Flucht aus der Fluchtwährung
Märkte neigen zum kollektiven Selbstbetrug. Dass der Dollar immer noch als sicherer Hafen gilt, ist einer der irrwitzigsten.
Der Devisenmarkt wirkt langsam lächerlich. Gehen die Aktienmärkte fester, wird der Euro gesucht. Fallen die Börsen, flüchten die Anleger hingegen in den sicheren Hafen des Dollar. Sicherer Hafen? Humbug. Während die Beschäftigung im Euro-Raum im vierten Quartal um 0,3 Prozent gefallen ist und damit immerhin noch auf dem Niveau des Vorjahrs liegt, haben die USA im selben Zeitraum Rückschläge von 0,9 respektive 1,6 Prozent verzeichnet. Während die realen Einzelhandelsumsätze im Euro-Raum im Januar um 2,2 Prozent unter dem Vorjahr gelegen haben, sind sie in den USA um 6,9 Prozent gesunken. Und während die EZB ihren Zinssenkungszyklus erst vor einem halben Jahr eingeleitet hat und damit nunmehr einen Rückgang der Geldmarktzinsen von fast vier Prozentpunkten bewirkt hat, der vor allem die Hausbesitzer an der Peripherie mit ihren variablen Hypotheken enorm entlasten wird, hat sich in den USA die konventionelle Zinspolitik anderthalb Jahre nach dem Beginn der Leitsatzversenkung längst als wirkungslos erwiesen.
Mit Blick auf die verqueren BIP- oder Produktionsstatistiken scheinen die Anleger dennoch zu glauben, dass Europa inzwischen schlimmer von der Krise betroffen ist als Amerika, obwohl die Arbeitslosenquote jenseits des Atlantiks in der weitesten offiziellen Abgrenzung seit dem vierten Quartal 2007 inzwischen um gute sechs (!) Prozentpunkte gestiegen ist. Oder sie glauben wenigstens, dass die USA, die ebenso wie der Euro-Raum von einer massiven Verbesserung der Terms of Trade profitieren, schneller aus der Krise herauskommen werden. Wiederum Humbug. Es sind die vermögenspreisabhängigen US-Verbraucher, die - gezwungenermaßen - auf die Vollbremse treten, um ihre desaströse Finanzlage in Ordnung zu bringen, nicht die relativ sparsamen Kontinentaleuropäer. Das ist der Grund, warum die USA ungleich höhere Fiskalprogramme auflegen (müssen), zumal in Europa die Sozialsysteme (automatische Stabilisatoren) weit generöser sind - und die viel gescholtene Inflexibilität einem Arbeitsmarktgemetzel à la USA entgegensteht.
Aber denken wir einmal etwas strategischer und sehen auch von dem hübschen Handelsdefizit ab, das die USA selbst bei einbrechender Inlandsnachfrage noch ausweisen. Wie Bloomberg am Montag berichtete, könnten jene Anleger, die in den vergangenen Monaten in die quasi zinslose US-Währung geflohen sind, bei den ersten Anzeichen einer konjunkturellen Erholung auf riskantere Aktiva rund um die Welt umsatteln und so eine Dollar-Verkaufswelle auslösen. Richtig. Doch was ist, wenn es keine Erholung gibt? Dann würde die Option einer Abwertung für die USA täglich attraktiver, wenngleich das ein gefährliches Spiel wäre. Dass die Fed Gewehr bei Fuß steht, US-Staatsanleihen im großen Stil aufzukaufen, sagt eigentlich bereits alles. Ein schönes Chance-Risiko-Verhältnis ist das, das die Weltreservewährung da bietet.
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