Wie der Staat die Anleger besser schützen will
Von Michael Höfling 4. März 2009, 07:41 Uhr
Verwirrende Finanzwelt: Viele Anleger verlieren sich im Universum von Versicherungsverträgen, Fondsgebühren und Verkaufsprospekten. Die Folge sind falsche oder aufgeschobene Entscheidungen in Sachen Geldanlage. Jetzt bemüht sich der Staat Anleger besser zu schützen. Doch das Engagement reicht nicht.
Marion Z. hatte ihrem Bankberater immer wieder gesagt, sie wolle nie wieder Erfahrungen mit Fehlinvestments machen. Sie war durch den Kauf einer überteuerten Eigentumswohnung bereits Opfer des „Schrott-Immobilien“-Skandals geworden, ihr Vermögen dadurch arg dezimiert. „Sicherheit zuerst“ lautete seither die oberste Maxime für ihre Anlagen. Doch sie griff erneut daneben. 25.000 Euro investierte sie auf Empfehlung des Beraters in ein Zertifikat von Lehman Brothers – und auch die sind nun wohl weg. Dabei sind die Erträge aus ihrem Ersparten alles, wovon die Lebenskünstlerin lebt, in einem italienischen Dorf nahe Mailand. Ihr Fazit aus der neuerlichen Pleite: „Wer Berater hat, braucht keine Feinde.“
Die Pleite der US-Bank hat unbedarfte Anleger getroffen, die nur eines wollten: Sicherheit. Doch die Banken hatten ihnen etwas ganz anderes verkauft: Risiko. Daher hat nun auch die Politik das Thema Anlageberatung neu für sich entdeckt. Mit einer Gesetzesinitiative will die Regierung Privatanleger besser schützen. Helfen sollen dabei längere Verjährungsfristen und ausführlichere Beratungsprotokolle. Auch die Wirtschaft reagiert: Der Verband der geschlossenen Fonds (VGF) will das Vertrauen der Anleger mit einer Branchenreform zurückgewinnen, der Derivate-Verband DDV hat eine „Transparenz-Initiative“ angestoßen.
Dennoch: Bei Finanzprodukten wimmelt es weiter von Konstrukten, die kein normal begabter Sparer durchschauen kann. Intransparente Verträge verschleiern, wie viel vom Ersparten wirklich eine Rendite erarbeitet, Gebühren und Provisionen fließen, ohne dass der Anleger etwas davon mitbekommt. „Die Gesetzesinitiative ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Niels Nauhauser, Anlageexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, „aber der Kampf für Anlegerschutz geht erst los.“
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Gefordert sind nicht nur die Berater. Auch Anleger selbst müssen etwas ändern. Viele sind zu schlecht informiert. In seinem „Lexikon der Finanzirrtümer“ greift Nauhauser typische Fehleinschätzungen auf: Haben billigere Versicherer einen schlechteren Service? Sind Provisionen nicht verhandelbar? Wer hier mit „Ja“ antwortet, ist auf gutem Weg zu einer schlechten Rendite für sein Geld.
Aufgeklärte Kunden dagegen behalten auch während der Beratung das Heft in der Hand. Die „Welt am Sonntag“ gibt in den kommenden Monaten in einer Themenreihe „Wissen ist Geld“ deshalb Rat und Hilfe in Grundfragen des Finanzwissens. Dazu gehören auch wichtige Informationen zur Durchschaubarkeit von Produkten. Viele Versicherungen, Fonds oder Zertifikate verschleiern nach wie vor Kosten oder führen die Sparer in die Irre. Einige Beispiele:?
?Zertifikate: Gerade die Lehman-Pleite hat der Branche einen fast irreparablen Imageschaden verpasst, da mit dem Ausfall des Emittenten ein Risiko eintrat, das bis dahin als rein theoretisch abgetan wurde. Zwar sichern sich die ausgebenden Institute rein rechtlich ab, indem sie in ihren Verkaufsprospekten die Risiken von Schuldverschreibungen, wie es Zertifikate sind, erwähnen. Doch dieser Hinweis findet sich oft genug nur im Kleingedruckten der Verkaufsprospekte, das im Zweifel kaum ein Anleger jemals liest. „Nach dem Fall Lehman Brothers sollte man eigentlich meinen, dass alle Emittenten aktiv auf potenzielle Anleger zugehen und diesen Zusammenhang erklären müssten“, sagt Stefan Naumann von der Unternehmensberatung Steria Mummert Consulting, die im Jahresabstand Produktqualität und Transparenz in der Zertifikate-Branche analysiert. Weit gefehlt: Nur etwa die Hälfte der Emittenten erfüllte die Anforderungen der Studie an Transparenz und Servicequalität zu mehr als 50 Prozent.
?Lebensversicherung: Auch wer eine Versicherung abschließen möchte, steht – nicht nur als Laie – vor umfangreichen Recherchen, um einordnen zu können, welche finanziellen Folgen eine Unterschrift unter den Vertrag hätte. Zwar hat die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes VVG zum 1. Januar 2008 auch hier manches zugunsten des Kunden verbessert. Doch zu tun bleibt weiter genug, findet Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten BdV. „Wer etwa eine kapitalbildende Lebensversicherung abschließt, erfährt zwar, dass dafür Vertriebskosten von 2500 Euro anfallen, aber diese isolierte Information nutzt ihm erst mal gar nichts.“ Entscheidend für den Versicherten sei die Information, welcher Anteil seiner Beiträge wirklich gespart wird. „Diese Quote schwankt in der Branche zwischen 65 und über 90 Prozent“, sagt Rudnik. Auf die Jahre der Laufzeit hochgerechnet, ergäben sich dadurch Unterschiede in der Ablaufleistung, die in die Tausende gehen.
?Investmentfonds: Im Kreise der Fondsgesellschaften gibt es ebenfalls noch genug zu tun im Bemühen um wirklichen Verbraucherschutz. Ein immer wieder diskutiertes Beispiel ist die Kostentransparenz. Zwar gibt es eine Gesamtkostenquote, die sogenannte Total Expense Ratio – kurz TER, die dem Kunden den Vergleich verschiedener Fondsprodukte erleichtern, und die alle Kosten enthalten soll. Doch auch diese TER hat ihre Mängel. So sind Gebühren, die der Manager für den Kauf und Verkauf einzelner Wertpapiere zahlt, nicht in ihr enthalten. Bei Dachfonds, die mit Blick auf die seit Januar geltende Abgeltungsteuer bis Ende 2008 besonders gern verkauft wurden, sind diese indirekten Kosten eine beachtliche Größe. Schließlich muss der Anleger nicht nur den Manager des Dachfonds bezahlen. Er kommt zusätzlich für die verschiedenen Zielfonds auf, in denen der Dachfonds das Geld anlegt.
Die Aufmerksamkeit, die die Themen Beratungsqualität und Produkttransparenz zurzeit erfahren, weist fast automatisch den Weg zu einer Lösung, die in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt: die Honorarberatung. Dabei zahlt der Anleger ein Fixum und erhält im Gegenzug eine auf ihn zugeschnittene Finanzberatung. „Kostenlose Beratung muss schiefgehen“, meint auch Verbraucherschützer Niels Nauhauser. „Berater, die man eigentlich besser Verkäufer nennen sollte, können nur entweder ihr eigenes oder das Wohl des Kunden im Blick haben.“ Die Finanzkrise, ist sich Nauhauser sicher, könnte aber breite Bevölkerungsschichten dazu bringen, endlich umzudenken.
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Quelle: » http://www.welt.de