Krise der Hedge-Fonds wird immer bedrohlicher
von Michael Maisch
Die spekulativen Hedge-Fonds stecken in der schlimmsten Krise ihrer Geschichte. Drei von vier Fonds haben ihren Anlegern 2008 Verluste beschert. Und die Probleme werden schnell größer. Selbst das Aushängeschild der Branche, die britische Man Group kommt unter die Räder.
LONDON.Die Krise der Hedge-Fonds nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an. Längst treffen die Verwerfungen an den Kapitalmärkten nicht mehr nur junge oder kleine Fonds, auch die Flaggschiffe der einst boomenden Branche sind in stürmisches Fahrwasser geraten. Gestern brach die Aktie des weltgrößten börsennotierten Hedge-Fonds Man Group nach einem schwächer als erwarteten Halbjahresergebnis um 30 Prozent ein. Das Londoner Brokerhaus Exodus, sprach von einem „schockierenden Ereignis“.
Man-Vorstandschef Peter Clarke musste den Investoren einen deutlichen Gewinnrückgang eingestehen. Außerdem sank das verwaltete Vermögen stärker als noch vor wenigen Wochen angekündigt. Der Kurssturz, der auf die Nachricht folgte, war der größte in der Geschichte des Unternehmens. Clarke machte die „schlimmste Finanzkrise seit Generationen“ und die „halsbrecherischen Kursschwankungen“ an den weltweiten Wertpapiermärkten für das stärker als erwartet eingebrochene Ergebnis verantwortlich.
„Größe oder bekannte Marken schützen längst nicht mehr vor Verlusten“, warnt ein Londoner Hedge-Fonds-Manager. Experten befürchten, dass insgesamt jeder dritte Fonds die Krise nicht überstehen wird. Folge der Verwerfungen könnte eine weitere Welle von Notverkäufen an den Wertpapiermärkten sein. Bereits im Oktober trugen Hedge-Fonds, die ihre Positionen liquidieren mussten, zum Kursrutsch an den Weltbörsen bei.
Nach Informationen der Fachzeitschrift „Financial News“ haben drei Viertel der hundert größten Hedge-Fonds ihren Anlegern 2008 Verluste beschert. So verlor der prominente Fonds Highbridge Capital rund 14 Prozent an Wert. Highbridge gehört zur US-Großbank JP Morgan, dem weltgrößten Betreiber von Hedge-Fonds. Ein neuer Fonds des Konkurrenten Goldman Sachs geriet ebenfalls unter die Räder. Der im Januar 2008 aufgelegte Hedge-Fonds Goldman Sachs Investment Partners hat seither Finanzkreisen zufolge rund 16 Prozent an Wert verloren.
Die Liste der Fondsmanager, die ihren Investoren Verluste melden müssen, ließe sich fast endlos fortsetzen. Auch Chris Hohn, der Chef des britischen Hedge-Fonds TCI, der für viel Wirbel im Management der Deutsche Börse sorgt, hat mit seinem Fonds seit Jahresbeginn ein Minus von mehr als 25 Prozent eingefahren. Der größte Fonds der Hedge-Fonds-Gruppe Citadel, eine der bekanntesten Adressen in der Branche, hat in diesem Jahr 30 Prozent an Wert verloren, und Gründer Kenneth Griffin musste sich gegen Gerüchte über eine Schieflage wehren.
Nach einem langen Boom ist die Hedge-Fondsbranche in diesem Jahr in die bedrohlichste Krise ihrer Geschichte gerutscht. Den Daten des Informationsdienstes Hedge Fund Research (HFR) zufolge haben die Fonds in den zwölf Monaten bis Ende September im Schnitt rund 21 Prozent verloren. Die Daten für Oktober liegen noch nicht vor, aber Ken Heinz, Präsident von HFR befürchtet schlimmes: „Wir erleben gerade die längste Verlustserie, die die Fonds je verkraften mussten, und im Oktober hat sich die Lage noch einmal verschlechtert.“ In den vergangenen Wochen erlebten die Weltbörsen den schlimmsten Monat ihrer Geschichte, und Heinz fürchtet, dass sich die Hedge-Fonds diesem Trend nicht entziehen konnten.
Zu den enttäuschenden Zahlen passt die düstere Prognose des Chefs der US-Bank Morgan Stanley, John Mack, der fürchtet, dass bis zu 30 Prozent der rund 10 000 Hedge-Fonds vom Markt verschwinden werden. Glaubt man dem Finanzier George Soros, dann steht sogar jeder zweite Fonds auf der Kippe. Bislang mussten in diesem Jahr allerdings erst 350 Fonds ihre Pforten schließen, nicht mehr als im Boomjahr 2007.
Die Probleme werden aber schnell größer: Zu Jahresbeginn verwaltete die Branche rund 1,9 Bill. Dollar. Seither ist das Vermögen der Fonds nach Daten von HFR um 200 Mrd. Dollar geschrumpft, zum einen wegen der eingefahrenen Verluste, zum anderen weil immer mehr enttäuschte Anleger ihr Geld abziehen. In Europa könnte die Branche mehr als ein Viertel ihres Kapitals verlieren, warnen Analysten von Morgan Stanley.
Ein Londoner Hedge-Fonds-Manager fürchtet, dass bis Jahresende weitere 200 Mrd. Dollar aus den Fonds abfließen könnten. Damit drohe eine weitere Welle von Notverkäufen, weil die Fonds Positionen liquidieren müssen, um Forderungen ihrer Kunden zu erfüllen. Um Notverkäufe zu vermeiden versuchen immer mehr Fonds, den Abzug von Kapital zu verhindern. Vergangene Woche hat der Vermögensverwalter Deephaven einen 1,6 Mrd. Dollar schweren Fonds gesperrt. GLG, einer der größten Londoner Hedge-Fonds hat zwei seiner Fonds nach Verlusten von rund einem Drittel geschlossen.
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