Von Schulden und Geldvermögen
Von Benedikt Fehr
05. Februar 2009 Wie ist das deutsche Finanzsystem strukturiert? Und um welche Beträge geht es? Einige Antworten darauf gibt die "Finanzierungsrechnung" der Deutschen Bundesbank, deren Grundzüge in diesem Schaubild graphisch veranschaulicht sind.
Eine Darstellung des Finanzsystems ist aufgrund der vielen Wechselbeziehungen sowie uneinheitlicher und unvollkommener Datenquellen schwierig. Das Schaubild, das auf einer Vorlage der Deutschen Bundesbank basiert, stellt die Rolle der Finanzintermediäre wie Banken und Versicherungen in den Mittelpunkt. Dabei handelt es sich um eine vereinfachte Darstellung, in der weniger gewichtige Beziehungen ausgeblendet sind. Nicht alle Bilanzpositionen addieren sich deshalb genau auf. Zudem sind einige Bilanzpositionen der Banken gar nicht abgebildet.
Geldvermögen: 7917 Milliarden Euro
Auf der linken Seite der Darstellung steht das "Geldvermögen" der drei Sektoren private Haushalte, Unternehmen und Staat von insgesamt 7917 Milliarden Euro zum Jahresende 2007. (Zum Vergleich: Die deutsche Wirtschaftsleistung - das Bruttoinlandsprodukt - belief sich 2007 auf 2062 Milliarden Euro.) Von diesem Gesamtvermögen unterhalten diese drei Sektoren 2330 Milliarden Euro bei Banken im In- und Ausland als Einlagen, zum Beispiel auf Giro- und Sparkonten. In der Darstellung sind in- und ausländische Banken - und ganz generell In- und Ausland - zur Vereinfachung zusammengefasst. Weiter belief sich der Gesamtwert der von den drei Sektoren gehaltenen Aktien zum Stichtag auf 1615 Milliarden Euro, der Gesamtwert der gehaltenen Anleihen auf 407 Milliarden Euro. Zudem hatten die drei Sektoren gegenüber Versicherungen und Pensionseinrichtungen Ansprüche in Höhe von 1210 Milliarden Euro. In der Darstellung nicht berücksichtigt sind die Ansprüche gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung, da diese nicht mit Kapital unterlegt sind.
Nimmt man die Banken in den Blick, zeigt die Darstellung auf, dass sie sich größtenteils über die erwähnten Einlagen der drei Sektoren refinanziert haben. Hinzu kommen Einlagen der Versicherungen sowie die Refinanzierung über die Aktien- und Anleihemärkte. Nicht dargestellt sind zum Beispiel Interbanken-Kredite, denn generell sind Bilanzpositionen innerhalb eines Sektors nicht abgebildet. Die Banken hatten zum Stichtag ihrerseits Kredite in Höhe von 2609 Milliarden Euro an die drei Sektoren herausgelegt. Aus Sicht dieser drei Sektoren sind das ihre Verbindlichkeiten gegenüber den Banken. Weiter haben sich diese drei Sektoren zum Beispiel über die Begebung von Anleihen finanziert, im Volumen 1281 Milliarden Euro.
Kredit halten die Wirtschaft in Schwung
Die Darstellung illustriert die Einsicht, dass in einer Volkswirtschaft die Schulden (Verbindlichkeiten) des einen das Geldvermögen des anderen sind. Das wiederum verdeutlicht die Brisanz der Krise: Zahlen Schuldner ihre Kredite nicht zurück, müssen die Gläubiger - und das sind größtenteils die Banken - den Verlust tragen. Sollten die Banken dazu mangels Eigenkapital nicht in der Lage sein, droht im Prinzip auch ihren Gläubigern ein Verlust, zum Beispiel den Einlegern oder den Besitzern von Bankanleihen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat allerdings für die Sicherheit der Bankeinlagen von privaten Haushalten eine politische Garantie abgegeben. Verluste können den Banken und Versicherungen zudem zum Beispiel durch Kursverluste an den Wertpapier- und Immobilienmärkten entstehen oder durch Derivategeschäfte jenseits der Aktien- und Anleihemärkte. Angesichts drohender Verluste arbeitet die Politik derzeit an Maßnahmen zur Stabilisierung der Banken. Gleichzeitig geht es dabei auch darum, es den Banken zu ermöglichen, weiterhin Kredite an die drei Sektoren zu vergeben und damit die Wirtschaft in Schwung zu halten.
Die Bundesbank schätzt zudem mit anderen Statistiken das Reinvermögen der deutschen Volkswirtschaft, auch Volksvermögen genannt. Es ergibt sich, kurz dargestellt, im Prinzip wie folgt: Das aggregierte Geldvermögen der drei Sektoren und deren Verbindlichkeiten werden zunächst gegeneinander aufgerechnet. Das Reinvermögen umfasst dann das Sachvermögen der einzelnen Sektoren sowie die Netto-Vermögensposition gegenüber dem Ausland. Laut Bundesbank ergibt sich aus der Zahlungsbilanzstatistik, dass die deutsche Netto-Vermögensposition gegenüber dem Ausland Ende 2007 rund 600 Milliarden Euro im Plus lag.
Das Sachvermögen besteht in diesen Statistiken nur aus dem Anlagevermögen (zum Beispiel Maschinen), Gebäuden und dem zugehörigen Grund. Andere Vermögenswerte wie unbebautes Land, Bodenschätze und Wasserreserven sind nicht erfasst, ebenso wenig langlebige Konsumgüter wie Autos oder Kunstwerke. Wie Elmar Stöß, ein Fachmann der Bundesbank, dazu anmerkt, sind die Zahlen somit nur als vage Näherungswerte zu verstehen, welche die Größenordnungen verdeutlichen. Beispielsweise sei das Sachvermögen des Staates aufgrund mangelnder Daten allenfalls ansatzweise erfasst.
Zwischen dem Geld- und dem Sachvermögen gibt es zahlreiche Beziehungen, die nicht dargestellt sind. Beispielsweise nutzen die drei Sektoren die aufgenommenen Schulden zum Teil zur Finanzierung des Sachvermögens, etwa des Immobilienbesitzes. Verbindlichkeiten können aber auch genutzt werden, um Geldvermögen - zum Beispiel Aktien - zu erwerben oder aber Konsumgüter wie Autos. Immobilienbesitz wiederum wird oft genutzt, um Kredite zu besichern.
Nach den überschlägigen Schätzungen der Deutschen Bundesbank ist das Reinvermögen von 1991 bis Mitte 2008 um knapp 63 Prozent auf 10 050 Milliarden Euro gestiegen (siehe kleine Graphik). Ungefähr im gleichen Zeitraum, von 1991 bis 2008, stieg das nominale Bruttoinlandsprodukt um 62 Prozent auf geschätzt 2489 Milliarden Euro.
Dieser Bericht wurde nicht geprüft. Für Richtigkeit der Angaben übernimmt Silbernews.at keine Haftung.
Quelle: » http://www.faz.net