roland.
Münzhändler Dan Zirk aus Manitowoc im Bundesstaat Wisconsin verkaufte bislang im Vergleich zum vergangenen Jahr doppelt so viele Silbermünzen. Jetzt hat er nur noch eine Handvoll Münzen von 2008 übrig. Und die will er erst einmal nicht verkaufen. Er setzt auf steigende Preise. „Ich will 22 Dollar das Stück“, sagt Zirk. Mittlerweile fragen seine Kunden auch nach Prägungen aus früheren Jahren und nach anderen Silberartikeln.
Einige Investoren meinen aber, dass diese Entwicklung bei den Silberpreisen nicht gut gehen kann. Sie erinnern an ein ähnliches Szenario in den 70er-Jahren. Damals steckte eine reiche texanische Familie Milliarden Dollar in Silber und trieb damit die Preise in die Höhe, so dass 1980 eine Unze 50 Dollar kostete. Nachdem die Regierung intervenierte, fiel der Preis aber schlagartig wieder. „Was heute passiert, ist ganz ähnlich wie damals, als die Gebrüder Hunt versuchten, den Silbermarkt aufzukaufen“, sagt Wendell Curry, Inhaber der Firma Mc Allen Gold & Silver Exchange im texanischen McAllen. „Jetzt versuchen die Silbergeier, die amerikanischen Silberadler aufzukaufen. Und sie machen es damit Großeltern schwerer, die solche Münzen gerne ihren Enkeln schenken würden.“ Wall Street Journal
Rare Münze
Knappe RohlingeDie Erfolgsgeschichte des Silberadlers begann 1986, als die US-Regierung die Münze erstmals prägen ließ. Die Münzen werden in einem gut gesicherten Gebäude gleich neben der Militärakademie West Point im Bundesstaat New York hergestellt. Nach Angaben von Händlern sind dort die Rohlinge ausgegangen. Diese Rohlinge bezieht die Münzanstalt von anderen Firmen, die auch andere Prägeanstalten beliefert. Hier scheint der Engpass zu liegen, denn die Hersteller der Rohlinge sind offenbar überlastet. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es aber nicht.
Wilde SpekulationenDie Münzanstalt hatte schon einmal den Verkauf limitiert, nämlich Ende der 90er-Jahre. Damals kauften Investoren ebenfalls größere Mengen Silber, weil sie darauf spekulierten, dass beim Jahreswechsel 1999/2000 viele Computer abstürzen würden und dadurch eine weltweite Wirtschaftskrise ausgelöst würde. Die Wette schlug fehl.
Kanadische Alternative Angelockt durch den hohen Silberpreis (s. Grafik) kaufen die Investoren auf der Suche nach Alternativen nun verstärkt kanadische Münzen.
Quelle: http://www.handelsblatt.com