Europa meldet sich in der Finanzkrise ab
von Eric Bonse
Ist die Europäische Union der Finanz- und Wirtschaftskrise gewachsen? Zweifel sind nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten. Denn die Antworten auf die Krise, die die EU heute und morgen bei ihrem Frühjahrsgipfel in Brüssel geben will, können nicht überzeugen. Kein neues Konjunkturpaket, keine konkreten Hilfszusagen für osteuropäische Krisenländer, keine realistische Konsolidierungsstrategie für die öffentlichen Haushalte. In weiten Strecken liest sich der Entwurf wie ein Dokument der Ratlosigkeit.
Statt mutig über neue Lösungen nachzudenken, bekräftigt die EU ihre alte, längst überholte Lissabon-Strategie, die Europa bis 2010 zur wettbewerbsfähigsten Region der Welt machen soll. Das grenzt schon an Schizophrenie. Schließlich wissen die EU-Granden nur zu gut, dass Europa nicht vorankommt, sondern zurückfällt. In diesem Jahr wird es keine Erholung mehr geben, im Gegenteil. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker rechnet mit einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit und sozialen Unruhen. Selbst Zahlungsprobleme in einem Euro-Land schließt er nicht mehr völlig aus.
Der EU steht die härteste Zerreißprobe ihrer Geschichte bevor. Doch die Staats- und Regierungschefs machen "business as usual". Vor allem Kommissionspräsident José Manuel Barroso und der tschechische Ratsvorsitzende Mirek Topolanek haben versagt. Statt das aktive Krisenmanagement fortzusetzen, das den französischen EU-Vorsitz Ende 2008 auszeichnete, haben sie das Tempo gedrosselt und auf Autopilot geschaltet. Die Krise soll durch "automatische Stabilisatoren" abgefedert werden, also durch sinkende Steuereinnahmen und wachsende Sozialausgaben.
Gewiss, der Gipfel soll auch ein kleines, aus Gemeinschaftsmitteln finanziertes Konjunkturpaket beschließen. Doch bisher war Barroso nicht einmal in der Lage, Projekte zu benennen, die schnell in Angriff genommen werden können. Das Fünf-Milliarden-Paket ist weder sauber finanziert, noch eignet es sich als Stimulus für die Konjunktur. Nach dreimonatiger intensiver Debatte ist dies ein Armutszeugnis für die EU-Kommission. Sie ist ihrem Anspruch, Europa in der Krise auf die Sprünge zu helfen, nicht gerecht geworden.
Hoffnung auf Besserung besteht kaum. Denn im Juni sind Europawahlen. Barroso kandidiert für eine zweite Amtszeit und scheut daher jedes Risiko. Beim Frühjahrsgipfel möchte der Portugiese vor allem eine gute Figur machen. Danach ist aus Brüssel erst recht nicht mehr viel zu erwarten. Denn im April wird sich das EU-Parlament aus der Gesetzgebungsarbeit ausklinken. Neue Initiativen haben dann kaum noch eine Chance. Europa meldet sich ab - mitten in der Krise.
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Quelle: » Handelsblatt.com