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Staatskapitalismus und Sozialismus made in Germany

Zurzeit gibt es so viel zu kommentieren, dass ich mich hier auf einige persönliche Eindrücke beschränken möchte. Dazu liefern die sprichwörtlichen großen Tiere gerade uns Journalisten immer wieder den nötigen Stoff. Wie Siemens-Chef Löscher am Montag im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten. Da wirkte er schon dünnhäutiger als vor seinem Amtsantritt im Sommer 2007. Dennoch ließ er keine Zweifel aufkommen, dass er Siemens weiter total umkrempeln wird. Welch ein Bild des Jammers bietet dagegen das Gerangel um die Dresdner Bank - eine Schande. Und während man sich beim Bankgeschäft generell fragen muss, wofür es in vielen Fällen überhaupt gut sein soll, baut Siemens den Konzern "mit dem größten Umweltportfolio weltweit" (Löscher) zügig um. Setzen Sie also auch die Siemens-Aktie auf Ihre Beobachtungsliste. Aber bitte noch nicht mehr. Denn zum einen müssen die Korruptionsfälle aus der Vergangenheit aufgearbeitet werden, zum anderen wird nach Löschers Aussage auch Siemens "von der Abflachung der Weltkonjunktur betroffen sein". Auf mittlere Sicht positiv ist das Aktienprogramm von Siemens: Löscher hat alle Führungskräfte mehr oder weniger dazu verdonnert, einen nicht unerheblichen Teil des Gehalts in Siemens-Aktien zu beziehen, und ist mit gutem Beispiel vorangegangen. Übrigens vertritt er zu Bundeskanzlerin Merkel eine im Vergleich zur Medienschelte, die sie diesbezüglich zuletzt einstecken musste, eine konträre Meinung: "Wir können stolz auf sie sein. Sie unterstützt die Unternehmen hervorragend."
Lassen wir das einfach mal so stehen und wenden wir uns einem Coup des Bundes zu, der von den Medien bei Weitem noch nicht in dem Ausmaß gewürdigt wurde, wie es angemessen gewesen wäre: Der Bund wird den Banken auf dem Kapitalmarkt Konkurrenz machen, und das nicht zu knapp. Nachdem er Anfang Juli seine Tagesanleihe lanciert hat, die im Wettbewerb zu Tagesgeldkonten der Banken steht, wird er einen Sparplan auf Bundespapiere und einen mit Inflationsschutz ausgestatteten Bundesschatzbrief Typ A bringen. Dagegen sind weitere Ideen, etwa ein Floater (variabel verzinsliche Anleihe) oder der kostenlose Kauf aller Bundeswertpapiere über die Finanzagentur des Bundes, vorerst in der Schublade verschwunden. Wie auch immer, der Bund wird sich das Geld, das er zur Finanzierung der aus seiner Sicht nötigen Vorhaben dringend braucht, ohne Rücksicht auf die Interessen der Banken (und Sparkassen) am Kapitalmarkt besorgen. Daraus folgt: Der Staatskapitalismus ist in den Köpfen der Politiker längst schon weiter gediehen, als es sich die meisten Deutschen überhaupt vorstellen können. Und das, obwohl die Milliarden schwere Pannenserie, die mit dem Verkauf der Skandalbank IKB an den US-Investor Lone Star kürzlich ihren Abschluss gefunden hat, auch von der Staatsbank KfW ausgegangen war: Deren (un)verantwortliche Gremien hatten offenbar nichts dagegen unternommen, dass die IKB, an der die KfW maßgebend beteiligt war, Milliarden verzockte. Damit hat die Sozialisierung von Verlusten eine neue Dimension erreicht: Am Ende kommen die deutschen Steuerzahler für die Fehler schlafmütziger Aufseher der KfW auf, zu denen übrigens auch Linksaußen Lafontaine gehört. So gesehen, erscheinen die erweiterten Kapitalbeschaffungsmaßnahmen des Bundes in ganz neuem Licht.
Der Linkstrend in Raten macht sich anderweitig ebenfalls bemerkbar. Er geht allerdings so schleichend vonstatten, dass die Öffentlichkeit noch gar nicht richtig sensibilisiert ist. Nehmen wir die Energieeinsparverordnung, durch die Immobilieneigentümer geradezu in die Privatinsolvenz getrieben werden können, weil die Umlage zusätzlicher Kosten begrenzt ist. Allein schon dieser Umstand läuft vielfach auf eine kalte Enteignung hinaus. Doch als wenn das nicht genug wäre, gibt es vor allem in der Berliner SPD Stimmen, die für noch mehr Enteignung plädieren. Natürlich nimmt niemand dieses böse Wort in den Mund, sondern es heißt zum Beispiel: "Der energetische Bauzustand der Wohnungen soll als eigenständiges Merkmal in den Mietspiegel aufgenommen werden." Oder schon etwas deutlicher: Man werde versuchen, "auf die Mietpreisentwicklung Einfluss zu nehmen". Wem das immer noch harmlos erscheint, weil es die Einflussnahme ja schon seit Jahrzehnten gibt, der sollte sich dazu diese hanebüchene, von purem Sozialismus geprägte Begründung durch den Kopf gehen lassen: Weil "Berlin eine Mieterstadt ist und wir eine soziale Mischung in Berlin behalten wollen". Das heißt, erst wurden die Berliner Mieten - letzten Endes zu Lasten der Steuerzahler - herunter subventioniert, und jetzt sollen die Lasten auf Vermieter übertragen werden, deren Mieterträge ohnehin lächerlich gering sind. Ein Staat, in dem solch klassenkämpferische Gedanken ernsthaft geäußert werden, gehört selbst von Grund auf reformiert.
Wahrscheinlich fragen Sie sich jetzt, welche Konsequenzen Sie aus all dem, was ich Ihnen heute schreibe, für Ihr Geld ziehen sollen. Lassen Sie mich deshalb die hier geäußerten Gedanken in Kurzform zusammenfassen: Konzerne wie Siemens werden beim nächsten Wirtschaftsaufschwung zu den großen Gewinnern gehören, nicht zuletzt auch deshalb, weil Politiker wie Kanzlerin Merkel ihnen in der großen weiten Welt hilfreich zur Seite stehen. - Der Bund wird sich das ihm fehlende Geld am Kapitalmarkt besorgen, koste es, was es wolle, und letztlich werden die Banken ihm sogar dabei helfen. - Wenn der Staat Bankier spielt, geht das in der Regel daneben. Das gilt auch für Sparkassen und erst recht für Landesbanken. - Vermieter werden, wie beschrieben, so lange kalt enteignet, bis die Sache den - in allen Parteien mehr oder weniger vorhandenen - Sozialisten zu heiß zu werden droht. Erst dann wird die Mehrheit der Politiker schlagartig umschwenken und wie gehabt ein Programm aus dem Boden stampfen, das auf eine Kombination von Mieter- und Vermietersubventionen hinauslaufen dürfte. In wenigen Jahren werden die Mieten und Mietnebenkosten für einen immer größeren Teil der Bevölkerung unbezahlbar sein. Bereits heute sind preiswerte Wohnungen Mangelware, und die Nebenkosten drohen auszuufern.
Wenn Sie nicht partout beweglich sein wollen und nicht häufig umziehen müssen, sollten Sie also schon jetzt nach einem Haus oder einer Wohnung zur Eigennutzung (nicht zur Vermietung) Ausschau halten. Damit schlagen Sie der Inflation wenigstens ein kleines Schnippchen. Ob Sie ihr mit der Tagesanleihe des Bundes, mit Tagesgeldkonten bei Banken und Sparkassen oder - später - mit inflationsindexierten Bundschatzbriefen für den liquiden Teil Ihres Vermögens ein weiteres Schnippchen schlagen, hängt von Ihren persönlichen Finanzen insgesamt ab. Auf jeden Fall sollten auch Gold und Silber aus den in den vergangenen Monaten immer wieder genannten Gründen dazu gehören. Dagegen lässt die seit langem anhaltende Seitwärtsbewegung an den führenden Aktienmärkten noch kein Fazit zu. Warten Sie hier also am besten weiter mit Engagements. Und ebenso, wie Sie bei den gängigen Aktien Geduld brauchen, bis akzeptable Einstandskurse erreicht sind, müssen Sie Geduld aufbringen, bis der Goldpreis in Dollar wieder vierstellig notiert. Eines ist indes so gut wie sicher: Das wird früher sein als der optimale Kaufzeitpunkt für Aktien aus Dax, Dow Jones & Co. Zum Thema Edelmetalle bald mehr, denn hier tut sich etwas, was aus den hektischen Preisbewegungen der vergangenen Tage leicht abzulesen ist.

Manfred Gburek, 29. August 2008
Quelle: http://www.gburek.eu/