Lasst den Schampus noch kalt stehen
von Matthias Eberle
Droht im Zuge des Bankendesasters die größte Krise unserer Generation, wie die Rekordeinbußen an den Weltbörsen in der Vorwoche vermuten lassen? Oder wird alles nur halb so schlimm, wie uns die Aktienmärkte nun mit ihrer Rally im Bärenmarkt vorgaukeln? Die enormen Schwankungsbreiten zeigen dieser Tage vor allem eines: Nie zuvor war sich die Finanzwelt so unsicher bei der Beurteilung einer Krise. Selbst wenn die schlimmsten Hiobsbotschaften aus dem Finanzsektor hinter uns liegen sollten, besteht zum Feiern kein Anlass.
Niemand vermag heute realistisch einzuschätzen, wie tiefgreifend das Finanzsystem wirklich gestört ist und wie lange es dauern wird, bis die Wirtschaft ihr Lebenselixier zurückerhält: Kredite. Selbst die besten Ökonomen, Analysten und Unternehmensführer können nicht voraussagen, welche Industrienationen und Märkte von der riesigen Schuldenlawine, bei der schon mal Billionen mit Trillionen durcheinandergeraten, so getroffen werden, dass auch die Realwirtschaft leidet.
Die USA sind mit einiger Sicherheit dabei. Schon machen Prognosen eines 2009 um vier Prozent schrumpfenden Bruttoinlandsprodukts die Runde. Die Exportnation Deutschland wird es vermutlich erwischen, wie das aktuelle Herbstgutachten der Wirtschaftsforscher warnt. Aber rollt die Problemlawine weiter, bis ins Reich der Mitte etwa? Immerhin hat China im Vorjahr Waren im Wert von 1,2 Billionen Dollar exportiert - unter anderem als großer US-Lieferant für Elektronik und Elektrotechnik, Stahl und Industriemaschinen. Die Ansteckungsgefahr im globalen Zirkus ist akut, aber schwer zu greifen.
Solange nicht klar ist, wie rasch sich das Finanzsystem von den Schockwellen der geplatzten Schuldenblase erholt, sind die Kreditmärkte der zuverlässigere Pulsmesser als die Weltbörsen. Sie zeigen allenfalls eine leichte Entspannung an und vollführen keine schnellen Freudensprünge wie Dax oder Dow Jones. Deren Euphorie könnte sich rasch erschöpfen, wird die Erholung doch in erster Linie von der Hoffnung getragen, dass die Politik führender Industrienationen die Lage jetzt im Griff hat und stabilisiert, systemkritische Banken absichert und damit nicht zuletzt die Ersparnisse ihrer Bürger. Diese Hoffnung steht aber auf wackligen Beinen, selbst wenn das Krisenmanagement der Hauptdarsteller inzwischen besser funktioniert als in den Monaten zuvor.
In der Zwischenzeit hat sich die Realwirtschaft deutlich abgekühlt, wie die ersten Ergebnisse der Berichtssaison zum dritten Quartal zeigen. Selbst wenn die größte Gefahr gebannt sein sollte, der Zusammenbruch des Finanzsystems, bedeutet das für die Realwirtschaft keine Entwarnung, weil der Schuldenabbau an der Wall Street unter heftigen Schmerzen weitergehen muss. Das zieht viele Unternehmen in Mitleidenschaft. Schon hat insbesondere die weltgrößte Volkswirtschaft Amerika zahlreiche weitere Brandherde zu löschen. Die Branchen Bau und Verkehr, Gastronomie und Handel stehen vor einem harten Winter. Um ihn überleben zu können, hoffen die schwächeren Teilnehmer entweder auf ein Wunder oder - realistischer - auf die heimische Regierung. So kommt der Notruf nach Staatshilfen branchen- wie länderübergreifend in Mode. Mit dem Banken-Rettungsplan ist nur ein Anfang gemacht. Ein schnelles Ende ist nicht abzusehen.
Dieser Beitrag wurde nicht geprüft, www.silbernews.at übernimmt keine Verantwortung für Angemessenheit oder Genauigkeit dieser Mitteilung. Quelle: http://www.handelsblatt.com