Aktien, Gold und Inflation
Am Freitagnachmittag unserer Zeit war es wieder einmal so weit: Der Goldpreis sank wie vom Blitz getroffen, aber nur für kurze Zeit. Die Trader, die richtig lagen, hatten für wenige Stunden ihren Spaß. Das war's. Die Preisgrafik zeigt nach wie vor ein langgezogenes U mit Knubbeln und mit mittelfristig aufwärts gerichteter Tendenz innerhalb des inzwischen neunjährigen Aufwärtstrends. Lassen Sie sich vom zwischenzeitlichen Zickzack auf keinen Fall beirren.
Nun zu einigen grundsätzlichen Überlegungen. In Frankfurt trifft man mehr als anderswo in Deutschland Menschen, die sich täglich mit dem Thema Geld beschäftigen. Und weil die Stadt wegen ihrer günstigen Lage aus allen Himmelsrichtungen besonders leicht zu erreichen ist, kommen Menschen mit derselben Beschäftigung zum Gedankenaustausch gern nach Frankfurt. Aus den gemeinsamen Diskussionen in den dadurch entstandenen informellen Zirkeln ragen seit Wochen, sieht man von gängigen Schlagzeilenthemen ab (Euro, Griechenland, Staatsverschuldung, das Gehalt von Deutsche Bank-Chef Ackermann usw.), zwei Spezialthemen besonders heraus: 1. Aktien, 2. Inflation. Grund genug, sich hier mit ihnen zu beschäftigen, dieses Mal aus Sicht der in den Diskussionen dominierenden Querdenker.
Vorab: Vergessen Sie alle charttechnischen Kommentare zum Deutschen Aktienindex Dax, sofern sie sich mit dem Sprung über 6000 Punkte beschäftigen. Fakt ist, dass die Dividendenrendite der 30 Dax-Aktien zurzeit je nach Dax-Stand zwischen 3,0 und 3,2 Prozent pendelt, was in etwa der Rendite langlaufender Bundesanleihen entspricht. Der Vergleich hinkt aber vorn und hinten. Denn Dividenden können steigen, fallen oder ganz ausbleiben, die Zinsen gängiger Bundesanleihen nicht. Aktienkurse schwanken aus vielen Gründen (Liquidität, Konjunktur, Unternehmensgewinne, Bewertung usw.), Anleihenkurse primär aufgrund der Zinsentwicklung. Und dann gibt es bei Aktien noch eine Besonderheit, genannt Dividendenpolitik. Hier sorgt die Deutsche Telekom für Aufregung: Trotz eines Gewinneinbruchs 2009 um mehr als drei Viertel will sie für die Jahre 2010 bis 2012 mindestens 0,70 Euro Dividende je Aktie zahlen. Legt man den aktuellen Kurs von 9,95 Euro zugrunde, ergibt sich eine Dividendenrendite von gut 7 Prozent. Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt: Großaktionär KfW mit 16,9 Prozent Anteil am Telekom-Kapital und damit der Bund als KfW-Eigner, diese beiden brauchen in den nächsten Jahren dringend Geld.
Die Versuche aktueller Börsenkandidaten (Kabel Deutschland, Brenntag, Tom Tailor), an das Geld der Anleger zu kommen, sind ganz anders gelagert; diese Unternehmen wollen nicht durch zu hohe Dividendenausschüttungen ihre Kasse leeren, sondern sie im Gegenteil durch den Börsengang auffüllen. Dazu haben sie einen Zeitpunkt gewählt, der recht günstig erscheint: Nach dem inzwischen einjährigen Kursaufschwung und einem Dax von 6000 Punkten ist Aktienkapital viel günstiger zu bekommen als bei 4000 oder 5000 Dax-Punkten bzw. den adäquaten Ständen der anderen Aktienindizes. Doch wie auch immer die Börsenkandidaten – falls überhaupt – von institutionellen Anlegern aufgenommen werden, ist eines schon jetzt sicher: Private Anleger werden dabei zu Statisten degradiert. Den letzten Anlass dazu gab die Einführung der Abgeltungsteuer, deren verheerende Wirkung auf die private Geldanlage in Aktien nach Aussagen von Insidern zwar rechtzeitig bekannt war, aber aus sozialpolitischen und fiskalischen Gründen in Kauf genommen wurde. Unser Schelm würde in diesem Fall sagen: Das Deutsche Aktieninstitut mit seinem sage und schreibe 46-köpfigen Vorstand hat als Lobby total versagt.
Es gab in der Vergangenheit hin und wieder Phasen, in denen Aktien vor Inflation schützten. Eine generelle Aussage, wonach sie grundsätzlich vor Inflation schützen, verbietet sich aber von selbst. Um nochmals auf die Abgeltungsteuer zurückzukommen: Wenn der Gesetzgeber mal eben beschließt, dass Anleger für ihre Kursgewinne aus den nach 2008 gekauften Aktien (ebenso wie aus entsprechenden Anleihen, Fonds, Zertifikaten usw.) 25 Prozent Steuern zuzüglich Soli und ggf. Kirchensteuer zahlen sollen, dann bedarf es schon eines besonderen Geschicks bei der Aktienauswahl und obendrein einer extremen Entwicklung der Inflation, damit die Rechnung nach Abzug der Abgeltungsteuer aufgeht.
Die Inflationsdebatte aus jüngster Zeit hält unvermindert an, obwohl die Inflationsraten rein rechnerisch gering sind. Zwei Begriffe tauchen zur Begründung der kommenden Inflation immer wieder auf: Staatsverschuldung und Geldmenge. Von beiden auf die Inflation zu schließen, erfordert gedankliche Umwege. So viel Mühe machen sich zum Beispiel die Befürworter von Immobilien als Inflationsschutz in der Regel erst gar nicht; wenn es nach ihnen ginge, gäbe es einen direkten Zusammenhang zwischen Schäubles Schuldenturm, Mietshäusern oder Immobilienfonds und trabender, wenn nicht sogar galoppierender Inflation. Gibt es aber nicht. Das heißt, der Staat müsste schon das ganze Vertrauen seiner Bürger verspielen, damit seine Schulden sie massenweise in Immobilien treiben. Und was die Geldmenge betrifft: Erst wenn sie virulent wird, üblicherweise durch eine höhere Umlaufgeschwindigkeit, wird sie von Inflation begleitet. Aber von was für einer Inflation? Es bieten sich an: höhere Preise für Güter des täglichen Bedarfs (zurzeit immer noch unwahrscheinlich), für Agrar- und Industrierohstoffe (wahrscheinlich), Immobilien (nur selektiv in ausgesuchten Lagen) oder Edelmetalle (wahrscheinlich, siehe unten).
Noch sind wir nicht so weit, dass alle Preise auf einmal in die Höhe schießen, und das liegt daran, dass parallel zum Preisanstieg in einigen Sektoren woanders eine deflationäre Entwicklung stattfindet, etwa indem Banken mittels Abschreibungen ihre Forderungen zurechtstutzen. Oder um es mit anderen Worten auf den Punkt zu bringen: In der Inflation ist der Schuldner (beispielsweise der Staat) immer der Gewinner und der Gläubiger (etwa der Käufer langlaufender Anleihen) der Verlierer. Dagegen sind die Verhältnisse in der Deflation nicht so eindeutig; denn hier ist der Gläubiger nur so lange der Gewinner, wie der Schuldner zahlungsfähig bleibt. Aus diesem Spannungsbogen entwickeln sich die Märkte, wobei vor allem die Preise der Edelmetalle, speziell der Goldpreis, eine herausragende Rolle spielen. Nehmen wir Gold als besonderes Edelmetall, weil es für die Industrie nur eine marginale, als Instrument der Werterhaltung dagegen eine zentrale Bedeutung hat: In der Inflation gewinnt es rechnerisch – gemessen in Euro, in Dollar usw. - an Wert, während es in der Deflation nicht entsprechend verliert, weil seine Eigentümer weder Gläubiger noch Schuldner sind.
Übrigens finden Sie im Internet bei www.wiwo.de in der Rubrik „Gbureks Geld-Geklimper“ meinen Kommentar zu den offiziellen Goldreserven einzelner Länder, in dem ich die vom World Gold Council zuletzt veröffentlichte Statistik interpretiere. Ich bin mir sehr wohl darüber im Klaren, dass es sich dabei um eine Ansammlung von Zahlen handelt, die auf nicht bis ins letzte Detail überprüfbaren Angaben beruhen und insofern nicht auf die sprichwörtliche Goldwaage gelegt werden sollten. Doch sie zeigen Trends, und eine für den Goldpreis bedeutende Aussage lassen sie allemal zu: Allein in den vergangenen fünf Jahren ist der Goldanteil an den Währungsreserven der meisten Länder derart gestiegen, dass de facto schon heute ein internationaler Goldstandard existiert. Einzelheiten finden Sie in meinem Kommentar, der sich ansonsten noch mit der Frage auseinandersetzt, warum Gold in bestimmten Kreisen zum Tabuthema geworden ist.
Manfred Gburek, 19. März 2010
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Quelle: » gburek.eu