USA: Buchhalterisch getriebener Aufschwung am Arbeitsmarkt
von Frank Meyer
Gute Nachrichten! Die US-Wirtschaft stellt wieder Leute ein, meldet das Bureau auf Labour Statistics (BLS). 162.000 neue Jobs wurden geschaffen, steht in den Schlagzeilen. Mist! Es hätten eigentlich 200.000 sein sollen. Die Arbeitslosenquote bleibt bei 9,7 Prozent. Beste Grüße von Harry Potter...
Welch ein Glück, dass der monatliche US-Arbeitsmarktbericht ein Buch mit zwölf Siegeln ist. Es gibt dort sechs verschiedene Arbeitslosenquoten (U1 - U6) und sich ständig ändernde Berechnungsgrundlagen. Die wohl am meisten beachteten Zahlen sind die neuen oder abgebauten Stellen (nonfarm payrolls) und die Arbeitslosenquote U3.
In den letzten Monaten war immer wieder zu beobachten, dass Jobs abgebaut worden sind, die Arbeitslosenquote aber fiel. Bei im März 162.000 neue Jobs stagniert aber die Quote bei 9,7 Prozent. Der Grund ist einfach: Man schraubte mal wieder etwas an der „Labour force“. Die Zahl der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Leute wurde im März um 398.000 angehoben. Vielleicht sind die Leute ja alle wieder aus ihrem Urlaub zurück oder aus ihren Schneehöhlen befreit worden. Mit dieser „Labour Force“ steuert man die Arbeitslosenquote Quote am besten - dorthin, wo man sie haben will.
Doch es gibt auch Schatten in der Bilanz: Im März stieg die Zahl derer, die über 27 Wochen arbeitslos sind, und aus der offiziellen Zahl (U3) herausfallen, um 414.000 auf nunmehr 6,5 Millionen. Fast die Hälfte (44,1%) der in der Statistik dort „geparkten“ Leute sind schon seit länger als 27 Wochen dort. Die U6-Quote, die Langzeitarbeitslosen mit ausweist, (im Gegensatz zu U3) steigt sogar wieder auf 16,9 Prozent.
Doch was bedeutet das? Shadow Stats berechnet die Arbeitslosenquote auf der im Jahr 1980 gängigen Praxis. Die rote Linie zeigt die offizielle U3-Zahl. In grau gehalten die U6-Quote, die auch Langzeitarbeitslose umfasst. Die blaue Linie soll ein realistischeres Bild über den Zustand des US-Arbeitsmarktes geben.
Von den 162.000 gemeldeten neuen Stellen wurden 41.000 im Bereich der Produktion geschaffen und 82.000 Jobs im Service-Bereich. Die Regierung schuf zusätzliche 39.000 Stellen. 48.000 Jobs gehen auf eine neue Volkszählung zurück. Doch was ist hiervon zu halten? Von 237 Millionen Amerikanern im arbeitsfähigen Alter gehen 154 Millionen einer Arbeit nach. „Not in Labour force“ sind 83,2 Millionen US-Bürger, was 35,1 Prozent aller Amerikaner ausmacht. Sie stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Ich weiß nicht, was sie tun. Sind sie selbstständig? Stinkreich? Ziehen sie Unkraut aus Salatbeeten? Diese Zahl hat es in sich.
Census 2010 sei Dank
Alle zehn Jahre braucht man in den USA Leute, die von Tür zu Tür gehen und Daten für die Volkszählung sammeln. Das entlastet auch in den kommenden Monaten die Statistik, denn Census plant die Einstellungen von bis zu einer Million Teilzeitkräften, vor allem im April und Mai. Dann werden, so die Vermutung des Autors dieser Zeilen, die Anzahl der neu geschaffenen Stelle explodieren. Und der Dow Jones vielleicht gleich mit. Aber was machen die Zinsen?
Die 10jährigen US-Anleihen werden in Mitleidenschaft gezogen. Mit 3,94 Prozent stehen sie technisch nun auf einer Klippe und scheinen für einen Sprung bereit zu sein...
Ein Aufschwung ohne Schwung
In den letzten beiden Jahren wurden 8,2 Millionen Jobs vernichtet. Ich traue meinem hier nicht anwesenden Wahrsager mehr als dieser Zahl. Zumindest feiert man heute den zweiten Stellenzuwachs in den letzten 27 Monaten. Die US-Wirtschaft braucht monatlich 110.000 neue Jobs, um mit dem Bevölkerungswachstum mithalten zu können und die Arbeitslosenquote stabil zu halten, sagen Experten. Notfalls kann man ja über die Zahl „Labour Force“ noch etwas machen. Gell?
In der letzten Rezession 2001 dauerte es 39 Monate, bis der Arbeitsmarkt sein Niveau vor der Rezessions wieder erreicht hatte. Offiziell. Inoffiziell hat er sich gar nicht erholt. Früher ging das schneller. In den 50er – 70er Jahren dauerte es rund ein Jahr, bis man an altes Wachstum anknüpfen konnte, mit entsprechend mehr Arbeitskräften, die man brauchte. Diesmal könnte jetzt fünf Jahre dauern, bis der Arbeitsmarkt das 2007er Niveau wieder erreichen wird.
Zeitenwende
Die Transformation der USA von einem Produzenten zum Konsumenten scheint in diesen Jahren ihren Höhepunkt zu erleben. Statt Werte zu schaffen, schneidet man sich gegenseitig die Haare.
Arbeiter im produzierenden Gewerbe seit 1939
Arbeiter im Dienstleistungsbereich (seit 1939)
Angestellte in der Regierung (seit 1939)
Ein großer Teil der Arbeit wanderte ins Ausland. Die Leute blieben zu Hause und fanden Jobs im sich immer weiter aufblähenden Bereich der Dienstleistungen. Da es funktionierte, glaubte man, den Stein der Weisen gefunden zu haben, der den Amerikanern jetzt auf die Füße fällt. Man kann sich nicht nur die Haare gegenseitig schneiden, sondern diese zuvor auch waschen.
Der Konsument ist inzwischen der wichtigste Wirtschaftsfaktor verkommen... Geben Sie Geld aus und werden Sie reich. Das ist dumm, würde meine Großmutter sagen. Und ich glaube, die liegt richtig. Der Konsument entscheidet letztlich nicht nur über Wohl und Wehe der US-Wirtschaft, sondern mit seinem Wohlergehen bzw. seinem Frust über die politische Richtung, die das Land nimmt, auch gesellschaftlich...
Und auch das noch...
Im März ist die Zahl der Insolvenzen auf den höchsten Stand seit 2005 gestiegen. 158.141 Mal wurde Gläubigerschutz beantragt, meldet der zuständige Datenermittler Aacer. Neben 8.162 Firmenpleiten stehen 150.000 Privatinsolvenzen zu Buche, ein Fünftel mehr als vor einem Jahr und 35 Prozent mehr als im Februar.
Die Zahl der Lebensmittelkartenempfänger stieg per Dezember 2009 auf 40 Millionen. Das sind 7,2 Millionen mehr als im Dezember 2008. Auf die Bevölkerungszahl von 308 Millionen im gleichen Monat ergibt sich eine Lebensmittelkartenrate von 12,98% Prozent, deutlich höher als die offizielle Arbeitslosenquote.
Die Leute kaufen wie verrückt neue Autos, war die Schlagzeile vom Donnerstag. Das wird die US-Autoindustrie freuen, deren Auslastungsrate im Februar bei 52,8 Prozent lag.
Während der US-Staat im letzten Fiskaljahr 2,1 Billionen US-Dollar eingenommen hat, gab er 3,5 Billionen Dollar aus. In diesem Jahr wächst die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben weiter.
Und jetzt werden endlich Arbeitsplätze geschaffen.Sie sehen, liebe Leserinnen und Leser, es geht endlich wieder richtig aufwärts...
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Quelle: » Frank-Meyer.eu