EU besorgt über US-Wirtschaftspolitik
von Ruth Berschens und Eric Bonse
Die extrem expansive US-Wirtschaftspolitik im Kampf gegen die Rezession beunruhigt die Europäische Union. Forderungen nach höheren europäischen Konjunkturspritzen wiesen die EU-Regierungschefs beim Frühjahrsgipfel in Brüssel geschlossen zurück. Am Abend einigten sich die EU-Staaten auf ein fünf Mrd. schweres Konjunkturpaket. Außerdem will die EU will ihren Notfallfonds für Mitglieds-Länder verdoppeln.
BRÜSSEL. Das „hohe Defizit“ im amerikanischen Staatshaushalt könne zum „Problem“ werden, sagte Schwedens Premier Frederik Reinfeldt am Rande des EU-Frühjahrsgipfels in Brüssel. Auch Österreichs Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll äußerte Zweifel am expansiven Kurs der US-Regierung: „Wo führt das hin, den Markt zu fluten?“ Die US-Notenbank hatte am Vortag entschieden, eine Billion Dollar Liquidität in die US-Finanzmärkte zu pumpen.
Die Forderung Washingtons nach noch höheren europäischen Konjunkturspritzen wiesen die Gipfelteilnehmer geschlossen zurück. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die von den EU-Staaten bereits beschlossenen Konjunkturprogramme als ausreichend. „Wir haben unseren Beitrag jetzt erst einmal geleistet, und der muss wirken“, sagte die CDU-Chefin vor ihrer Abreise nach Brüssel im Bundestag. Statt neue Konjunkturpläne zu schmieden, sollten sich die EU-Staaten auf die Umsetzung schon beschlossener Hilfen konzentrieren, sagte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso.
Dazu zählt nun auch das von der Brüsseler Behörde vorgelegte, fünf Mrd. Euro schwere gemeinsame Konjunkturprogramm der EU-Länder, das die Gipfelteilnehmer am Abend verabschiedeten. Mit dem Geld sollen vor allem Energie- und Breitbandnetze ausgebaut werden. Deutschland und andere Länder hatten die Zustimmung lange verweigert, weil viele der geplanten Projekte ungeeignet seien, die Wirtschaft rasch zu beleben. Laut Diplomaten haben die Staats- und Regierungschefs nun entschieden, dass „die Investitionen vor allem in 2009 und 2010 getätigt werden müssen“.
Weiterhin willl die EU ihren Notfallfonds für Mitglieds-Länder in Finanznöten von bisher 25 Mrd. auf 50 Mrd. Euro verdoppeln. Eine entsprechende Entscheidung der EU-Staats- und Regierungschefs sei für diesen Freitag vorgesehen, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Der Fonds kann nur von EU-Ländern genutzt werden, die den Euro noch nicht eingeführt haben. Ungarn und Lettland bekamen bereits milliardenschwere Hilfen aus dem Fonds.
Vom EU-Frühjahrsgipfel müsse ein „Signal der Gemeinsamkeit“ mit Blick auf den Weltfinanzgipfel Anfang April ausgehen, mahnte Kanzlerin Merkel. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker hielten sich zunächst jedoch nicht an diesen Ratschlag. Juncker kritisierte die Art und Weise, wie Steinbrück gegen Steueroasen zu Felde zieht. „Ich wäre dankbar, wenn Deutschland nicht so täte, als ob Luxemburg und Österreich unter dem deutsch-französischen Zangengriff zusammengebrochen wären“, sagte Juncker. Steinbrück hatte den Kampf gegen die letzten europäischen Bastionen des Bankgeheimnisses zuvor mit der „siebten Kavallerie vor Fort Yuma“ verglichen und hinzugefügt: „Die muss nicht unbedingt ausreiten. Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt.“
Der Streit wurde am Abend entschärft. Die 27 Staats- und Regierungschefs verständigten sich laut Diplomaten darauf, beim Weltfinanzgipfel keinen EU-Partner wegen seiner Steuerpolitik an den Pranger zu stellen. Damit setzte sich Juncker durch, der zum Auftakt des zweitägigen Treffens vehement dagegen protestiert hatte, dass sein Land auf eine Schwarze Liste gestellt werden solle. Von der Einigung dürften auch Österreich und die Schweiz profitieren, hieß es.
Außerdem verständigten sich die EU-Chefs auf einen Forderungskatalog für den Weltfinanzgipfel Anfang April in London. Es müsse garantiert werden, dass alle „Märkte, Finanzprodukte und Marktteilnehmer, von denen ein systemisches Risiko ausgehen kann, ohne Ausnahme und unabhängig von ihrem Herkunftsland“ einer „angemessenen Aufsicht“ unterworfen würden, heißt es in der Schlusserklärung. Insbesondere müssten die Ratingagenturen reguliert werden. Eine entsprechende Verordnung wird die EU voraussichtlich noch vor der Europawahl im Juni beschließen.
Der Markt für Kreditderivate müsse transparenter werden, so die EU. Die Banken wollen den Handel mit Credit Default Swaps noch in diesem Frühjahr an die Börse bringen. Die G20 müsse entschieden gegen Steuerflucht, Finanzkriminalität und Geldwäsche vorgehen, heißt es weiter in dem EU-Forderungskatalog. Die OECD solle eine Schwarze Liste unkooperativer Steuerparadiese und unregulierter Offshore-Finanzzentren aufstellen und gemeinsame Prinzipien für eine gesunde Unternehmensführung und angemessene Vergütungspraktiken entwickeln.
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Quelle: » Handelsblatt.com