Die Anleihenblase widerspricht dem Sicherheitsbedürfnis der Anleger
In diesen Tagen sollten Sie ganz besonders auf einen Indikator achten, den Sie laufend zum Beispiel über den Nachrichtensender n-tv und im Internet über onvista.de verfolgen können: Bund Future. Dieser Terminkontrakt auf langfristige Bundesanleihen spiegelt wie kaum ein anderer an Börsen gehandelter Indikator die Krisenangst und das Sicherheitsbedürfnis der Anleger wider. Er eilt gerade von Rekord zu Rekord. Das heißt, Angst und Sicherheitsbedürfnis sind riesengroß. Der zwischenzeitlich ebenfalls über den bisherigen Rekord gesprungene Goldpreis bestätigt diesen Eindruck.
Da drängt sich die Frage auf: Ist es nicht paradox, dass der Bund Future ausgerechnet zu einer Zeit nach oben katapultiert wird, in der die Finanzen des Bundes - trotz zwischenzeitlicher Jubelmeldungen wie am Freitag - alles andere als solide erscheinen und Deutschland nach dem am Freitag husch-husch verabschiedeten Gesetz zur Euro-Rettung für 148 Milliarden Euro geradestehen muss? Ja, in einer Hinsicht ist es paradox, denn wir haben es schon seit Monaten nicht nur in Deutschland, sondern auch anderswo mit einer Anleihenblase zu tun. Aber in anderer Hinsicht ist das Sicherheitsbedürfnis der Anleger, verbunden mit hohem Liquiditätsbedarf, so groß, dass sie – außer in Gold – auch in Anleihen von Schuldnern flüchten, die sie noch für halbwegs solide halten. Zu diesem Bild passt im Übrigen, dass sie, wie zuletzt geschehen, ab und zu Aktien wie heiße Kartoffeln fallen lassen.
Versuchen wir also das vermeintliche Paradoxon zu klären. Als Erstes fällt auf, dass US-Wirtschaftsminister Geithner unserer Kanzlerin und dem neuen britischen Premier einen Besuch abstattet. Im Gepäck hat er ein Rettungspaket zur Stabilisierung der US-Wirtschaft, für das Deutschland einen gehörigen Beitrag leisten soll. Ansonsten geht es ihm um die Abstimmung der anstehenden Konjunkturprogramme, wozu auch die Koordination der Geldpolitik der US-Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank gehört. Das heißt, die Wirtschaftspolitik der Amerikaner und der Europäer soll noch viel expansiver werden, als sie bisher ohnehin schon ist. Oder bezogen auf die Geldpolitik: Die Märkte werden mit noch mehr Geld als bisher geflutet, und dieses landet dort, wo Anleger es in Sicherheit wähnen, unter anderem in deutschen Bundesanleihen.
Ein spezieller Aspekt betrifft die leichtsinnige Immobilienfinanzierung, die ja, was zwischenzeitlich vergessen zu sein schien, ausgehend von den USA 2008 die internationale Wirtschaftskrise ausgelöst hat. Damals waren es vor allem amerikanische Wohnhäuser, deren Besitzer nicht mehr für die Zinsen und Tilgungen ihrer Kredite aufkommen konnten. Jetzt tut sich zusätzlich noch ein riesiges Finanzierungsloch bei US-Gewerbeimmobilien auf. Und weil die finanzierenden Großbanken aus den USA wie aus Europa hohe Kredite leichtsinnig auch für wackelige europäische Gewerbeimmobilien vergeben haben, müssen ein weiteres Mal die Staaten einspringen, damit das ganze Kreditgebäude nicht von heute auf morgen zusammenkracht.
Dazu passen die von der US-Ratingagentur Standard & Poor's bereits Ende April veröffentlichten Zahlen, wonach Banken zwischen 2009 und 2011 mit Abschreibungen allein aus Krediten für europäische Gewerbeimmobilien in Höhe von 100 Milliarden Euro rechnen müssen. Davon gehen 92 Milliarden auf das Konto von Großbritannien, Irland und Spanien. Bedenklich ist, dass auch deutsche Banken involviert sind, wie die zur Commerzbank gehörende Eurohypo, die Hypo Real Estate und einige Landesbanken. Bedenklich nicht zuletzt aus Sicht der Steuerzahler, denn in all diesen Fällen ist der Staat mittelbar beteiligt.
Auch wenn Sie vom Bankenthema am liebsten gar nichts mehr lesen wollen, können Sie sicher sein, dass Sie es noch in diesem Jahr wie einen Krimi verschlingen werden. Das hat einen einfachen Grund: Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, eine Art internationaler Oberaufseher des Kreditgewerbes, plant dessen Eigenkapitalanforderungen drastisch zu verschärfen. Das bedeutet: Die Mindestquote für das Kern- und das Ergänzungskapital (Gesamtkapitalquote) der Banken soll von zurzeit 4 Prozent auf bis zu 8 Prozent der Bilanzsumme erhöht werden. Und falls es an der Kreditfront ganz knüppeldick kommt, müssen die sog. risikogewichteten Aktiva mit 16 Prozent statt wie jetzt mit 8 Prozent unterlegt werden.
Verabschieden wir uns nun von der Bankersprache, indem wir auf die Folgen eingehen: Banken müssen in Zukunft entweder ihr Eigenkapital drastisch erhöhen oder die Kreditvergabe stark einschränken. So viel zu den theoretisch möglichen Alternativen. Praktisch wird den Banken allerdings nichts anderes übrig bleiben, als Kredite erst gar nicht zu gewähren und/oder sie herunterzufahren. Denn die Aufnahme von zusätzlichem Eigenkapital ist, falls überhaupt realisierbar, entweder viel zu teuer oder – im Fall von Staatsbeteiligungen an Banken – so gut wie unmöglich. Trotz dieser misslichen Lage will man die strengen neuen Anforderungen an das Eigenkapital in Basel bis zum Herbst dieses Jahres obligatorisch unter Dach und Fach bekommen. Dass bei einem solch engen zeitlichen Korsett der Streit zwischen dem Baseler Ausschuss, den Bankenverbänden und den Regierungen der betroffenen Staaten (nicht nur von solchen mit Bankbeteiligungen) programmiert ist, liegt auf der Hand.
Nur ist das Kreditgeschäft wegen seiner Hebelwirkung (Kredite in mehrfacher Höhe des Eigenkapitals der Banken) dummerweise so sensibel und darüber hinaus noch so entscheidend für die Weiterentwicklung der Konjunktur, dass man es nicht beim Streit unter den zuständigen Gremien belassen kann. Herauskommen wird, wie immer in solchen Fällen, ein Kompromiss - hier zugunsten der Banken, die ja entweder verstaatlicht sind oder anderweitig unter strenger Staatsaufsicht stehen. Eine Folge des Kompromisses ist schon absehbar: Am Ende werden die Kunden von Banken und Sparkassen sowie die Steuerzahler zur Kasse gebeten. Und die Besitzer von Bundesanleihen oder ähnlichen Papieren? Sie werden sich über kurz oder lang fragen, ob sie in Anbetracht von Minirenditen allein vom Sicherheitsbedürfnis her nicht lieber gleich der immer größer werdenden Schar der Käufer von Gold und Silber folgen.
Manfred Gburek, 21. Mai 2010
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Quelle: » gburek.eu