Die Austrians kommen
Um es gleich vorauszuschicken: Fast alle Vorträge auf dem Kongress zur „Österreichischen Schule der Nationalökonomie“ in Wien (1. und 2. Oktober 2010) waren interessant und inspirierend. Zudem war die Möglichkeit zum „Networking“ hervorragend. Wir haben viel diskutiert und auch viel gelacht – ohne Humor wären die sich aus den Themen ergebenen Konsequenzen nur schwer verdaulich. („Mit Witz kommt ein Land durch jede Krise“ lautet rein zufälligerweise das Motto einer Ausstellung, die derzeit im Frankfurter Museum für Kommunikation läuft. Dort werden argentinische Comics bzw. Karikaturen gezeigt.)
Man hat den Eindruck, dass die „Österreichische Schule der Nationalökonomie“ in ihrer Bedeutung – genauso wie die Märkte – starken zyklischen Schwankungen unterworfen ist. Das Interesse an ihren Theorien wächst immer dann, wenn sich die Finanzmärkte einem Abgrund nähern. Sinnigerweise erhielt Friedrich August von Hayek im Jahr 1974 den Nobelpreis, als eine allgemeine Untergangsstimmung die Finanzmärkte beherrschte.
Es ist sicherlich kein Zufall, dass die „Austrians“ nach einem „Hoch“ in den Jahren 2002/03 seit dem Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007 erneut auf ein steigendes Publikumsinteresse stoßen (insbesondere in den USA). Die Idee der Ausrichtung eines Kongresses zur österreichischen Schule der Nationalökonomie passt. Bereits im Oktober 2009 fand - ebenfalls in Wien - ein erster Kongress statt.
Was mir gleich am Anfang auffiel, war die - humorfreie - Behauptung der „Austrians“, sie allein hätten die Finanzkrise kommen sehen. Ich weiß nicht, warum man glaubt, eine solche Aussage tätigen zu müssen. Vielleicht deshalb, weil die Austrians – wie sie selber beklagen – noch immer keine Anerkennung in der heutigen Volkswirtschaftslehre und in der Politik finden und diese Aussage das geschundene Selbstwertgefühl steigert? Es gab haufenweise Signale auf das Platzen der Hausbaublase in 2005, und im Frühjahr/Sommer 2007 konnte man eine Vielzahl von Hinweise auf eine Wende an den Aktienmärkten beobachten. Aus technischer Sicht litt beispielsweise die Marktbreite; zudem trat eine Vielzahl von Hindenburg-Omen auf. Zugegeben: Dies sind technische Indikatoren, die in erster Linie von technischen Analysten und nicht so sehr von Volkswirten benutzt werden (was bedauerlich ist). Klar ist jedoch, dass nicht nur wir, sondern auch andere Analysten die Finanzkrise weitgehend vorhergesehen haben.
Zudem ist die Unvermeidbarkeit eines Staatsbankrotts Japans, der USA und auch der europäischen Industriestaaten mittlerweile „Common Sense“. Wer glaubt schon noch ernsthaft an eine Schulden-Rückzahlfähigkeit dieser Staaten im Rahmen eines normalen Wirtschaftsgeschehens? Hyperinflation, Deflation, Währungsschnitte sind die gängigen Alternativen. Man schaue sich nur um: In Deutschland ist die Angst vor Inflation – durch Umfragen belegt - weit verbreitet, während in den USA die Deflationsangst vorherrscht. Beide Ängste sind historisch wohlbegründet.
Zur Tagung. Thorsten Polleit stellte das Konzept der freien Märkte, des freien Geldes und des freien Bankings vor. Eine Vorraussetzung für freie Märkte sei das Privateigentum und die Achtung dessen. Das geschäftliche Leben gehe in einer friedvollen, produktiven Kooperation vonstatten: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ So der Kant’sche kategorische Imperativ.
Die Tauschmittelfunktion sei die eigentliche Funktion des Geldes, die Funktion der Wertaufbewahrung sei nur eine Unterfunktion, so Polleit. Es gäbe kein Gesetz, wonach die Geldmenge unbedingt wachsen müsse. Bei Zulassung von freiem Marktgeld würde sich schnell die Spreu vom Weizen trennen. Gold dürfte sich als freies Marktgeld durchsetzen können. Polleit bezeichnete das staatliche Geldangebotsmonopol als sozialistisch. FIAT-Money (das heutige Papiergeld) habe den Nachteil, dass es auf Vertrauen aufgebaut sei. Fällt der Tauschwert gegen Null, kann der Wert nicht wieder hergestellt werden. Im Rahmen einer Vertrauensdepression würde es zu einem starken Anstieg der Sachwerte gegenüber dem Papiergeld kommen (Stichwort Hyperinflation).
Im „Free Banking“ würde eine Kreditvergabe und damit Geldschöpfung aus dem nichts nicht mehr zulässig sein. Es würde nur das verliehen werden können, was eingezahlt wurde.
Der amerikanische Kongressabgeordnete Ron Paul („End the Fed“) war live aus Washington zugeschaltet, er konnte wegen des Wahlkampfs in den USA nicht persönlich anwesend sein. Ron Paul kam sehr charismatisch und sympathisch rüber. Als netter Onkel getarnt pflegt er bei bestimmten Stichwörtern und Themen energiegeladen aufzutreten. Legendär sind seine „Verhöre“ der jeweiligen Fed-Chefs Alan Greenspan und Ben Bernanke im amerikanischen Repräsentantenhaus. Ron Paul ist das Idol der amerikanischen Tea-Party-Bewegung. Er ist für die Abschaffung der amerikanischen Zentralbank, der Federal Reserve. Ron Paul tritt für Free Markets, Free Money und Free Banking ein. Der Siegeszug der Tea-Party-Bewegung sei ein Ausdruck des Vertrauensverlustes in die jetzige Regierung, so Ron Paul in seiner Rede. Paul forderte, die Goldreserve der US-Regierung in Fort Knox zu überprüfen. Er glaube den offiziellen Zahlen nicht.
Ralf Flierl zeichnete die ideale Welt aus Sicht der österreichischen Schule. Er markierte seine Ausführungen als Vision. Ein gleichbleibender Verlauf der Geldmenge (bzw. minimal steigend) gehr mit einem gleichbleibenden BIP und leicht, aber stetig fallenden Preisen einher. Real erhielte der Bürger durch die stetig fallenden Preise einen Vorteil (siehe auch Smart Investor Heft 8/2010). Eine solche Welt wäre nachhaltiger und werthaltiger als die aktuelle Welt. Konjunkturzyklen wären weitgehend passé. Die Kapitalbeschaffung wäre schwieriger, technische Innovationen würden sich dennoch durchsetzen und die Konjunktur treiben. Der Wettbewerbsdruck wäre höher, die Welt wäre effizienter.
Philipp Vorndran betonte die Wichtigkeit einer Veränderung des „Mindsets“. Er selbst stellte ein an neuseeländischen Universitäten diskutiertes Modell der „Demarchie“ vor – abgeleitet von Demokratie und Anarchie. Berufspolitiker gäbe es nicht. Stattdessen würden Politiker für eine Legislaturperiode ausgelost. Damit würde der Aufbau von Klüngel und oligarchischem Verhalten minimiert werden. Vorndran sieht als wahrscheinliches Szenario den Rücklauf des Euro in nationale Währungen. Einen Bruch in einen Süd- und einen Nordeuro bezeichnete er als problematisch, da man Frankreich bzgl. seiner wirtschaftlichen Situation in den Südeuro stecken müsste. Politisch durchsetzbar wäre das nicht, Frankreich würde in den Nordeuro wollen. Ein Staatsbankrott sei nicht gewünscht, eine lang anhaltende Hyperinflation auch nicht. Er sieht eine Lösung in einer etwa zwei Jahre andauernden Inflationsrate von 80% bis 90% („Inflationspyramide“) Der Schuldenstand der USA in Prozent vom BIP würde sich in einem solchen Zeitraum beispielsweise von etwa 90% auf 55% verändern.
Der FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler schlug in die gleiche Kerbe wie Thorsten Polleit. Er beklagte die nicht enden wollende Interventionsspirale und forderte – im Sinne Hayeks - die Aufhebung der Legal-Tender-Gesetze und damit die Aufhebung des staatlichen Geldmonopols. Schäffler war der einzige Abgeordnete der Regierungsfraktion, der im Deutschen Bundestag Anfang Mai 2010 gegen das sogenannte Euro-Stabilisierungsgesetz (vulgo: Griechenland-Bailout) stimmte.
Marc Faber betonte, dass die Schulden in den USA zwischen den Jahren 2000 und 2009 fünfmal schneller als das BIP gestiegen seien. 80 Prozent des US-Haushalts wäre verpflichtend, sodass diese Ausgaben nicht so einfach gekürzt werden können. Faber geht davon aus, dass die Realzinsen in den kommenden 10 Jahren nicht über null steigen werden. Die Verbraucher würden in den Konsum gezwungen. Noch immer betrüge der US-Konsum 20 Prozent vom Weltverbrauch. Als Symptom des Überkonsums gelte das US-Handelsbilanzdefizit. Die US-Geldpolitik sei extrem erfolgreich – in Asien. Der Ölverbrauch in den Schwellenländern übersteige mittlerweile den Ölverbrauch in den Industrieländern. 95% des Öls bezöge Asien von der arabischen Halbinsel. Faber hält das Tief von 666 Punkten im S&P 500 vom März 2009 für ein Langfristtief (nominal). Die US-Amerikaner haben bei den Kapitalinvestitionen im eigenen Land versagt.
Das Fazit des Kongresses: Der Staatsbankrott kommt, eine andere Lösung als die Volkswirtschaften an die Wand fahren zu lassen und anschließend im Sinne der Austrians wieder aufzubauen („Free Market“, „Free Money“, „Free Banking“), gäbe es nicht. Das „an die Wand fahren“ besorge - bevorzugt - die Hyperinflation oder eine große Depression. Danach käme es zu einer Übergangszeit, aus der ein Wirtschaftssystem à la Hayek hervorgehen könnte.
Wie schon gesagt bot die Veranstaltung eine Menge Anregungen und Inspirationen. Es ist aber schon so, dass einige Teilnehmer nach dem „Where is the beef“ gefragt haben. Wir werden in zweiten Teil versuchen, einige Antworten zu finden (folgt in Kürze). Nur soviel vorab: Nicht nur Unternehmen, sondern auch Staaten unterliegen Lebenszyklen bzw. Übernahmephantasien. Hierin liegt eine Möglichkeit, einen Staatsbankrott zu vermeiden.
Verfolgen Sie die Entwicklung der Finanzmärkte in unserer handelstäglich erscheinenden Frühausgabe.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
Dieser Bericht wurde nicht geprüft. Für Richtigkeit der Angaben übernimmt Silbernews.at keine Haftung.
Quelle: » Wellenreiter-invest.de