Krise erfasst auch Österreich
von Stefan Menzel
Auch in Österreich müssen etliche Firmen ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken oder entlassen. Die Krise gefährdet die Erfolgsgeschichte des Alpenlandes. Besonders das Engagement der österreichischen Wirtschaft in Osteuropa zahlt sich nicht mehr aus.
WIEN. Österreich, im vergangenen Jahr noch ein Hort der wirtschaftlichen Stabilität, spürt zunehmend die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise. Die Zahl von Kurzarbeitern und Arbeitslosen ist in den vergangenen Wochen deutlich in die Höhe gegangen. Besonders betroffen sind die stark exportabhängigen Automobilzulieferer, die unter der Absatzkrise der Branche leiden. Zunehmend Sorgen macht sich Österreich auch um seine Banken, die stark in Osteuropa vertreten sind.
Der neue österreichische Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), der im Dezember sein Amt angetreten hat, kommt heute zu seinem Antrittsbesuch nach Berlin. Mit seiner Amtskollegin Angela Merkel (CDU) wird er vor allem nach Auswegen aus der Wirtschaftskrise suchen. Die Deutschen will er für ein gemeinsames Hilfspaket für Osteuropa gewinnen. Faymann trifft außerdem Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und den SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering. Am Abend ist ein Treffen mit Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt angesetzt.
In der Alpenrepublik sind die Zeiten vergleichsweise hoher Wachstumsraten vorüber. Noch im Herbst hatten die meisten Wirtschaftsforscher gehofft, dass Österreich in diesem Jahr nur eine leichte Konjunkturdelle erleben würde und sogar noch leicht wachsen könnte. Anfang Oktober hatte das Wiener Wifo-Institut, eines der beiden führenden Wirtschaftsforschungsinstitute des Landes, ein reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für 2009 von 0,9 Prozent vorhergesagt.
Doch inzwischen ist klar, dass das kleine Land mit acht Millionen Einwohnern die Rezession nicht mehr vermeiden kann. In der vergangenen Woche sagte die EU-Kommission für Österreich beim Wirtschaftswachstum ein Minus von 1,2 Prozent voraus. Vergessen sind die guten Jahre: 2006 und 2007 lag die Wachstumsrate bei mehr als drei Prozent.
An den Arbeitslosenzahlen ist die verschärfte Situation in Österreich deutlich abzulesen. Ende Dezember meldete der Arbeitsmarktservice (AMS), das Gegenstück zur deutschen Bundesagentur für Arbeit, knapp 290 000 Arbeitslose, was einem Anstieg gegenüber dem Vorjahr von 8,2 Prozent entspricht. Im Januar könnte Österreich erstmals wieder mehr als 300 000 Arbeitslose haben. Da Deutschland ungefähr zehnmal so groß ist wie Österreich, würde diese Zahl drei Millionen Arbeitslosen in der Bundesrepublik entsprechen.
Drastisch ist auch der Anstieg der Kurzarbeiter. Zählte der AMS zu Beginn vergangenen Jahres nur einige Hundert angemeldete Kurzarbeiter im gesamten Land, liegt die Zahl jetzt bei etwa 20 000. Betroffen ist dabei ganz besonders die Autobranche. Österreich hat keine eigenen Hersteller, dafür aber vergleichsweise große Zulieferer. In einigen Werken wie etwa in Graz beim steirischen Unternehmen Magna wird schon seit Oktober kürzer als gewohnt gearbeitet. Etwa 170 000 Menschen arbeiten in Österreich in der Automobilbranche.
Bundeskanzler Faymann rechtfertigte damit die gestrige Entscheidung seiner Regierung, auch in Österreich eine Verschrottungsprämie für Altautos einzuführen. „Weil so viele Menschen betroffen sind, haben wir uns engagiert“, sagte er.
Nach einer Umfrage des Wiener Industriewissenschaftlichen Instituts sind in Österreich 33 000 Arbeitsplätze in der Zulieferbranche gefährdet. Etwa die Hälfte aller Betriebe denke über Kurzarbeit nach. Ähnlich wie in Deutschland können jetzt auch Betriebe in Österreich ihre Mitarbeiter länger in Kurzarbeit schicken. Der Bezug von Kurzarbeitergeld ist bis zu 18 Monate möglich.
Auf Probleme muss sich auch der Maschinenbau einstellen, der in der Alpenrepublik ebenfalls eine vergleichsweise wichtige Branche ist. Das Wifo-Institut rechnet damit, dass die Investitionsneigung österreichischer Unternehmen im Frühjahr „merklich“ nachlassen wird.
Vergleichsweise positiv verläuft die Entwicklung im Tourismus. Diese Branche ist für die Alpenrepublik extrem wichtig und im Vergleich zu Deutschland eine Besonderheit der österreichischen Volkswirtschaft. Bislang spürt die Branche keine Einbrüche bei den Buchungen. Auch jetzt zur Skisaison sind die Wintersportorte in den Alpen vergleichsweise gut belegt. Für den Sommer haben die wichtigsten Feriengebiete sogar die Hoffnung, dass ihnen die ganz großen Einbrüche erspart bleiben.
Weniger erfreulich verlaufen allerdings die Geschäfte mit Osteuropa, lange Zeit der große Wachstumsgarant für Österreich. Besonders die großen Banken des Landes hatten in den vergangenen 15 Jahren Milliarden Euro in Osteuropa verdient. Jetzt droht sich dieser frühere Wettbewerbsvorteil in sein Gegenteil umzukehren. Weil die Banken so stark in Osteuropa engagiert sind, geraten sie selbst in Gefahr. Deshalb hat Österreich ein großes Interesse daran, dass ein internationales Hilfsprogramm für Osteuropa aufgelegt wird.
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Quelle: » Handelsblatt.com