Schuldenausfälle bedrohen Banken
Die Krise schien fast überstanden. Nun warnen aber nicht nur die Analysten von Goldman Sachs, dass der Finanzbranche neue Probleme ins Haus stehen - jenseits von Subprime-Abschreibungen: harte Kapitalauflagen durch die Aufsicht, Refinanzierungsprobleme und Kunden, die ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen können.
Die Deutsche Bank erwartet für das zweite Quartal Gewinn, auch die Schweizer UBS ist verhalten optimistisch. Doch die vermeintlich guten Nachrichten in dieser Woche verpufften am Markt. Die Anleger sind gegenüber dem Finanzsektor skeptisch und strafen die Kreditinstitute ab: Seit Jahresbeginn haben die Bankenwerte im Stoxx 600 rund 35 Prozent verloren, während der gesamte Aktienindex nur 23 Prozent eingebüßt hat. Nicht wegen der Kreditkrise verkaufen die Investoren, sondern wegen ganz anderen Faktoren.
Für die Analysten der US-Investmentbank Goldman Sachs stellt insbesondere die Antwort der Aufsichtsbehörden auf die Marktturbulenzen und die starke Verschuldung der Privathaushalte ein Risiko dar. In einer am Freitag veröffentlichten Studie schätzen die Experten den dadurch entstehenden Kapitalbedarf der europäischen Banken auf 60 bis 90 Mrd. Euro. Das sei über die Ausgabe neuer Anteilsscheine und den Verzicht der Jahresdividende zu erzielen, schrieb das Team um Christopher Malmer.
Banken wollen Verschuldung verringern - können aber nicht
Die Schlussfolgerungen von Goldman Sachs fallen nicht aus der Reihe: Bereits mehrere Experten haben sich kritisch zum Ausblick der Finanzbranche geäußert, darunter beispielsweise die Analysten die Citigroup, die auf die starke Verschuldung des Sektors hingewiesen haben. Goldman Sachs selbst hat in einer am 30. Juni veröffentlichten Studie auf die Schwierigkeit hingewiesen, die Verschuldung zu senken. Das Argument: Der Verbriefungsmarkt liegt danieder. Während die Banken früher Vermögenswerte in Wertpapiere verpacken und an Investoren weiterreichen konnten, um ihre Kapitalquoten zu verbessern, fällt diese Option momentan meist weg.
Goldman Sachs beziffert die Kernkapitalquote der europäischen Banken auf 6,5 Prozent. Sie steht angesichts der steigenden Ausfallgefahr der Verbraucher unter Druck. Die Haushalte leiden unter fallenden Hauspreisen und rapide wachsenden Energie- und Lebensmittelkosten. "In den Jahren 2001 bis 2003 waren es die Unternehmen, die ihre Verschuldung zurückfahren mussten. Jetzt steht der Privatverbraucher im Fokus. Er ist so hoch verschuldet wie noch nie", schrieben die Goldman-Sachs-Analysten. Die US-Investmentbank prognostiziert einen Anstieg der Kreditkosten - Ausfälle und Risikovorsorge - von 56 Basispunkten im Jahr 2007 auf 82 Basispunkte 2010. "Das ist mehr als das doppelte als 2002."
Refinanzierungsprobleme bei Leveraged Buyouts
Den Banken drohen zudem Kreditausfälle bei schuldenfinanzierten Übernahmen, sogenannten Leveraged Buyouts. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) warnt, dass einige Unternehmen, die Ziel einer solchen Übernahme geworden waren, sich in den kommenden Jahren nicht mehr refinanzieren können. "Sollte sich die Situation auf den Kreditmärkten nicht entspannen, könnte die Refinanzierung für viele Firmen schwierig werden", schreibt die BIZ in einem am Freitag veröffentlichten Bericht. Das Volumen ist beträchtlich: Nach Angaben der Ratingagentur Standard & Poor's müssen von 2008 bis 2010 Kredite mit einem Wert von 500 Mrd. $ refinanziert werden.
Bei Leveraged Buyouts kaufen Investoren Unternehmen - und finanzieren die Übernahme vor allem mit Fremdkapital, das dann dem Kaufobjekt aufgebürdet wird. In den vergangen Jahren wurden die Kreditauflagen sehr lax gehandhabt. Die Verschuldung nahm deutlich zu, was sich jetzt im Zuge der Kreditkrise zu rächen beginnt. Viele Banken können die Übernahmekredite (Leveraged Loans) nicht an Anleger weiterreichen. Das hat damit zu tun, dass viele Käufer, beispielsweise Vehikel wie "Collateral Loan Obligations" (CLOs), nicht mehr liquide sind. Ende 2007 schlummerten auf den Bankbilanzen Leveraged Loans im Volumen von geschätzten 230 Mrd. $. Das wiederum erhöht den Liquiditäts- und Kapitalbedarf.
Quelle: www.ftd.de