Nichts ist mehr sicher bei Staatsanleihen
Von Daniel Eckert Und Viktoria Unterreiner 15. Februar 2009, 02:02 Uhr
Explodierende Verschuldung lässt erstmals Zweifel an Top-Kreditwürdigkeit der USA aufkommen. Anleger zwischen Inflationsangst und Deflationssorgen
Es ist das Paradoxon des Jahres, wenn nicht des Jahrzehnts: Zum ersten Mal seit Generationen ist das Spitzen-Rating AAA der Vereinigten Staaten in Gefahr. In einer Studie äußert die Agentur Moody's Zweifel an dieser höchsten Kreditwürdigkeit der USA. Dennoch brechen die Kurse amerikanischer Staatsanleihen nicht ein. Anleger erhalten für zehnjährige Papiere weiterhin nicht einmal drei Prozent. Für die USA ist es damit so günstig wie nie - mit Ausnahme von Ende 2008 -, sich an den Kapitalmärkten zu verschulden. In Deutschland sieht es genauso aus: Auch hier rangiert der Zins nahe historischen Tiefständen, trotz der hochschnellenden Verschuldung.
Sparer befinden sich damit in einer Zwickmühle: Engagieren sie sich in lang laufenden Staatspapieren, der bisher sichersten Form der Geldanlage, erhalten sie kaum einen Ausgleich für die gestiegenen Risiken. Denn langfristig ist das dem Staat geliehene Geld nicht mehr so sicher wie gewohnt.
Eine große Gefahr ist die Wiederkehr der Inflation. Viele Ökonomen fürchten, dass die rasant steigende Geldmenge die Preise in die Höhe treibt und den Wert von Dollar, Euro und anderen Währungen unterminiert. Im schlimmsten Fall könnte die Teuerung die Bondzinsen vollends auffressen, sodass Anleger unter dem Strich einen Verlust hinnehmen müssen. In extremer Form hatten Investoren mit diesem Problem zuletzt während der 70er- und frühen 80er-Jahre zu kämpfen. Damals erreichte die Inflationsrate in westlichen Industriestaaten zweistellige Werte. Die USA mussten zum Ausgleich bis zu 16 Prozent Rendite für ihre zehnjährigen Anleihen bieten.
Die zweite Gefahr kommt von der Verschuldung selbst. Seit dem Beinahe-Kollaps Islands ist klar geworden, dass auch moderne Staaten der westlichen Welt pleitegehen können. Selbst große Industrieländer sind nicht immun, wie die zunehmenden Probleme der Peripherieländer der Eurozone zeigen. Die Zahlen sind schwer zu fassen: In den öffentlichen Haushalten tun sich gigantische Lücken auf, die mit geliehenem Geld gestopft werden müssen. In den USA soll das Defizit Schätzungen zufolge auf zehn Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung hochschnellen. Auch Großbritanniens und Irlands Budgets rutschen tief in die roten Zahlen (siehe Grafik). Das hat zur Folge, dass die Staaten in noch nie da gewesenen Dimensionen die Kapitalmärkte anzapfen müssen. Experten von Barclays Capital prognostizieren, dass die USA, die Länder der Eurozone, Japan und das Vereinigte Königreich allein in diesem Jahr Anleihen im Volumen von 3,6 Billionen Dollar begeben müssen.
Was aber passiert, wenn die Nachfrage ausbleibt und sich nicht genügend Käufer für die Papiere finden? Die Bundesrepublik musste diese Erfahrung schon machen: In diesem Jahr fanden sich schon zwei Mal bei wichtigen Auktionen für zehnjährige Staatsanleihen nicht genügend Abnehmer, zuletzt vergangenen Mittwoch. Andere Staaten wie Griechenland oder Italien mussten deutliche Zinsaufschläge bieten, um genügend Interessenten anzulocken. Doch für den Fall, dass sich diese Zurückhaltung verstärkt, stehen die Notenbanken bereit. So hat der Chef der Federal Reserve, Ben Bernanke, bereits angekündigt, dass die Fed dann Anleihen kaufen würde. "Das entspräche der Staatsfinanzierung über die Notenpresse", sagt Commerzbank-Analyst Bernd Weidensteiner. Auch die Bank of England will zu dieser unorthodoxen Methode greifen.
Vordergründig dürfte damit die Finanzierung der Hilfspakete für Banken und Industrie gesichert sein. Nur ändert das nichts an der Gefahr, dass sich einige Länder überheben könnten. "Die Staaten haben sich in eine gefährliche Lage hineinmanövriert", sagt Folker Hellmeyer, Stratege bei der Bremer Landesbank. Zunächst einmal hätten die Regierungen gar keine andere Wahl, als die Wirtschaft mit Billionenhilfen vor dem Absturz zu bewahren. Kurzfristig beunruhigt Hellmeyer, der in seinem Buch "Endlich Klartext!" nachdrücklich vor einer exzessiven Schuldenpolitik warnt, die Gefahr einer Deflation. Auch andere Beobachter sehen in einem länger anhaltenden Preisrückgang das akutere Problem. Denn wenn die Menschen auf immer noch günstigere Angebote hoffen, halten sie sich mit neuen Anschaffungen wie etwa einem Kühlschrank oder einem Sofa zurück, was die Ökonomie zusätzlich lähmt. Vor allem aber verlieren Immobilien immer weiter an Wert, was zur Überschuldung vieler Haushalte führt. Das mahnende Beispiel ist Japan, das seit Mitte der 90er-Jahre mit der Deflation kämpft. In der Eurozone hat sich der Preisanstieg im Januar auf nur noch 1,1 Prozent verlangsamt.
Für Anleger ist Timing jetzt alles. Denn je nachdem, wie lange der Preisverfall anhält und die Zinsen unten bleiben, empfehlen sich völlig verschiedene Investments: Wer mit einer ausgewachsenen Deflation wie im Japan der "Verlorenen Dekade" rechnet, ist mit Staatsanleihen auch auf dem jetzigen Niveau bestens bedient. Alle anderen Anlageklassen wären dann nämlich noch weitaus unattraktiver als Regierungsbonds.
Sollte sich die Konjunktur indes schneller erholen als allgemein erwartet und die Notenbank das überschüssige Geld nicht schnell genug wieder einsammeln, droht das Gegenteil. Dann könnte sogar eine starke Inflation die Folge sein.
Halter von Staatsanleihen wären die Leidtragenden. Die Inflation würde ihre Zinseinkünfte zunichtemachen. Schutz bieten inflationsgesicherte Anleihen, deren Grundverzinsung zwar unter der herkömmlicher Papiere liegt, die aber einen Ausgleich für steigende Preise bieten. Sparer, die ihr Vertrauen in die Staaten gänzlich verloren haben, bleibt die Flucht ins Gold. Hellmeyer erwartet, dass sich der Preis von 940 Dollar je Feinunze verdoppeln könnte. Und das Gute dabei: Der Wert des Goldes ist anders als der von amerikanischen oder deutschen Staatsanleihen von keinem Rating abhängig.
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Quelle: » http://www.welt.de